Johnny Cash - Songwriter

Mercury / Universal
VÖ: 28.06.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Große Versprechen

1994 erschien ein Album, das einer Legende neues Leben einhauchte. Oder besser: Mit dem sich eine lebende Legende selbst ein weiteres Denkmal setzte. In einer Zeit, als Johnny Cash wegen Inspirationslosigkeit und Streitigkeiten mit seiner Plattenfirma in eine künstlerische Sackgasse geraten schien, drang der nicht minder ikonische Produzent Rick Rubin zum Man in Black durch und verfrachtete ihn ins Studio. Alleine, nur mit seiner Gitarre. Und die fragilen Coverversionen machten Cash im hohen Alter endgültig zur Ikone, auch und vor allem außerhalb der Country-Szene. Nun könnte man meinen, 20 Jahre nach Cashs Tod sei nun wirklich jeder Fitzel aus dem Nachlass veröffentlicht, doch weit gefehlt. Denn kurz vor "American recordings" nahm Cash eine Reihe von Demos auf, die im Zuge von Rubins Radikalkur ins Archiv gewandert waren und drei Jahrzehnte später von Sohnemann John Carter Cash wieder entdeckt wurden.

Dabei gebührt Cash junior zuallererst einmal ein Dank. Denn "Songwriter" klingt über weite Strecken ähnlich reduziert wie die Rubin-Alben, lässt insbesondere jeglichen Kitsch beiseite und begeistert dennoch durch einen luftigen Sound, der Cashs einzigartige Stimme perfekt zur Geltung kommen lässt. Das verleiht dem Opener "Hello out there" genau die pastorale Stimmung, die es braucht, um angesichts der schon damals vorherrschenden Sorge um den Planeten um himmlischen Beistand zu bitten. Überraschender ist da schon das bluesige "Spotlight", das durch einen dezenten Groove aus Bass und Orgel in Bewegung gehalten wird.

Interessanterweise haben zwei Songs tatsächlich Rubins Radikalkur überlebt, nämlich "Drive on" und "Like a soldier". Wobei der direkte Vergleich vor allem bei "Drive on" zugunsten der Version auf "American recordings" ausfällt, der man jederzeit die damals neugewonnene Frische anhörte, während "Like a soldier" nahezu identisch klingt – ob sich hier Cash durchgesetzt hat oder der eindringliche Song tatsächlich den Segen des Produzenten bekam, bleibt unklar. Denn ansonsten bietet "Songwriter" vieles, was stilprägend, aber Anfang der Neunziger so dermaßen altmodisch war, dass Cash um ein Haar von der Entwicklung hinfortgespült worden wäre.

Und genau damit täte man ihm maximales Unrecht. Denn "Well alright" mit dem über die Jahrzehnte so vertrauten "Boom-Chicka-Boom" zeigt den augenzwinkernden Charmeur, der sich selbst bei der wunderschönen Liebeserklärung "I love you tonite" ein Grinsen nicht verkneifen kann, wenn er darüber sinniert, dass man es gemeinsam doch tatsächlich über die Dekaden geschafft hat. Ganz genau so wie der Sound eines Musikers, der Generationen geprägt haben dürfte. 2014 gab mit "Out among the stars" schon einmal einen Rückblick um 30 Jahre – mit Songs, mit denen Cashs Vater den aufstrebenden Sohn geprägt hatte. Songs allerdings, die damals schlicht nicht funktionierten. Doch "Songwriter" wirkt hier anders. Johnny Cash hätte 1993 angesichts der damaligen Situation verzweifelt klingen können, und diese Platte bleibt in der Tat mehr Ideensammlung als kohärentes Album. Einige der großen Ideen scheinen allerdings hier schon durch. Als ob sie nur darauf warteten, um von Rick Rubin gehoben zu werden.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Spotlight
  • Well alright
  • Like a soldier

Tracklist

  1. Hello out there
  2. Spotlight
  3. Drive on
  4. I love you tonite
  5. Have you ever been to Little Rock?
  6. Well alright
  7. She sang sweet baby James
  8. Poor valley girl
  9. Soldier boy
  10. Sing it pretty Sue
  11. Like a soldier
Gesamtspielzeit: 30:53 min

Im Forum kommentieren

VelvetCell

2024-07-08 22:47:18

Johnny Cash ist für mich die vielleicht größte Legende der Rock-(oder wie-auch-immer-)Musik. Fast ein Heiliger. Wobei ich seiner Frömmelei als Atheist natürlicherweise skeptisch gegenüber stand. Völlig egal: Cash war eine beeindruckende, fast schon transzendentale Persönlichkeit. Unwirklich groß noch zu Lebzeiten.

Die American Recordings sind allesamt Pflicht, inklusive der Unearthed-Box. Die frühen Werke sind ebenso grandios, Folsom und St. Quentin als Livealben von enormer Energie.

Sloppy-Ray Hasselhoff

2024-07-08 16:36:43

War Cash nicht schon erledigt, als ihn Rubin aus der Versenkung geholt hat? Und dann haut er mit "When the Man comes around" mit seinen Zitterfingern noch einen Burner raus. Im schwersten Set, das man als Mukker haben kann, nämlich nur mit Mikro vor der Nase und Klampfe in der Hand.

Eiersalat

2024-07-08 11:45:16

Einer der wenigen Künstler, die man ausschlachten kann.

Sagst du.

Sloppy-Ray Hasselhoff

2024-07-08 11:17:48

Einer der wenigen Künstler, die man ausschlachten kann. Wirklich Mist kommt da nicht. Ganz nette Demos. Mit seinen Country-Sachen tu ich mir schwer, aber was Rubin aus einem gebrochenen Cash noch rausgeholt hat, ist großes Kino.

Armin

2024-07-07 18:27:07- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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