Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys - Kult
Electrola / UniversalVÖ: 31.05.2024
Schalalalala
Potzblitz, das kam überraschend: Im Vorfeld der Urlaubssaison 2024 veröffentlichte das Statistische Bundesamt eine Liste der am meisten von Massentourismus betroffenen Hotspots innerhalb der EU. Unrühmlicher Spitzenreiter Malle? Denkste: Ganz vorne dabei ist die kleine griechische Insel Santorin. Da fühlt man erstmal mit allen Einwohner*innen mit, die sich sicherlich Schöneres vorstellen könnten. Und kommt anschließend seiner investigativen Pflicht als hochdekoriertes Schreiberlein nach: Was macht die Magie aus? Wie eroberte das Idyll die Herzen der deutschen Urlauber*innen? Schmeckt Ouzo doch besser als Sangria? Schnell drängt sich eine Vermutung auf: "Santorin", die Liebeserklärung des selbsternannten Schlagerpapstes Roy Bianco an seine Lieblingsinsel, welche gleichzeitig auch Vorbote des inzwischen dritten Studioalbums – ähm, dritten Comeback-Albums – seiner Gruppe Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys ist. Nach "Greatest Hits" und "Mille Grazie" nun also "Kult". Na klar, Größenwahn gehört doch dazu. Gleichermaßen ist Album Nr. 3 nun aber auch eine harte Probe, die unmittelbar an zwei Festivalsommer anschließt, in denen sich die Gruppe in das Spitzenfeld des deutschen Indie-Mainstreams gespielt hat und eine erwartungsvolle Tifosi-Fanschar bedienen muss.
Das Konzept von Roy Bianco, Hauptsongwriter Die Abbrunzati Boys und der liebevoll betitelten Showband geht auch auf "Kult" auf. Und vereint die Trademarks des Fünfers, welche aktuell auf dezent skurrile Weise einen Nerv beim hiesigen Publikum zu treffen scheinen. Witzig, aber nicht klamaukig. Ernst gemeint, aber nicht immer ernst genommen. Schnulzig, aber musikalisch on point. Logisch, dass diese Formel nun auch auf "Kult" durchexerziert wird. Etwa beim eingangs erwähnten "Santorin", in dem Roy Bianco die Insel besingt, auf der "das Leben so süß schmeckt" und sich im Licht der untergehenden griechischen Sonne suhlt – "Salute, alles Gute". Bevor die Schunkelstimmung jedoch eintönig wird, kommt eine himmelhochjauchzende, händereckende Bridge um die Ecke und liefert einen willkommenen Wachmacher. In die gleiche Kerbe schlagen auch die beiden bereits im Sommer 2023 veröffentlichten Songs "MS Abbrunzatissima" und "Velocità". Besonders Letzteres ist eine herrlich treibende, knackige Ode an das Zweiradmoped des Vertrauens und dürfte sicherlich die eine oder andere Sommerplaylist als Speerspitze anführen. Selbstredend ist das hier zu einhundert Prozent Kitsch pur und keinerlei hohe Kunst, aber so ein fieser Ohrwurm will eben auch erstmal geschrieben werden. Auf dem hübsch arrangierten "Bardolino" wagen sich Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys gar an das große Ungetüm Autotune heran: "Ich will nie wieder Bardolino sehen", klagt ein niedergeschlagener Schlagerpapst auf seinem ganz persönlichen "808s & Heartbreak".
Nun wäre "Kult" natürlich kein waschechtes Schlager-Album, wenn nicht auch die eine oder andere Mittelprächtigkeit ihren Weg darauf gefunden hätte. "Goodbye, arrividerci" beispielsweise gibt sich alle Mühe, mit "Supersonic"-Drums und Streichern aus den Abbey Road Studios den Britpop-Italo-Schlager-Crossover hinzulegen, taumelt dabei aber ein wenig über seine eigene Duseligkeit. Roy & Zanti statt Noel & Liam? Es geht so. Und so charmant "Ich liebte die Musik" oder "Unter Palmen" auch daherkommen mögen, schmeckt der Spritz hier eher abgestanden als frisch. Insbesondere beim übertriebenen "Schalalalala"-Einsatz auf Letzterem. Aber alles halb so wild, wenn im Anschluss "Rimini Disco" den Funk rausholt oder zum Closer "Weiße Rosen" die Tränen fließen und die Herzen nur so dahinschmelzen. Es ist und bleibt ein amüsantes Universum, das sich Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys aufgebaut haben. Das alles kann man natürlich ganz genüsslich so richtig beschissen finden. Oder sich den Spaß eben gönnen. Aperol optional.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Santorin
- Bardolino
- Rimini Disco
- Velocità
Tracklist
- MS Abbrunzatissima
- Santorin
- Bardolino
- Sophia Loren
- Goodbye, arrividerci
- Ich liebte die Musik
- Agosto 83
- Rimini Disco
- Unter Palmen
- Velocità
- Und wenn sie singt
- Ouvertüre
- Weiße Rosen
Im Forum kommentieren
nörtz
2024-06-28 22:53:59
Diverse Konzertermine schon ausverkauft. In Hannover mussten sie sogar in eine größere Location umziehen. Die deutschen Wanda?
maxlivno
2024-06-13 17:54:40
Rochen hat‘s wirklich auf den Punkt gebracht
Christopher
2024-06-13 17:10:09
Bin da bei Rochen. Fand die aber schon von Anfang an schlimm. Wüsste auch nicht, in welcher Stimmung ich solche Musik hören sollte.
Rochen
2024-06-13 15:48:28
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Pornelius
2024-06-13 15:07:20
Ist doch gar nicht wahr. Ich hör gern Schlager und brauch dazu keine Ironie.
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