Willow - Empathogen

PIAS / Rough Trade
VÖ: 03.05.2024
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Sie werden so schnell groß

War es doch nur eine Phase, Willow Smith? Das mit dem Emo, den harten Gitarren, dem kahl geschorenen Haupt? Nach ihrer Billy-Corgan-Werdung auf "Coping mechanism" spielt die 23-jährige Singer-Songwriterin die Regeln des Pop-Business weiterhin konsequent durch und zeigt auf "Empathogen" gänzlich andere Facetten ihrer Persönlichkeit. Einem Chamäleon gleich sind die neuesten Waffen ihrer Wahl, wie jetzt nicht zwangsläufig zu erwarten war: Funk und Jazz. Nun hat der jüngste Spross der Smith-Dynastie auch schon vor "Lately I feel everything" eher warmen, durch verschiedenste Einflüsse aufgebrochenen (Soul-)Pop gemacht, der sich mehr durch seinen ausgesprochenen Kunstwillen als durch die juvenile Rebellionspose auszeichnete. "Empathogen" aber setzt den Fokus noch stärker auf die gesangliche Performance und auf ausgeklügelte Kompositionen anstatt auf niedrigschwellige Pop-Happen.

Was weniger überrascht: Smiths Stimme und Gesangs-Skills bleiben ihre definitiven Markenzeichen. Sie singt ungelogen sogar so gut, dass selbst Duett-Partnerin Annie Clark alias St. Vincent auf "Pain for fun" nicht dagegen anstinken kann. Das Stück selbst liefert eine Art windschiefen Adult Contemporary, der ganz bewusst am Formatradio vorbeikomponiert wirkt. Smith manövriert ihre Stimme versiert wie eine alteingesessene Gesangslehrerin durch die Musik, wandert mühelos Tonleitern rauf und runter, demonstriert herausragendes Können. Was nicht heißen soll, dass sie vor lauter Musiktheorie und Professionalität die Hits vergessen hat: "Symptom of life" verpackt seine verschleppte Rhythmik in einen flotten Dreiminüter, befindet sich im Einklang mit Mensch und Natur, den kleinen Dingen – und ist möglicherweise Smiths bisher allerbester Song.

Am Opener "Home", bei dem anstelle von Punk-Opa Travis Barker nun Grammy-Garant Jon Batiste aushilft, hätte Fiona Apple bestimmt auch ihren Spaß. "Ancient girl" ist melodisch ähnlich interessant, hat in seiner Kürze aber leider auch etwas von einem Home-Demo. "Down", das so ein bisschen Whitney Houston aus dem Jenseits channelt, gesellt sich dazu: Die jeweils maximal eineinhalb Minuten haben einfach nicht genug zu erzählen, als dass sie als ausgewachsene und für das Album unverzichtbare Songs gelten könnten. Hier schwächelt "Empathogen" bisweilen – nicht in seinen Ideen, aber in deren Umsetzung, die so wirkt, als hätte dann doch alles ein wenig schneller gehen müssen. Zum Schluss aber reißt das großartige "Big feelings" das Steuer noch mal herum, wenn Smith zumindest textlich wieder ganz dem Emo anheimfällt: "Acceptance is the key / Acceptance gives me wings."

Billie Eilish hätte "The fear is not real" auf "Hit me hard and soft" vermutlich auch so in der Art gemacht, inklusive der funky Bassline, vielleicht mit weniger TripHop-Vibes in den Vocals. Im Vergleich dazu eher angefressen zeigt sich "False self", das auf Smiths letzten beiden Alben bestimmt die Pop-Punk-Behandlung verpasst bekommen hätte, hier aber auch einfach auf düsteren Funk-Rock zurückgreift. "Run!" macht genau dort weiter, Smith lamentiert "I can't get out!", die Post geht ab. Was die zerstückelte Interlude "No words 1 & 2" allerdings bedeuten soll, bleibt ihr Geheimnis – falls Free Jazz nicht mittlerweile auch als Punk durchgeht. "Empathogen" ist kompliziert und mit voller Absicht ein eher anspruchsvolles Hörvergnügen, das so kaum abzusehen war und schlussendlich auch nicht in Gänze überzeugt. Aber es zeigt, dass die ständig kreative Haken schlagende Karriere der Amerikanerin unberechenbar bleibt – und somit wohl auch in Zukunft hochunterhaltsam.

(Ralf Hoff)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Symptom of life
  • The fear is not real
  • Big feelings

Tracklist

  1. Home (feat. Jon Batiste)
  2. Ancient girl
  3. Symptom of life
  4. The fear is not real
  5. False self
  6. Pain for fun (feat. St. Vincent)
  7. No words 1 & 2
  8. Down
  9. Run!
  10. Between I and she
  11. "I know that face"
  12. Big feelings
Gesamtspielzeit: 32:15 min

Im Forum kommentieren

Mr Oh so

2024-08-15 14:38:03

Macht durchweg Spaß, berührt aber letztendlich nicht wirklich. Und so fehlt am Ende doch noch ein bisschen zum ganz großen Wurf.

Ralph mit F

2024-06-25 16:15:34

Ja und ja!

Mr Oh so

2024-06-25 15:45:32

Symptom of life Song des Jahres?

Arne L.

2024-06-25 13:50:19

"Big feelings" schon ziemlich stark!

Armin

2024-06-12 16:16:38- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum