Capital Bra - Vladyslav

Bra / Urban / Universal
VÖ: 12.04.2024
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 2/10
2/10

Die Ausnahme

Sein erstes und letztes persönliches Album, das sei "Vladyslav". Capital Bras neunter Longplayer soll nach für ihn ungewöhnlich langer Wartezeit als "Therapie und Leidenschaft" funktionieren. Für den Mann, der in mehreren Kategorien der deutschen Chartgeschichte diverse Rekorde hält, waren die letzten Jahre problematisch, zuletzt bis hin zu einem Brandanschlag auf sein Haus. Aus musikalischer Sicht schien jüngst ein mittelmäßig spannender Beef mit Bushido interessanter als die letzten Platten, die nach und nach immer austauschbarer wirkten, siehe "CB6" oder "CB7". Immerhin: Dieses viel kürzere Album erfüllt seine Mission, einen anderen Vladyslav Balovatsky vorzustellen, der in manchen Tracks tatsächlich Verletzlichkeit zeigt und sich um Selbstreflexion bemüht. Immer mal wieder gibt es auch recht vorhersehbare Stücke im Standard-Modus, die aber zumindest (fast) ohne "Lelele" oder andere lyrische Ausfälle auskommen. Wenn es jetzt noch ein paar weniger Features und dafür mehr oder längere Solo-Nummern gegeben hätte, wäre das ein besonderes, noch stärkeres Album.

Trotzdem: So etwas wie die Single "Schwarzes Haus" gab es von Capital Bra noch nicht. Die Liebeserklärung an Frau und Kinder macht warm ums Herz. Wie die meisten emotionalen Momente auf "Vladyslav" begleiten auch diesen Track, dessen Titel auf "Weißes Haus" der Sängerin Ayliva anspielt, Klavier-Samples und vereinzelte Streicher. Mag zwar naheliegend erscheinen, lässt aber Songs wie "Kaputte Nikes" unweigerlich an Pathos und erzwungener Tiefgründigkeit ersticken – und die hochtrabende Hook von Gastrapper 1986zig macht's noch unangenehmer. Der Opener "Ein Part immer frei" fasziniert dagegen durch die rührende Sehnsucht nach Ex-Kollaborationspartner Samra, der sowohl im Studio als auch zwischenmenschlich spürbar fehlt. Selbst unabhängig von der Vorgeschichte ein überragender Track, der die Gefühlslage für den Rest des Albums vorgibt: "Ich vermisse kein'n Hype / Fame oder Erfolg / Ihr könnt reden, was Ihr wollt / Ich vermisse nur mein'n Freund." Von den fiktiven Dramen überzeugt "Regen auf der Fahrbahn" am meisten, nicht nur aufgrund Sido und Gringo, den mit Abstand prominentesten Gästen dieser Platte, sondern es ist der einleitende Part vom Bratan selbst, der hier durchaus ergreifend (s)einen leichtfertigen Unfalltod beschreibt.

Die restlichen Feature-Tracks bieten eher unbekannteren Namen die Chance, sich auf diesem nicht ganz unwichtigen Album zu verewigen. Am besten gelingt das Kalazh44, doch das gottesfürchtige "Halbmond" beeindruckt am meisten durch die fabelhafte Produktion von Zinobeatz und Veysigz. Daneben spendiert Ozan Bra seinem Label-Boss auf "Louis & Prada" einen souveränen Part inklusive Pre-Hook, während Samo104 diejenige von "Flügel" übernimmt und dabei unterstreicht, warum man ihn im Auge behalten sollte. Ansatzweise wirkt "Vladyslav" wie ein vorgezogenes "Capital Bra: The Eras", wenn der Stil seiner alten Zeiten bei Team Kuku ("Alles Nassip" mit HK) auf Herzschmerz-Pop featuring Gast-Sängerin trifft, im Fall von "Dünnes Eis" mit Joelina Drews statt Lea. Aber genau diese teils absurde Mischung macht diese Platte zur interessantesten Veröffentlichung von Capital Bra seit Jahren. Und obwohl unterm Strich nur vier Solo-Tracks stehen, von denen einer noch für Samra reserviert war, sind diese durchweg bemerkenswert. "Es tut mir Leid" zum Beispiel präsentiert Balovatsky, natürlich wieder zu Klavierbegleitung, als geläuterten Ex-Freund beim Jonglieren mit Ausreden – wenig sympathisch, aber sehr authentisch. Jammerschade, dass dieses Konzept wohl eine Ausnahme bleiben wird, denn Capital Bra deutet hier im Prinzip nur an, was ihm auf der Seele liegt. Nun aber, und das war dringender, erinnert "Vladyslav" uns daran, warum er trotz aller Macken, Schwächen und Probleme nach wie vor eine Ausnahmestellung in Rap-Deutschland einnimmt.

(Maximilian Baran)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ein Part immer frei
  • Schwarzes Haus
  • Halbmond (feat. Kalazh44)
  • Regen auf der Fahrbahn (feat. Sido & Gringo)

Tracklist

  1. Ein Part immer frei
  2. Kaputte Nikes (feat. 1986zig)
  3. Alles Nasip (feat. HK)
  4. Es tut mir Leid
  5. Enemies (feat. Mashkal & Baro Dano)
  6. Schwarzes Haus
  7. Magnum Python
  8. Flügel (feat. Samo104)
  9. Halbmond (feat. Kalazh44)
  10. Regen auf der Fahrbahn (feat. Sido & Gringo)
  11. Louis & Prada (feat. Ozan Bra)
  12. Dünnes Eis (feat. Joelina)
Gesamtspielzeit: 39:29 min

Im Forum kommentieren

Rochen

2024-05-02 13:59:21

Was ist denn an der Formulierung "Clowns" auszusetzen? Da Deutschrap hierzulande eines der erfolgreichsten Musik-Genres ist, bringt es selbstverständlich auch eine Menge Müll hervor (wozu natürlich auch der hier besprochene Interpret gehört).

Herr

2024-05-02 12:50:21

Ich habe auch nichts gegen gesprochene Texte. Das machen ja viele, Texte zu sprechen. Und rythmisch gesprochen ist auch sehr schön (Kommt "Rap" von Rapsblume?...immer diese neumodischen Wörter).

Aber es stört halt, wenn man über die forsch fröhliche Musik drüberspricht, da kann man die immer so schlecht hören. Als wenn es so schwer ist, das hintereinander zu praktizieren.

VelvetCell

2024-05-02 11:45:21

... Baby don't hurt ...

Kojiro

2024-05-02 10:48:00

Ja, hier darfst du generell nicht viel Akzeptanz für Rap erwarten. I.d.R. führt man in raplastigen Threads - sofern nicht Kendrick oder Kanye - Monologe. Bra finde ich allerdings wirklich schlecht.

Arne L.

2024-05-02 09:48:14

Klassischer PT-Deutsch-Rap-Thread. Vergleiche mit Laura Müller, "Clowns", "traurig". Ihr seid wunderbar.

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