Melvins - Tarantula heart
Ipecac / PIAS / Rough TradeVÖ: 19.04.2024
Einer geht noch
Zählt eigentlich noch jemand die Melvins-Alben? Ähnlich wie bei den seligen The Fall ist der Katalog der amerikanischen, äh, Rockband ebenso riesig wie unübersichtlich. Man kann Buzz Osborne und den Seinen sicherlich keine Untätigkeit vorwerfen, allerdings beweist das Œuvre der Formation bedauerlicherweise auch, dass Masse nicht mit Klasse gleichzusetzen ist. Ja gut, derlei pfeiferauchende Feuilletonisten-Betrachtungen waren den Melvins schon immer schnuppe. Dass die Plattenfirma Ipecac nach einem Brechmittel benannt ist, zeigt ja im Grunde schon den Anspruch: "Wir machen, was wir wollen, auch wenn Euch davon schlecht wird."
Diese Devise gilt vollumfänglich auch für "Tarantula Heart". Es erfordert schon eine gewisse Chuzpe, das Album mit einem geschlagenen 19 Minuten langen Stück einzuläuten. Wollte man den Opener mit einer Metapher beschreiben, dann am besten noch mit dieser: Er ist der optimale Soundtrack für den Moment, in dem man nach sechs halben Litern Festival-Bier dann eben doch noch wider besseres Wissen an der Tüte gezogen hat, die einem irgendein langhaariger Steineschmeißer rübergereicht hat – und realisiert: Das Zeug ist leider so stark , dass man nicht genau weiß, ob man zuerst einschlafen oder sich übergeben soll. Eine genaue Beschreibung des Stücks erscheint unmöglich, ersatzweise könnte man sich Metallica auf Dormicum oder ZZ Top auf Meskalin vorstellen. Es beginnt zunächst recht vielversprechend mit einem gelungenen Stoner-Riff, das mit hymnischen Gesängen verziert wird. Nach fünf Minuten beginnt allerdings ein langer – und leider allzulanger – experimenteller Teil, der zuweilen auch Stärken hat: diese fies-punktierte Ostinato-Linie etwa, bei der fiepende Rückkopplungen wie giftiger Honig von den Wänden tropfen. Das lappt dann schon fast in Meditative. Leider wird der Soundbrei gegen Ende aber immer unverdaulicher, lauter, verhallter und verzerrter, sodass man sich die letzten acht Minuten guten Gewissens schenken kann. Andererseits: Wer diesen Bastard von Song tapfer zu Ende hört, für den erscheint der Rest dann fast schon zugänglich.
Die anderen Tracks folgen ähnlichen Schaffensprinzipien, erweisen sich aber aufgrund ihrer Kürze als zuweilen durchaus unterhaltsam. In "She's got weird arms" beispielsweise wechselt sich atonal-rhythmisches Gitarrengejaule mit mehrstimmigem Gesang ab. Was ist hier Refrain und was ist hier Strophe? Keiner kann's sagen, es macht aber gute Laune. Schwer gelungen sogar ist "Allergic to food". Hier verfallen Melvins in ein für ihre Verhältnisse waghalsiges Uptempo, alle verfügbaren Gitarren jaulen durcheinander, ähnliches gilt für den Gesang. Da Schlagzeug und Bass das alles aber routiniert zusammenhalten, fühlt sich dieser Track – im besten Sinne – an, als würde man im Rahmen einer Safari in einem Jeep sitzen und mit 70 Stundenkilometern im Rückwärtsgang vor einem frontal angreifenden Nashorn davonbrettern.
Der Genuss von "Tarantula heart" ist ohne bewusstseinserweiternde Substanzen nicht zu empfehlen, zu monomanisch, repetitiv, laut und lärmend ist das alles. Es gibt allerdings auch einige recht starke Momente, außerdem ist das Album ein klassischer Grower, denn nach mehrmaligen Hören wirkt einiges deutlich stärker als zu Beginn. Das wichtigste ist aber: Man erhält den Eindruck, dass Melvins – und das gilt sicherlich nicht für alle ihre Alben – tatsächlich so etwas wie Spaß beim Einspielen dieser fünf bizarren Songs hatten. Sehr zum Wohle!
Highlights & Tracklist
Highlights
- She's got weird arms
- Allergic to food
Tracklist
- Pain equals funny
- Working the ditch
- She's got weird arms
- Allergic to food
- Smiler
Im Forum kommentieren
fuzzmyass
2024-05-07 02:40:29
Was für ein starkes Album! Erst jetzt gehört und auf Anhieb begeistert...
Merke zum 187sten mal: geb keinen Fick auf Melvins Rezensionen
salarias
2024-04-18 19:18:27
Geiles Album ! Cooles Artwork ! Alles wie immer !
salarias
2024-04-11 06:25:53
Freu mich drauf!!!
Armin
2024-04-10 20:47:58- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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