Illegale Farben - Monte Fiasko

Rookie / Indigo
VÖ: 23.02.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Essenziell exakt

Nein, einfach machen Illegale Farben es einem nicht immer. Mit ihrem dunkelgrauen Post-Punk, der unbequeme Wahrheiten zu desolaten gesellschaftlichen und persönlichen Zuständen verhandelt, genauso wenig wie einst mit ihrem 2021er-Album "Unbedeutend ungenau", das je nach Format aus nur einem beziehungsweise zwei langen Tracks bestand und ausdrücklich am Stück gehört werden sollte – begleitet von einem Film mit exakt gleicher Spielzeit. Mitunter war von Bevormundung der Hörer*innen oder unnötig prätentiösem Getue die Rede, doch wir wollen nichts gegen kreative Versuche sagen, Musik unter pandemischen Umständen auf andere Weise erlebbar zu machen. Zumal es sechs Songs in gewohnter Qualität gab und "Monte Fiasko" nun wieder die herkömmliche Albumform bemüht. "Wirr" und "Nachmittagsmanie" setzten im Vorfeld außerdem die beliebte Tradition ausnehmend starker One-Off-Singles zwischen zwei Platten fort – und mit "Etwas liegt in der Luft" geht es auf "Monte Fiasko" ziemlich nahtlos weiter.

Daran, dass es nichts allzu Gutes sein kann, was da durch die Atmosphäre schwirrt, hat man sich seit "Illegale Farben" und "Grau" bereits gewöhnt – zu drohend wirken Thomas Kempkes' Verweise auf dunkelbraune Erde und zerstörte Geschichte, als dass sich nicht der Gedanke an gesichert Rechtsextreme aufdrängen würde, die bald Wahlen gewinnen könnten. Immerhin gehen inzwischen so viele Menschen dagegen auf die Straße, dass vielleicht nicht mehr "100.000 Stühle leer" bleiben wie im ebenso präzise durchrifften Song von Love A, dem der schlanke Opener in nichts nachsteht. Generell kündet vieles auf dem vierten Illegale-Farben-Album vom (deutschen) Herbst, wenn "Für immer November" Trost- und Perspektivlosigkeit zur Kunstform erhebt und sich "Stadt der Ratten" trotzig die Achselhöhlen an der verdreckten Bordsteinkante wundscheuert: "In den Resten wühlen weiter die Verdammten / Weil wir kriechen können und am Leben klammern." Und an tollen Leads und formidabel abzischenden Dreiminütern wie diesem.

Aber anderswo sieht es auch nicht besser aus. Etwa in "Amerika", das bei Illegale Farben ob Polizeigewalt gegen schwarze Menschen und einem Präsidenten mit orangenen Haaren sarkastisch sein Fett wegbekommt. Und zwar in einem schleifenden Shuffle, aus dem knorriger Basslauf und schabende Gitarre mehr machen als einen pflichtschuldigen Kommentar zur Weltlage. Straighter gehen sehnige Kracher wie "10 Sekunden" oder das großartige "Immer nicht dabei" zur Sache, das ungeachtet aller Desillusionierung die Kurve zum wavigen Singalong kriegt. Unterstützung benötigen Illegale Farben auf so einem starken Album gewiss nicht – und bekommen sie dennoch. Von Locas In Loves Stefanie Schrank in der leichtgängigen, bläserdurchwehten Vereinzelungs-Hymne "Möwen" und von The Baboon Shows Cecilia Boström, mit der die Rheinländer zusammen bei "Gefühle" einmal richtig den Punk rauslassen. So lässt es sich aushalten auf dem Gipfel des Unheils. Auch wenn wir dort aller Voraussicht nach noch etwas verweilen werden.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Etwas liegt in der Luft
  • Stadt der Ratten
  • Amerika
  • Immer nicht dabei

Tracklist

  1. Etwas liegt in der Luft
  2. Für immer November
  3. Möwen (feat. Stefanie Schrank)
  4. Stadt der Ratten
  5. Gefühle (feat. Cecilia Boström)
  6. Schrecken oder Plagen
  7. Amerika
  8. 10 Sekunden
  9. Geisterbahn
  10. Immer nicht dabei
  11. Slow dance
Gesamtspielzeit: 33:05 min

Im Forum kommentieren

eric

2024-03-01 16:22:28

Feines Ding geworden!

Armin

2024-02-28 20:53:49- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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