Everything Everything - Mountainhead

BMG
VÖ: 01.03.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Von Bergen und Propheten

Everything Everything können einem Angst machen. In gewisser Weise waren sie schon immer in Dystopien und schräg spiegelnde Wirklichkeits-Reflexionen verstrickt. Im Mai 2022 veröffentlichten sie mit "Raw data feel" eine Platte, deren Texte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ersponnen wurden. Ein halbes Jahr später brachte eine Softwarebude namens OpenAI einen gewissen Chatbot an den Start und der Rest ist Geschichte. Von ChatGPT hat mittlerweile sogar schon Deine Oma gehört, landauf und landab spuckt der Homo-sapiens-Imitator Texte, Infos, Halluzinationen und mitterweile dank integrierter Engine sogar Bilder auf Befehl aus. Die Realität überholt die Kunst? Kein Problem für das Quartett aus Manchester. Setzen sie eben noch einen drauf mit einem Konzeptwerk über Menschen die sich am Fuße eines Bergs immer tiefer eingraben und das als Metapher für aus dem Ruder gelaufenen Kapitalismus dient. Whoa.

Ein titelgebender "Mountainhead" ist jemand, der glaubt, der Berg, auf dem die Eliten wohnen, müsse immer höher werden, koste es, was es wolle. Die 14 Songs sind allerdings nicht komplett mit dieser Story verknüpft und lassen sich vor allem als unfassbar gute Hits konsumieren. Speziell in der ersten Hälfte hauen Everything Everything mal wieder mit Hooks um sich, dass auf der fiktiven Best-of schon mal einiges an Platz freigeräumt werden darf. Die ersten Singles "Cold reactor" und "The mad stone" verzaubern nicht nur durch Ohrwurmgarantie, sondern auch mit stetiger Intensivierung und schlagfertigen Wandlungen. "I'd love you like an atom bomb / But I've become a cold reactor", gesteht Jonathan Higgs in einer ... gelinde gesagt, ungewöhnlichen Liebesmetapher. Auch "R u happy?" hämmert seine geheulte Titelzeile so tief ins Gedächtnis, dass sie da von alleine nie wieder rausfindet.

Wer rausgefunden hat, was "They're looking of a picture of a picture of a man that is the double of me" bedeuten mag, darf sich vom kurzen "TV dog" in den zweiten Albumabschnitt führen lassen, in dem die Songs überwiegend weniger direkt sind, stattdessen ihren wichtigen Platz in der Reise einnehmen. "Canary" pendelt zwischen sanftfühligem Synthpop und unbequemen Klagegesang, während "Enter the mirror" scheinbar wie vergeblich immer wieder ausruft: "It's not over yet!" Warum auch? So tanzbar wie im wundervoll wuseligen "Don't ask me to beg" hat man die Truppe selten gehört. Dass die Platte fast eine Stunde lang läuft, wirkt höchstens bei den ersten Durchgängen etwas hoch gegriffen. Denn am Ende ist jeder Song wichtig, vor allem, wenn "Mountainhead" den grandiosen Endspurt einleitet.

Standesgemäß stehen dort wieder längere Stücke, das sechsminütige "City song" ist zugleich auch das emotionale Zentrum im Fluss. Sphärisches Backing trifft auf prominent platzierten Bass. "The city is missing / I feel like an ambulance." ¿Qué? Immerhin versichern die Stimmen aus dem Off: "You're not alone." Es ist auch besser, wenn jemand die Hand halten kann bei der plötzlich eruptierenden Klimax in "Dagger's edge", um sie später im Closer "The witness" loszulassen, während eine Spielautomaten-Melodie auf ein Outro nicht unähnlich der Soundscapes von Sigur Rós trifft und das zusammen irgendwie Sinn ergibt. Wie immer bei Everything Everything halt. "Mountainhead" macht nichts neu für die Band, weil sie ja gefühlt sowieso alles alles beackert. Nur eben das meiste so verdammt gut. Fangen wir daher lieber schon mal mit dem Graben an.

(Felix Heinecker)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cold reactor
  • The mad stone
  • Don't ask me to beg
  • City song

Tracklist

  1. Wild guess
  2. The end of the contender
  3. Cold reactor
  4. Buddy, come over
  5. R u happy?
  6. The mad stone
  7. TV dog
  8. Canary
  9. Don't ask me to beg
  10. Enter the mirror
  11. Your money, your summer
  12. Dagger's edge
  13. City song
  14. The witness
Gesamtspielzeit: 54:57 min

Im Forum kommentieren

MaxSchiffer

2024-03-08 22:27:00

Ich habe sie bisher nicht verfolgt. Das Album ist aber wirklich schön. Höre mir mal die anderen Alben an. Tolle Mischung aus eingängig und interessant.

Grizzly Adams

2024-03-06 18:13:54

8/10 auch für mich. Sehr guter Nachfolger von Raw Data Feel. Eigentlich müsste ein Song wie Cold Reactor weltweit viral gehen und zum Ohrwurm werden. Obwohl… dann würden ihn vielleicht auch Leute klasse finden, die das gar nicht verdient haben. ;-)

SoundMax

2024-03-04 15:18:14

Wahnsinns, was die an Qualiät rausbringen in dieser Frequenz! Der Vorgänger hat sich langsam zu meinem zweitliebsten nach Get to Heaven gemausert, die neue Platte scheint nun diesen Platz strittig zu machen.

Highlights: City Song, Enter the Mirror, Cold Reactor, Mad Stone

Dürfen wieder mal nach Wien kommen, Material hat sich seit dem letzten Mal reichlich angehäuft.

MrMan

2024-03-03 11:29:29

Mal wieder ein starkes Album. :)

Affengitarre

2024-02-29 18:39:23

Ja, "Raw Data Feel" war besonders gut. Die Singles für "Mountainhead" klingen auch wieder sehr stark.

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum