
El Perro Del Mar - Big anonymous
City Slang / Rough TradeVÖ: 16.02.2024
Grabesstille
Es wäre mühelos vorstellbar, dass hinter El Perro Del Mar ein musikalisches Kollektiv steckt. Eines, das von Album zu Album neue Wege einschlägt, zuvor unbetretenes Territorium für sich entdeckt und niemals für längere Zeit an einem Ort und in einem Stil verharrt. Allein der Blick ins Archiv von Plattentests.de offenbart hier einige Fundstücke, die dafür sprechen, dass immer mal wieder eine andere Protagonistin buchstäblich den Ton vorgibt: "Bubblegum-Pop" wurde dem selbstbetitelten Album von 2006 attestiert, "From the valley to the stars" entführte zwei Jahre später in die Sechziger und "KoKoro" entfaltete 2016 unter anderem "vibrierende Rhythmen" in einem Stilmix, der sich bei Einflüssen aus aller Welt bediente. Tatsächlich ist El Perro Del Mar aber ein Soloprojekt: Die schwedische Musikerin Sarah Assbring ist seit 2000 unter diesem Namen aktiv. Über sieben Jahre nach "KoKoro" liegt endlich neues Material vor – und wieder ist nichts mehr so wie zuvor.
Wer sich auf "Big anonymous" einlässt, einer ursprünglich für eine Theaterinszenierung konzipierte Songsammlung, darf keine Furcht vor der Dunkelheit haben. Assbring führt direkt geheimnisvoll in ihr neuestes Werk ein, wenn "Underworld" mit Streichern einen sanften, höchst reduzierten Einstieg wählt. Und dann betritt die Sängerin und Multiinstrumentalistin die düstere Bühne, ihre Stimme wie in dichten Nebel eingehüllt, sich langsam vortastend. "Wait for days / Plans made / You wait for change / 'Til change / Is too late", singt sie über den prägnanten Beat und deutet an, um was es hier im Kern geht. Um das Warten und schließlich das Verpassen, wenn es für Pläne zu spät ist und Menschen nicht mehr existieren. Verlust, Schmerz, Tod: Der inhaltliche Fokus findet in der tonalen Umsetzung seine Form. "Cold dark pond" zerrt uns noch ein bisschen tiefer hinab, noch ein Stückchen näher ins Zentrum der Dunkelheit. "You got the same dark in you as I" heißt es da mit gleichermaßen klarer wie verletzlicher Stimme.
"Big anonymous" treibt die Reduktion teilweise auf die Spitze. "In silence" tritt zwischenzeitlich fast gänzlich auf der Stelle: "This silence made me silent / In blackness do I roam." Und wir streifen überaus gerne mit der Schwedin durch diese Dunkelheit. Wie der Song am Ende noch eine große Portion Dramatik auftürmt, ist nur eines der vielen Kunststücke, die Assbring in dieser dichten Atmosphäre gelingen. Das sphärische Instrumentalstück "The truth the dead know" beschließt die erste Albumhälfte. Während man sich in der Folge "Please stay" als bittersüßen Abschiedstanz vorstellen kann, entwickelt sich "One more time" von einem Auftakt voller Stille zu einem opulenten Finale. "Wipe me off this Earth" zeigt dann: Alles ist im Fluss. "This life has a deal with time / What seems like confusion is coordinated / It's like water, like water / And it flows, we flow." Und ganz am Ende, beim hymnischen und geradezu ausufernden "Kiss of death" rückt der Tod noch einmal in den Mittelpunkt: "I'm living with the kiss of death / I'm giving despite the kiss of death / I'm not living like it is a threat / The kiss of death." Durchatmen, sammeln – und gleich wieder von vorne beginnen. Was kommt bei Sarah Assbring respektive El Perro Del Mar wohl als Nächstes? Bei ihr muss man mit allem rechnen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Suburban dreams
- In silence
- Wipe me off this Earth
Tracklist
- Underworld
- Suburban dreams
- Cold dark pond
- In silence
- The truth the dead know
- Between you and me nothing
- Please stay
- One more time
- Wipe me off this Earth
- Kiss of death
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Mr Oh so
2024-08-16 19:16:45
Junge, was für ein Brocken.
Immermusik
2024-03-26 20:29:05
Schön düstere Stimmung. Chelsea Wolfe minus Converge plus Belle & Sebastian ;-)
Kannte bisher nur das Debüt mit dem zuckersüßen Candy Hit. Mal gucken wie ihre anderen Alben sind…
myx
2024-02-21 22:19:55
Hab ich mir gestern Abend zu Gemüte geführt, schönes Album.
Armin
2024-02-21 22:04:07- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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