The Vaccines - Pick-up full of pink carnations
Thirty Tigers / MembranVÖ: 12.01.2024
Diebstahl auf der Tanzfläche
Scheiden tut geil. Wenig macht so viel Spaß wie Trennungs-Schmerz. Und nichts fühlt sich besser als ein Herz, das dir jemand aus der Brust reißt, verbrennt und anschließend missbraucht bei eBay einstellt. Zumindest dann, wenn man dieser Platte glaubt. Die heißt "Pick-up full of pink carnations". Stammt von den britischen Indierock-Darlings The Vaccines. Und braucht keine zwei Nummern Anlauf, um zu Herzschmerz-Tränen zu tanzen, als würde sie gerade eine Verlobung feiern. Sänger Justin Hayward-Young holt zweimal tief Luft, singt in Zeilen wie ein Weckruf: "Oh you never thought they'd leave you, but they did / Now everybody calls you the heartbreak kid." Seine Band hat den längeren Atem, spielt: Rockmusik-Hooks, so klar wie Hochzeitsglocken, Melodien, so gutgelaunt wie ein Zweisam-Frühstück im Bett. Gemeinsam rocken The Vaccines jeden Sturm und jedes kaputte Herz. Wie sie das hinkriegen, wie das alles zusammenpasst: "Pick-up full of pink carnations" erzählt davon – gefühlsecht in zehnmal drei Minuten.
Der Disclaimer vorab: The Vaccines gründeten sich im Meyer-Landrut-Jahr 2010. Sie waren schon damals die Indies, die auszogen, den Indies das Tanzen zu lehren. Wenn die Band hier den Versuch unternimmt, selbst den letzten Muffel aus seiner Reserve zu locken, startet sie also keine Experimente. Sondern macht das, was die Fans liebgewonnen haben – nicht bloß im eingangs gefeierten "Heartbreak kid". Denn wer es schafft, während der Refrain-Höhepunkte der Nummern "Lover to walk away" und "Lunar eclipse" seine Beine stillzuhalten, muss dringend zum Arzt. Wer sich zu den Powerchords von "Primitive man" noch extra bitten lassen muss, ist bereits tot. Und wer sich bereits lange davor ausgeklinkt hat, gehört bloß nicht zur Zielgruppe dieser Platte, isso. "Pick-up full of pink carnations" erweitert das Erfolgsrezept um bewusst gesetzte Schwermut, um Sinn und Sehnlichkeit. Die Surf- und Dengelgitarren während "The dreamer"? Sind Wehmut mit sechs Saiten. Das Breitwand-Finale des Openers "Sometimes, I swear", das seine 80er-Synths samt Disco-Mädchen unter Stroboskop-Licht noch mal in die Verlängerung schickt? Sind 30 Sekunden Momentaufnahme, die morgen die Erinnerung an gestern ist.
Hayward-Young sagte dazu im Interview mit dem NME: "There’s a sense of nostalgia and looking in the rearview mirror and wondering if what you left behind is better than what you’re heading towards." Und singt im Song "Another nightmare": "I don't wanna wait a year to feel better / taking everything to forget ya / Living in echoes / So mellow." Dann schnappt sich Hayward-Young im Visualizer-Clip zu "Sometimes, I swear" seinen Mercedes Cabrio, brettert zu weltumarmenden Synthesizer-Melodien durch Los Angeles – den Rückspiegel immer im Blick, die nächste Kurve im Visier. Mehr Bild zum Text geht nicht. Wie es also zusammenpasst, wenn The Vaccines in "Heartbreak kid" zu gutartiger Feierbiester-Musik bösartigen Liebeskummer besingen? Erstens: prima. Zweitens: im Bewusstsein, dass jede Liebe liebenswert ist – im Rückblick auch die gescheiterte. Leben, lieben, tanzen! Der nächste potenzielle Herzschmerz-Kandidat ist mit "Pick-up full of pink carnations" sowieso nur einen Tanzflächen-Flirt enfernt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Sometimes, I swear
- Heartbreak kid
- Anonymous in Los Feliz
Tracklist
- Sometimes, I swear
- Heartbreak kid
- Lunar eclipse
- Discount de kooning (Last one standing)
- Primitive man
- Sunkissed
- Another nightmare
- Love to walk away
- The dreamer
- Anonymous in Los Feliz
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RandomChance
2024-01-22 11:37:56
Derzeit mein Fav beim Autofahren. Mit offenem Fenster. Da ist mir der Januar wurschd.
Diese Demo hätte auch gut auf die reguläre Platte gepasst.
Deaf
2024-01-15 18:06:22
Hmm, ich weiss nicht, wie es auf früheren Alben war, aber dass gefühlt in jedem Song so ein Schrammel-Schrei-Refrain folgt, finde ich extrem nervig. Hatte schon mit dem Konzert in Zürich geliebäugelt, aber gehe jetzt wohl gleichentags lieber zu The Notwist.
Jaggy Snake
2024-01-14 19:45:39
Hatte sie 2018 gesehen und fands ziemlich gut! Inzwischen hat der Leadgitarrist ja die Band verlassen - ich kann nicht einschätzen, inwieweit das einen Unterschied macht. Aber der Sänger ist schon ne ziemliche Rampensau.
Gordon Fraser
2024-01-14 19:36:52
Ja, geht gut ins Ohr. Hat die jemand schon mal live gesehen? Überlege, spontan hinzugehen übernächste Woche.
Lepser
2024-01-13 22:54:54
Ich finds nach wie vor wirklich gut.
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