Richard Hawley - Now then – The very best of Richard Hawley

BMG / Warner
VÖ: 20.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Sheffield: sex city?

Hätten Sie's gewusst? Richard Hawley und Laibach verbindet mehr, als man annehmen würde. Hätten Sie nicht? Recht so. Von der unspektulären Tatsache abgesehen, dass beide Acts in den Nullerjahren kurz Labelkollegen bei Mute Records waren, ist oben aufgestellte These nämlich ausgemachter Blödsinn. Aber halt: Gemeinsam hat der britische Gitarrist und Sänger mit dem slowenischen Kollektiv ebenfalls immerhin eine Coverversion von Bob Dylans "Ballad of a thin man", die Hawley für das Finale der fünften "Peaky blinders"-Staffel aufnahm. Neben der neuen Fassung des "Lowedges"-Songs "The only road", der nunmehr "Not the only road" heißt, der einzige unveröffentlichte Track auf "Now then" – und obendrein eine vorzügliche, dramatisch hochfahrende Interpretation des Klassikers. Wie sagt man so schön? Richard Hawley ist ein Guter.

Nicht erst, seit er sich ab "Late night final" als feinsinniger Songwriter und samtener Crooner zu profilieren begann, sondern schon als Mitglied der unterschätzten Indie-Popper Longpigs oder als Gitarrist von Pulp, mit deren halber Besetzung Hawley bereits im Sandkasten Förmchen gebacken hatte. Es folgten Platten wie "Truelove's gutter" oder das leicht ramponierte "Hollow Meadows", mit denen er tiefe Seufzer provozierte und vermutlich so einige Herzen brach. Vor allem diejenigen der Einwohner seiner Heimat Sheffield, denn in seinen Albumtiteln referenzierte Hawley regelmäßig markante Orte der Stadt. Etwa die "Lady's Bridge" über den Fluss Don oder den beliebten Rendezvous-Treffpunkt "Coles Corner", wobei er es sich nicht nehmen ließ, ebenda für das Cover zu posieren – frisch versetzt samt Blumenstrauß und wie bestellt und nicht abgeholt. Hach.

Überaus ätzend formulierte Sarkasmen oder lüstern dahergeraunte Zoten nach Vorbild seines alten Kumpels Jarvis Cocker lagen ihm dabei immer fern: In Stücken wie "Open up your door" oder dem hervorragenden, von verschwenderischen Streichern durchwehten "Tonight the streets are ours" inszenierte sich Hawley als aufrechter Gefühlsmensch, der nicht nur eine stilechte Elvis-Tolle, sondern auch einen authentischen Sixties- und Rockabilly-Background zur Schau trug. Mit Begriffen wie Brit-Pop war da längst nicht mehr viel zu holen – vielmehr zerrte sich das großartige "She brings the sunlight" durch siebeneinhalb Minuten verrauschten Shoegaze oder verströmte "Which way" den gleichen ruppigen Proto-Punk-Vibe wie einst The Velvet Underground. Und ob "Midnight train" wohl gerne "Suspicious minds" wäre oder doch lieber "The girl is mine"? Wahrscheinlich beides.

Hawleys Hauptaugenmerk jedoch lag von jeher auf den emotional tiefschürfenden, filigran arrangierten Balladen, die zuweilen an der Grenze zur Schnulze spazierengehen, aber stets die Kurve kriegen. Von "Naked in Pitsmoor" aus der ersten EP über das beschwörende "You don't miss your water (till the river runs dry)" bis hin zu "Our darkness", das selbstredend keine Anne-Clark-Adaption ist. Lockere Popowackler wie "Seek it" oder "Run for me" bilden eher die Ausnahme – genau wie der für Hawleys Verhältnisse geradezu tosende Rocker "Off my mind". Und selbst wenn das zumindest listig benannte "Remorse code" wirkt, als hätte Scott Walker knapp zehn Minuten lang keine zündende Idee gehabt, hört man irgendwie gerne zu. "Born under a bad sign"? Wurde Richard Hawley sicher nicht. Und hat sich diese ausgezeichnete Compilation redlich verdient.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tonight the streets are ours
  • Ballad of a thin man
  • She brings the sunlight
  • Which way
  • Off my mind
  • Born under a bad sign

Tracklist

  • CD 1
    1. Open up your door
    2. Midnight train
    3. Tonight the streets are ours
    4. Coles Corner
    5. Ballad of a thin man
    6. Baby you're my light
    7. She brings the sunlight
    8. Not the only road
    9. Which way
    10. My little treasures
    11. Naked in Pitsmoor
    12. Standing at the sky's edge
    13. Long black train
    14. Heart of oak
    15. You don't miss your water (till your river runs dry)
    16. The ocean
  • CD 2
    1. Don't stare at the sun
    2. I still want you
    3. Off my mind
    4. For your lover give some time
    5. Hotel room
    6. I'm on nights
    7. Seek it
    8. Serious
    9. Precious sight
    10. Remorse code
    11. Alone
    12. Born under a bad sign
    13. Our darkness
    14. Run for me
    15. Kelham Island
    16. There's a storm a'comin'
Gesamtspielzeit: 142:11 min

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