The Killers - Rebel diamonds
Island / UniversalVÖ: 08.12.2023
The great curve
Zeitkontext ist alles. Als Kollegin Depner 2013 die erste The-Killers-Best-Of "Direct hits" begutachtete, stellte sie fest: "Was man in der Vergangenheit womöglich als Kombo mit den Tophits wahrgenommen hat, hatte innen noch nie weniger Geschmack als jetzt." Zehn Jahre in sein Bestehen hinein hatte sich das Quartett mit jedem Album ein Stück mehr in die Belanglosigkeit verabschiedet, das vierte Werk "Battle born" war der traurige vorläufige Tiefpunkt. Kein Wunder, dass kaum jemand Bock auf diese Band hatte, die nach einem Jahrzehnt schon am kreativen Ende in der Bumsfallera-Sackgasse schien. Wer aber damals den geistigen Schlussstrich unter das Thema The Killers gezogen hatte, musste sich in der zweiten Banddekade eines Besseren belehren lassen. Es gab wieder Hits, gute Alben, manche munkeln sogar, ihre bis dato besten. Aus dieser Perspektive ergibt "Rebel diamonds", die zweite Kollektion zum 20. Jubiläum mit genauso vielen Stücken, sogar Sinn.
Wie "Direct hits" ist auch diese Platte chronologisch angeordnet, aus dessen Ära stammen die ersten elf Songs. Den Anfang macht wieder ein unbestreitbar großartiger Vierer von der "Hot fuss"-A-Seite, diesmal endlich mit dem tollen "Jenny was a friend of mine" – dafür flog leider "Smile like you mean it". Natürlich ist das nicht totzukriegende "Mr. Brightside" an Bord. Schließlich ist "Now they're going to bed / And my stomach is sick / And it's all in my head / But she's touching his ... chest now" immer noch der größte Schlüpfrigkeits-Fakeout, seit mit ganz großen Schritten der Erwin der Heidi von hinten an die Schulter fasste. Und das Ding halt ein Riesenhit. "When you were young" von "Sam's town" bleibt nach wie vor das tollste Stück der Truppe: Welcher Song unterlegt sonst die Textzeile "We're burning down the highway skyline on the back of a hurricane" mit dem richtigen Sturm und Drang? "Read my mind", aus dessen Lyrics der Albumtitel entnommen ist, weist noch auf gute Weise den Weg, den die Stücke von "Day & age" und "Battle born" endgültig gehen: in die Seifigkeit. "Spaceman" und "Runaways" entpuppen sich im Kontext allerdings als gut hörbar, warum die Band aber ein weiteres Mal an der lahmen Nicht-Single "Be still" festhält, bleibt unklar.
Vor allem, wenn danach mit dem funkigen "The man" nur ein einziger Vertreter "Wonderful wonderful" repräsentieren darf – das Album, auf dem The Killers zwar noch nicht wieder richtig gut wurden, aber klar machten, dass hier noch Sprit im Tank ist. Hallo, warum durfte das tolle "Run for cover" keinen Platz finden? (Wenn wir schon beim Thema sind: Warum fehlt "Tranquilize" mit Lou Reed erneut?) Die endgültige Zurückmeldung "Imploding the mirage", die ein wenig beim Rausch-Rock von The War On Drugs klaut, bekommt hingegen drei verdiente Startpositionen und mindestens dessen großartiger Opener "My own soul's warning" kann mit dem Hits vom Beginn locker mithalten. Mit "Pressure machine" verblüfften die Herren aus Las Vegas im Anschluss mit einem vielschichtigen, dynamischen Album, das viel Bruce Springsteen atmet, aber der Band selbst vor allem neue Richtungen eröffnet. Nur der scheue Titeltrack und das wunderbar melodische "Quiet town" sind auf "Rebel diamonds" inkludiert.
Auch die beiden Non-Album-Singles "Boy" und "Your side of town" aus respektive 2022 und 2023 hat "Rebel diamonds" mit im Gepäck. Ersterer ist ein schmissiger Track mit psychedelischer Gitarre, der auch auf "Imploding the mirage" gut Platz gefunden hätte. Zweiterer ist entsetzliche Vocoderkotze, die noch schlimmer ist als alle hier vertretenen Songs aus der Karrieremitte. Qualitativ irgendwo dazwischen reiht sich der neue Song "Spirit" ein: mit gereckter Faust und viel Bass. "Come on, touch me, I'm alive", fordert Brandon Flowers hier, und ja: The Killers sind wieder am Leben. Vielleicht mussten sie einmal abtauchen, um neuen Atem zu bekommen. Die interessantesten Karrieren sind ja schließlich die kurvenförmigen von denjenigen Bands, die auch mal scheitern, sich aber wieder am Schopf aus dem Morast ziehen und es auf neuen Wegen probieren. The Killers zählen jetzt auch in diese Riege. Die Tophits sind dem Geschmack gewichen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Jenny was a friend of mine
- Mr. Brightside
- When you were young
- My own soul's warning
- Quiet town
Tracklist
- Jenny was a friend of mine
- Mr. Brightside
- All these things that I've done
- Somebody told me
- When you were young
- Read my mind
- Human
- Spaceman
- A dustland fairytale
- Be still
- Runaways
- The man
- Caution
- My own soul's warning
- Dying breed
- Pressure machine
- Quiet town
- Boy
- Your side of town
- Spirit
Im Forum kommentieren
qwertz
2023-12-08 20:53:43
Ja, ich find's auch einen schlüssigen und wunderbar durchzuhörenden Querschnitt durchs Oeuvre. So viel große Geste, so viele starke Refrains auf einem Haufen - sie haben es schon echt raus mit den Pop-Hymnen.
Die letzten beiden Alben, vor allem aber "Imploding the Mirage" , haben mich echt noch mal mit ihnen versöhnt. Auch die Single "boy" mag ich sehr. Unterm Strich dann doch eine wirklich gute Band.
MM13
2023-12-08 19:30:30
kann eigentlich für mich nur einen song ausmachen, der mir nicht gefällt,das wäre the man,ansonsten schöne compilation.
Pluspuls
2023-12-03 15:24:40
Gut, dass ich alle Alben gut finde.
Die Rezi-Kritik an "Be Still", kann ich nicht nachvollziehen - ist für mich ihre vielleicht beste Ballade und deshalb völlig zurecht mit drauf. Gute Lyrics, guter Songaufbau, der Einsatz der Synties und der Drumms. Trifft mich immer direkt ins Herz.
Alleine wie Brandon "Don't break character, you've got a lot of heart" singt...
*seufz*
Enrico Palazzo
2023-12-01 16:37:40
Die letzten beiden Alben sind überraschend toll geworden, ja! :)
SoundMax
2023-12-01 16:23:25
Bin da auch bei Felix, mit den letzten beiden haben sie die Kurve wieder gekriegt, wobei pressure machine sogar meine liebste Killers Platte zurzeit ist.
Ein kurzer Blick auf rym zeigt auch, dass wir mit unserer Meinung nicht ganz alleine sind.
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