Forest Swords - Bolted

Ninja Tune / Rough Trade
VÖ: 20.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die Kältewelle

Nische gefunden, Nische besetzt: Matthew Barnes alias Forest Swords schafft, was nur wenigen Künstler*innen noch gelingt, nämlich einen komplett eigenen, sofort wiedererkennbaren Sound zu kreieren. So sehr seine Arbeit im Bereich der elektronischen Musik einzigartig ist, ist sie doch kein abgefahren-experimentelles Hexenwerk, sondern recht schnell einnehmend und greifbar – wenn man sich denn auf diese Welt einlassen möchte, die so wunderbar in die Jahreszeit passt, in der sein dritter Longplayer veröffentlicht wird. Wo Burial-Dubstep noch als Soundtrack für einsame S-Bahn-Fahrten in Großstädten dient, bietet Forest Swords der Soundtrack zu all den Plätzen, in denen weit und breit niemand sichtbar ist – und die Heizung nicht funktioniert, sollte es jemals eine gegeben haben.

Die pluckernde Vorabsingle "Butterfly effect" ließ bereits keinen Zweifel daran, dass "Bolted" in typischer Manier von "Compassion" oder "Engravings" fortfährt, wenngleich Nuancen natürlich verändert wurden, um den Sound nach wie vor interessant zu gestalten. Trotz schwer einer Quelle zuzuordnender, streicherähnlicher Passagen oder Ambient-Flächen enthält "Bolted" Beats, die ganz tief aus der Kälte kommen. Glasklar, nachhallend und doch mit entrückt-hypnotischen Zwischentönen durchsetzt, die meist durch die Gesangsspuren herrühren. Schon im Opener "Munitions" ist es erstaunlich, wie sehr die Entstehungsatmosphäre in einem Lagerhaus in Liverpool nachfühlbar ist. "Bolted" könnte genauso gut Soundtrack eines futuristischen Videogames sein, in dem KI-trainierte Maschinen sich originär humaner Sounds bedienen – sie lernen ja so schnell und täuschend echt trotz falsch kreierten vier oder sechs Fingern an den Händen. Und doch glitzert der Ursprung immer wieder wie Sonnenstrahlen durch den "Rubble" längst eingestürzter Neubauten.

Das Spiel der Gegensätze, jeher ein Markenkern von Forest Swords, wird hier einmal mehr durchgespielt. Barnes schafft es sogar, Marimba- und Malletklänge noch irgendwie düster klingen zu lassen, wie in "Chain link". "Bolted" wird mit zunehmender Dauer zudem immer tiefer, dringlicher, konsequenter. Nach "Night sculpture", welches noch einmal durch fragile Schönheit glänzt, bollern das hypnotische "Caged", dessen Stimmung durch das Cover perfekt eingefangen ist, und "The low" in immer zäherer, monotoner Art voran. Und über, beziehungsweise unter allem lässt sich noch eine Schicht Industrial freikratzen. Wem die Originale der verzerrten Stimmbänder gehören, wird nicht mitgeteilt – mit einer Ausnahme. "Line gone cold", der Abschlusstrack, enthält zu wabernden Basslinien und repetitiven, entfernten Vocals ganz zum Schluss ein letztes Grußwort des verstorbenen Lee "Scratch" Perry. Die einzig reale Stimme, voller Brüchigkeit, ist es, die nach den perfektionistischen Elektrosounds die Hörer*innen wieder einfängt und in der realen Welt absetzt.

(Klaus Porst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Night sculpture
  • Caged
  • Line gone cold

Tracklist

  1. Munitions
  2. Butterfly effect
  3. Rubble
  4. Night sculpture
  5. Caged
  6. Tar
  7. The low
  8. Chain link
  9. Hjope
  10. End
  11. Line gone cold
Gesamtspielzeit: 41:29 min

Im Forum kommentieren

peter73

2023-10-24 14:24:24

ach, sei doch kein widerPorst :D

mit "not easy listening" meinte ich die vereinzelten (industrial?)sequenzen wo die ohren schlackern - wie sie auch low oder früher the chemical brothers gerne mal zwischendrin platzieren... aber das ist man bei FS-Platten ja fast schon gewohnt. nur diesesmal fällt es mehr auf oder so.

Klaus

2023-10-24 14:18:08

"zu den highlight kann man auch noch den opener und "the low" zählen"

Das stimmt, aber wollte mich auf 3 begrenzen. Sieht doof aus, wenn da das halbe Album steht.

"genrefans dürfen gerne einen punkt extra drauflegen"

Ehrlicherweise war das eine sauknappe Entscheidung nach vielen, vielen Durchläufen.

"easy listening ist aber was anderes :)"

ähm. Wenn du meinst...
*versteckt die aktuellen Promos mit dem unhörbaren Krach* ;)

peter73

2023-10-24 14:14:15

zu den highlight kann man auch noch den opener und "the low" zählen - genrefans dürfen gerne einen punkt extra drauflegen. easy listening ist aber was anderes :)

peter73

2023-10-19 11:26:56

liest sich gut.
ist ohnehin (vor)bestellt.

Armin

2023-10-18 20:37:34- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?



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