The Streets - The darker the shadow the brighter the light
679 / WarnerVÖ: 13.10.2023
Im Schatten der Nostalgie
"Most of a musician's career is nostalgia for those few years when they were the thing." So sprach Mike Skinner kürzlich in einem Interview und beeilte sich zu ergänzen: Das sei kein Grund für Bitterkeit, sondern einfach ein nüchterner Fakt. Es gibt nicht viele Musiker, denen man diese Aussage eher glauben würde. Blende zurück: Rund zwei Dekaden ist es nun her, dass The Streets den UK-Rap revolutionierten, als Skinner seine messerscharfen Alltagsbeobachtungen auf selbstgebastelten Garage-Tracks rappte. Nicht den großen Wendepunkten des Lebens bot der gebürtige Brummie meist die Bühne, sondern ihrer Coda, ihrem Dazwischen. Der Heimweg durch Hochhausschluchten und Vorstädte bei schummrig-gelbem Licht, die Dartskneipe, der Club, die nächtliche Schlange im Fast-Food-Laden waren ihre Schauplätze, der Geezer ihr Protagonist, das verschüttete Bier und der zirkulierende Joint ihr Treibstoff. Ein ganzes Milieu und die dazugehörige Szene traten schlagartig auf die Bildfläche und Skinner zeichnete von Beginn an mit klaren Konturen. So klar, dass seine Bilder schon bald keiner Ergänzungen mehr zu bedürfen schienen. Zwölf Jahre liegt das bislang letzte reguläre The-Streets-Album zurück, die Zeit dazwischen füllte Skinner mit Mixtapes, teils halbgaren Nebenprojekten und starken Konzerten, denen aber vor allem just jener nostalgische Charakter innewohnte, den Skinner eingangs beschreibt. "The darker the shadow the brighter the light" markiert nun in mehrerlei Hinsicht die Rückkehr der Ambition und ist ein stellenweise hervorscheinendes, gelegentlich etwas diffuses Comeback geworden.
Um ein Verständnis des Albums zu entwickeln, erscheint eine Info nicht unwesentlich: Begleitet wird die Veröffentlichung vom gleichnamigen Neo-Noir-Film in der Londoner Clubszene, den Skinner selbst konzipierte und dirigierte. Wie ein bloßer Soundtrack wirkt "The darker the shadow the brighter the light" dennoch nie, abgesehen von der cineastischen Qualität, die einem guten The-Streets-Song schon immer innewohnte. In Empfang nimmt jedoch zunächst das irritierende "Too much yayo" mit einem vertrackten Beat, der ähnlich häufig die Richtung wechselt wie die Samples ihre Couleur. Skinner nölt die Hook gewollt an der Tonlage vorbei, ein reines Techno-Interlude setzt dem Chaos die Krone auf. Schon bald erkennt man Konfusion und Überforderung als Leitmotive des Albums, auch wenn sie sich nicht immer so mimetisch abbilden. "Something to hide" – übrigens nicht verwandt mit dem identisch getauften Track des Mixtapes "Cyberspace & red" – wartet mit betrunkenen Bläsern und Ska-Rhythmus auf, das hektische "Shake hands with shadow" erinnert an Squarepushers Neuronengewitter, "Not a good idea" wiederum liefert cleanen 2-Step.
Gerade in der ersten Hälfte wechseln die Tracks so häufig ihre Register und Stimmungen wie die Beats ihre Tempi. Mittendrin platziert Skinner das von gezupfter Gitarre und in Sepia getauchten Klavieren geprägte "Walk of shame", einen der besten Songs seiner Karriere. "The day is putting on yesterday's clothes", seufzt er eingangs und stellt den Kragen der Trainingsjacke auf, bevor sich eine Kaskade zitierfähiger Zeilen zu einem tristen Panorama verdichtet. "I think the driver is waiting for something to happen / So he can catch it on his crash cam." "I look like a pin-up on a partition wall / But with the eyes cut out." "Every home has its own very rare aroma / But everyone whose home it is doesn't know it's there." In "Bright sunny day" findet Skinner tieferliegende Fragen für die innere Leere, intensiviert so die düstere, soulige Hook: "They're all atheists here / But which god is it that they don't believe in?"
Ohnehin wirkt "The darker the shadow the brighter the light" ab diesem Punkt aufgeräumter, seine Beats straighter, die Hooks klarer. "Someone else's tune" gerät mit warpender Basslinie und melancholischen Synthies zum potentiellen Nachfolger des Klassikers "Blinded by the lights". Und wenn sich der Takt von "Troubled waters" unvermittelt beschleunigt, spornt das Skinner an, nach weiteren Einsichten zu kramen: "It's part of human nature to hate the man you've hurt." Dann der Break, Klaviersamples fransen aus, verzerren. "Outside of the nightclub, I don't know what to do / Inside of the nightclub, it's too dark to care" – Skinner, der zuletzt nach eigener Aussage viel Raymond Carver gelesen hat, gibt sich als ravender Marlowe, der seinen eigenen Fall vergisst. Nicht jede Idee zündet – mal bremst ein etwas träges Sitar-Sample Skinner aus oder eine arg drollige Melodie lenkt von seinen Erzählungen ab – aber in seinen besten Momenten fügt "The darker the shadow the brighter the light" erstmals seit Längerem kanonisches Material zum The-Streets-Korpus hinzu. "Living in the present is like / Trying to sit on the very head of a pin", diagnostiziert Skinner bereits im Opener – ein gelegentliches nostalgisches Zwinkern zur Orientierung gestattet er sich folglich weiterhin zu.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Walk of shame
- Bright sunny day
- Someone else's tune
- Troubled waters
Tracklist
- Too much yayo
- Money isn't everything (feat. Teef)
- Walk of shame
- Something to hide
- Shake hands with shadows
- Not a good idea
- Bright sunny day
- The darker the shadow the brighter the light
- Funny dream
- Gonna hurt when this is over
- Kick the can
- Each day gives
- Someone else's tune
- Troubled waters
- Good old daze
Im Forum kommentieren
MasterOfDisaster69
2023-10-19 13:39:44
Love this tune, obrigado.
Bright sunny day
https://www.youtube.com/watch?v=I8-tGYPMfGQ
Troubled waters
https://www.youtube.com/watch?v=lhpFe8c4O5s
Armin
2023-10-11 22:07:41- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2023-10-05 18:59:21- Newsbeitrag
Armin
2023-09-18 19:41:01- Newsbeitrag
Z4
2023-08-18 12:26:16
Er sollte mal zusammen mit Moneyboy auf Tour.
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