KEN Mode - Void
Artoffact / CargoVÖ: 22.09.2023
Nichts da
Es stand auf Plattentests.de: "Die Welt braucht mehr Platten wie 'Null'." Ein Satz, den sich KEN Mode offenbar hinter die Ohren geschrieben haben, denn ziemlich genau ein Jahr später folgt bereits der nächste Longplayer des Quartetts. Und auf diesem herrscht titelgemäß die gleiche gähnende Leere wie auf dem Vorgänger. Schon die toten Augen auf dem Cover von "Null" sprachen Bände, dazu kamen Zeilen wie "I've got nothing worthwhile to say and you've got no reason to listen" oder "Can't eat, can't sleep, consciousness is destroying me", die Jesse Matthewson mit letzter Kraft zwischen die sludgigen Noise-Rock-Spittergranaten seiner Band spuckte. So klingen Seelen am logischen Gefrierpunkt einer Existenz, in der die bittere Wahrheit lautet: Mal verliert man, mal gewinnen die anderen. Geht es noch desillusionierter, noch nihilistischer? Aber ja! "I'm never gonna be okay", insistiert der Frontmann wie zum Beweis im herrlich qualvoll wälzenden "A reluctance of being" – Leben verboten, innerer Frieden Fehlanzeige. Das kann ja heiter werden.
Zumal "Void" aus den gleichen Sessions wie "Null" stammt und eine ebenso hübsch-hässliche Figur im Herzen des Nichts macht. "The shrike" mag zoologisch ein putziges, wiewohl fleischfressendes Sperlingsvögelchen sein, im hiesigen Opener wird der Piepmatz allerdings zum glühenden Riff-Monster, dessen abgrundtiefer Bass genüsslich die Eingeweide durchknetet. Auch die Ironie, einen schmerzhaft zutretenden Hardcore-Brecher "Painless" zu nennen, lassen sich KEN Mode nicht nehmen, während sich Leadgitarre und Kathryn Kerrs Stichflammen-Gebläse um Kopf und Kragen solieren und Matthewsons Stimmbänder längst in Fetzen hängen. Grundsätzlich hat sich auf dem neunten Album der Kanadier also kaum etwas verändert – genaueres Hinhören offenbart aber erstaunliche Feinheiten, die es sonst bei KEN Mode zumeist nicht gibt: tröpfelnde Piano-Melodien und behutsame Streichersätze, die sowohl im mindestens doppelbödigen "These wires" als auch im moderaten Closer "Not today, old friend" aufploppen. Beinahe eine Wohltat.
Doch obwohl man nahezu komplett entmenschte Stücke wie die walzwerkende Industrial-Grobschlächtigkeit "The tie" diesmal vergeblich sucht, geht "Void" genauso kompromisslos zu Werke wie "Null", reißt mentale Wunden mit Getöse auf und lässt Kerrs erratisches Saxofon oft so ungebremst gegen Lärmwände prallen, dass selbst der Altmetallhändler nur ein mitleidiges Lächeln für das verbogene Ding übrig hätte. Keinerlei freundliche Gesichtsmuskelregungen jedoch berücksichtigen Matthewsons wortreiche Songs über persönliche Verfehlungen und den Menschen als schadhaftes Rädchen in einem raubtierkapitalistischen Moloch – ein vergiftetes Lob wie "He was a good man, he was a taxpayer" ist da schon das Höchste der Gefühle, nachdem KEN Mode zuvor mit "I cannot" eine denkbar niederschmetternde, aber auch höllisch groovende Studie in Selbstkasteiung hingeklotzt haben. Das vergleichsweise versöhnliche Finale fällt fast nicht mehr ins Gewicht: Alles ist Leere, nichts wird gut. Außer dieses Album.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Painless
- These wires
- A reluctance of being
Tracklist
- The shrike
- Painless
- These wires
- We're small enough
- I cannot
- A reluctance of being
- He was a good man, he was a taxpayer
- Not today, old friend
Im Forum kommentieren
Hierkannmanparken
2024-06-20 12:11:26
Geil, und ich sehe sie zusammen mit Baroness in Aschaffenburg! Gerade gesehen, dass sie mit am Start sind! Interessante Mischung
Klaus
2024-06-20 12:09:15
Ach fuck ey.
Auf den Hinweis mal geschaut, ob es das Package auch in Berlin gibt.
Gibt es. Und nicht im ranzigen urban Spree oder so, sondern im besten Club der Stadt, dem Privatclub (da passen die null hin, aber egal).
Und es ist genau an dem Tag, wo ich verreise.
Also @Berliners: 08.08.2024, geht da hin.
Hierkannmanparken
2024-06-20 12:00:23
Wouh richtig gut! Ich hatte mit Jane Doe-era-Noisecore gerechnet (würde mich momentan eher überfordern) und bekam eher was in Richtung You Fail Me. :D
The Shrike ist in der Tat ein Riffmonster!
The MACHINA of God
2024-06-19 16:55:10
Geil, spielen bald zusammen mit Imperial Triumphant zusammen in der Stadt. Werd ich mir mal geben.
Lordran
2023-10-12 14:28:03
Ich tippe mal "The Shrike" bezieht sich auf das Monster aus den "Hyperion"-Büchern von Dan Simmons und nicht auf die putzige Vogelart.
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