Alexander Marcus - Robotus

Yuppie / Kontor / Edel
VÖ: 08.09.2023

Pizza Cerniera Lampo

Letztens beim täglichen Absacker der Plattentests.de-Redaktion in der hauseigenen Kneipe. Wo feste Regeln angepinnt sind: Auf einem Bein kann man nicht stehen. Ein Kasten Bier für zwei Leute ergibt nur Sinn, wenn einer nicht mittrinkt. Wer drei Wünsche frei hat, bekommt halt drei Bier. Kein Bier vor vier! Fünf Bier im Sitzen ersetzen 50 Minuten Jogging. Sechs Bier sind eine vollwertige Mahlzeit. Letztens also: Chef Armin stürmt herein, wirft die Schlüssel seines Zwölf-Zylinder-Elektro-Sportwagens auf den Tresen, zieht die Gucci-Sonnenbrille herunter und strahlt mit seinen frisch gebleachten Zähnen in die Runde. "Es ist wieder mal soweit, werte Schreibsklaven. Ich spendier 'ne Runde um den Block. Wer will?"

Der erst seit diesem Jahr in der Redaktion beheimatete Rezensent hätte sich genauer umschauen sollen, bevor er sich vorschnell meldete. Dann hätte er das hämische Grinsen des erfahreneren Kollegiums bemerkt. Oder er hätte aufhorchen sollen, als der Chef beim Hinausgehen diese Bemerkung ergänzte: "Die Platte im Autoradio darfste natürlich behalten. Musst nur ein paar Sätze drüber schreiben. Keine Sorge, ist cooler Italo-Pop, perfekt zum Cruisen und schnell abgefeiert." Dass das erwähnte Album auf Repeat läuft, ohne dass man es anhalten oder leiser stellen kann und die ferngesteuerte Zentralverriegelung das Opfer erst wieder aus dem Gefährt entlässt, wenn man 3.000 Zeichen abgeliefert hat, verschwieg der Meister allerdings.

Bei den ersten Tönen dämmert die schockierende Erkenntnis noch nicht. Da fließen tatsächlich lässige Italo-Sounds aus den eingebauten Boxen. Dann schaltet sich der On-Board-Screen mit dem zugehörigen Musikvideo dazu, und man erkennt: Herrje, Alexander Marcus! Selbsternannter Gott der Electrolore, Plattentests.de-Punktestand: 15. Also in Summe zwei weniger als beim (un)heiligen Witt. Okay, der brauchte satte 14 Platten dafür, Marcus nur fünf. Kann also nicht so schlimm werden, oder? Und die Single "Italia" macht wie gesagt echt Spaß, insbesondere in Verbindung mit dem bitter ironischen Video. Auch "Trattoria di Shisha" startet geradezu mitreißend, nur im Refrain bekommt die bekloppte Pizzabäckerhymne vielleicht ein bisschen zu viel Käse in den Rand gespritzt, und dann rappen noch die unsäglichen 257ers! Aber Props für den Nazi-Diss.

Die man später jedoch für gruselige Fickelfantasien wie "Wollen wir?" und "Ich erzähl' Dir was vom Pferd" wieder abziehen muss. Auch die billige Après-Ski-Anbiederung "Skifahren" erzeugt Übelkeit. Doch es ist nicht alles Verdauungsendprodukt, was komisch riecht. Will sagen: Alexander Marcus hat Talent für Sounds und immer wieder auch gute Texteinfälle. Etwa wenn er wie beim feist groovenden "Essen" Ernährungsfantasien frönt oder mit "Reißverschluss klemmt" absurde Alltagsprobleme dramatisiert. Nur walzt er manches zu lange aus und lässt anderes einfach mittendrin fallen. Warum er die charmante Italo-Idee nicht konsequenter durchgezogen und das Album stattdessen "Robotus" genannt hat – was sich erst mit dem kuriosen und gar nicht zum Rest passenden Schlusstrack erklärt –, wollen wir jetzt gerne weiter vertief... was, schon über 3.000 Zeichen? Die Autotür geht wieder auf? Ciao bella!

(Thomas Bästlein)

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