Fortuna Ehrenfeld - Glitzerschwein

Tonproduktion / Rough Trade
VÖ: 08.09.2023
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Unnötiges Unentschieden

Innerhalb von acht Jahren hat sich die Fortuna bis zum nun vorgelegten siebten Studio-Album von der Kölner Kreisliga C in den national bedeutenden Bereich vorgespielt. Mit ihrer Mischung aus verschrobener Kunst, emotionaler Lyrik, überbordendem Quatsch und dem geübten Blick für das Seltsame hat sie ihr ganz eigenes Spielsystem geschaffen, das sie liebenswert, einzigartig und für alle schwer ausrechenbar macht. Um Kapitän Martin Bechler herum musste zur neuen Saison eine Umbesetzung vorgenommen werden, denn Jenny Thiele hat einen eigenen Verein gegründet, wurde nach dem letzten Match verabschiedet, und dafür ist Elin Bell neu ins Team gerückt.

Gleich zum Anstoß der neuen Spielzeit zeigt sich die Truppe von ihrer besten Seite: In "An der Ecke bellt ein Hund" perlt das Klavier sanft dahin, Bechlers brüchig-heisere Stimme transportiert perfekt die melancholische Geschichte einer enttäuschten Liebe, dass es allen Anwesenden augenblicklich die Schuhe auszieht. Wer dabei auch noch "Parkverbot" auf "Tod" reimt, hat den ersten Treffer der Partie bereits erzielt. Auch die darauffolgenden "Leck mich am Arsch, amore mio!" und "Als unsre Gegenwart Science-Fiction war" bieten einen guten Spielaufbau, stellen Bechlers außergewöhnliche Stärke als Songwriter eindrucksvoll unter Beweis. Dem Gegner werden hier mit Formulierungen wie "Akkusativ von Ungehorsam" Knoten ins Gehirn spielt, sodass die Partie schon in der Frühphase mit 3:0 eigentlich entschieden ist. Es folgt aber ein frappierender Einbruch: Mit "Wir propagieren den Exzess" geht es mit einem Gaga-Stampfer aus den Untiefen des Drum Computers weiter. Vorbei der kreative Vortrag, nur mit permanenten Wiederholungen kann man keine eingespielte Viererkette aushebeln, bestenfalls ist in dieser Phase noch Brechstange geboten. Schlimmer wird es noch bei "We need to go Maraca", bei dem man, wenn überhaupt, einen Flügelschlag zu Mr. Oizo positiv anerkennen kann und bei manchem Fan ein "Was erlaube Struuunz"-Gedanken entstehen lassen dürfte. Auch "Autobahn" ist mit seinen ständigen Wiederholungen ("A million times, a millon times") nur zur Einschläferung des Gegners geeignet. "Revolution No. 9" und "Wir müssen uns bewegen" sind dann eher vertonte Gedichte als Lieder und lassen damit trotz ansprechender Lyrik auch keine Laola durchs Stadion laufen.

Eine "Fortuna für alle" ist sie so auf jeden Fall nicht. Dabei ist die Erfolgs-Formel eigentlich ganz einfach: Wann immer die Truppe sich um einen ernsthaften Spielaufbau mit Tasten- oder Saiteninstrumenten bemüht, gelingen beachtenswerte Dinge. Verzettelt sie sich hingegen im Klein-Klein und Spielereien an den Reglern, wird daraus einfach kein großes Match. Irgendwie übertreibt es Bechler auch an mancher Stelle mit dem Herausstellen seiner immer rauchig-wackliger werdenden Stimme. Was so zum Spielauftakt noch sehr anrührend die Beklommenheit der Situation untermalt, wirkt hintenraus dann doch arg gewollt. Und so geht die Mannschaft nach einem lange schon gewonnen geglaubten Spiel doch nur mit einem unnötigen 3:3 nach Hause.

(Malte Schierenberg)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • An der Ecke bellt ein Hund
  • Leck mich am Arsch, amore mio!
  • Als unsre Gegenwart Science-Fiction war

Tracklist

  1. An der Ecke bellt ein Hund
  2. Leck mich am Arsch, amore mio!
  3. Als unsre Gegenwart Science-Fiction war
  4. Wir propagieren den Exzess
  5. Straßen lang wie Segeltau
  6. Autobahn
  7. We need to go Maraca
  8. Queen of fucking everything
  9. Revolution No. 9
  10. Aufm Park & Ride von Golgatha
  11. Wir müssen uns bewegen
  12. Tragically Hip
Gesamtspielzeit: 42:03 min

Im Forum kommentieren

The Libertine

2023-09-11 14:05:18

Würde auch mindestens 7/10 geben.

Ist vlt mehr Bandalbum denn je. Allein die ersten 3 Songs sind das beste was je von Fortuna Ehrenfeld kam. also, nachsitzen, kaltes Wasser ins Gesicht, und nachjustieren! ;)

BadaBing

2023-09-11 13:51:39

Huch, noch keiner hier gewesen?

Dann fange ich mal an: Die 5/10 finde ich mindestens einen Punkt zu niedrig gegriffen. Zwar teile ich die Kritik an "We need to go to maraca" (das ist wirklich furchtbar), aber es gibt durchaus auch im zweiten Albumteil Highlights ("Quenn of f*cking everything", "Wir müssen uns bewegen", "Tragically hip").

Die 3 Punkte Unterschied (5/10 vs. 8/10) erschließen sich für mich absolut nicht. Beide sind eher im Segment 6/10 oder 7/10 anzusiedeln.

Armin

2023-09-01 21:22:15- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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