Blur - The ballad of Darren
Parlophone / WarnerVÖ: 21.07.2023
Elder spacemen
Blur sind bereits deutlich länger in ihrer Wir-tun-uns-ab-und-zu-zusammen-und-veröffentlichen-vielleicht-was-Phase, als sie sich in ihrem aktiven Lauf zu Beginn der Karriere befanden. Der im Nachhinein nur kurzzeitige Abschied von Gitarrist Graham Coxon vor "Think tank" aus 2003 war das letzte Beben einer Band, die es ausgehalten hat, zwölf Jahre auf "The magic whip" hinzusparen und dazwischen umjubelte Reunion-Konzerte zu spielen. "The ballad of Darren", das neunte Studioalbum, zahlt genau auf dieses Konto hinein. Es ist unverkennbar Blur, ohne auch nur das geringste Jota an Anstrengung zu vermitteln, man wolle unbedingt an alte Zeiten anknüpfen. Der Großteil der Songs ist mit elegischen Streichern ausgestattet, die mancherorts an jüngere Kapriolen der Arctic Monkeys erinnern, nur damit die Platte selten, aber dann effektiv ihre Zähne zeigen kann.
Schon die Vorabsingle "The narcissist" tütete die Sache ja so gut ein, wie man es kaum hätte besser machen können. Eine Melodie zum Niederknien, Backingvocals direkt aus himmlischen Gefilden, eine absolut fantastische Klimax, auf die der Track zusteuert – zielgerichtet und doch so leicht wie das Ausfüllen des Stimmzettels zum Song des Jahres. Der kann sich mit Bandklassikern wie "For tomorrow" oder "The universal" so gut messen, dass er beim Wembley-Konzert direkt als vorletzte Zugabe kam. "I'ma shine a light in your eyes / You'll probably shine it back on me." Frontmann Damon Albarn mag noch Zweifel an der Gegenseitigkeit haben, aber "The ballad of Darren" wird zu Recht genug Liebe bekommen. Nachdem "St. Charles Square" als zweiter Vorbote und ziemlicher Ausreißer auf dem Album so stilvoll wie launig durch die Gegend getorkelt ist, ist das Revier ja schon abgesteckt. Blur sind wieder da, als ob nichts gewesen wäre. "I fucked up"? Im Leben nicht.
Denn auf den zerschossenen Rumpler folgt alsbald "Barbaric", ein beschwingt-sonniges Popstück, das wohl einen der eingängigsten und schönsten Refrains des gesamten Band-Œuvres zu bieten hat. Albarn britisiert seine Aussprache noch mehr als sonst, wenn er der sentimentalen Feststellung "You have lost the feeling that you thought you'd never lose" ein trockenes "It is barbaric" hinterherschiebt. Mit Ausnahme des erwähnten "The narcissist" halten sich danach die Stücke etwas bedeckter, fordern mehr Eingewöhnung und belohnen mit wundervollen Arrangements wie im luftig-verhallten "Goodbye Albert" oder "Russian strings", das sich über dezente elektronische Elemente von ebendiesen Streichinstrumenten tragen lässt. Trubel der Vergangenheit? Auf "The ballad of Darren" milde im Rückspiegel versunken. "Far Away Island, I miss you / I know you think I must be lost now / But I'm not ... anymore."
"Avalon" weckt mit seinen Bläsersätzen die Geister wieder auf, bevor "The heights" einen recht plötzlich kommenden Abschluss einleitet. "Are we running out of time? / Something so momentary that you can even feel it", wundert Albarn sich noch. Zackige Streicher treiben den Song an, der sich wiederum in nichts anderes flüchten kann als eine brutale White-Noise-Attacke aus dem intergalaktischen Staubsauger (hallo, "Bugman"!), die ihn mitsamt dem Album verschlingt. Blur können auch noch unvorhersehbar sein, wenn sie wollen. Auf "The ballad of Darren" machen sie dennoch vor allem das, was sie über Jahres-, Album- und Genregrenzen hinweg groß gemacht hat: umwerfende Songs schreiben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Barbaric
- The narcissist
- The heights
Tracklist
- The ballad
- St. Charles Square
- Barbaric
- Russian strings
- The Everglades (For Leonard)
- The narcissist
- Goodbye Albert
- Far Away Island
- Avalon
- The heights
Im Forum kommentieren
kusubi
2024-07-27 18:19:21
@phasm: ich habe blackstar letzte Woche nach einer ganzen Weile mal wieder gehört und fand sie nicht mehr so toll, wie bei erscheinen. "The ballad of darren" ist hingegen enorm gewachsen. Knackpunkt war, dass ich die Platte auf einem uralten DDR schulplattenspieler im Garten gehört habe. Da passt sie für.mich perfekt hin. Zwischen Rosen, Himbeeren und Hollywoodschaukel :-)
Phasm
2024-07-27 16:25:42
Mir fällt außer "Blackstar" von David Bowie kein "Spätwerk" ein, das mich derart begeistern konnte.
Ich hoffe nicht, dass es das letzte Blur-Album war, aber sollte es doch so sein, dann ist es ein grandioser Abschluss.
fuzzmyass
2024-06-29 00:29:50
Leider hat Damon jetzt auch mit dem "pro palestine" Unsinn angefangen - ist auf dem Glastonbury als Gast bei Bombay Bycicle Club aufgetreten
fuzzmyass
2024-06-23 10:25:13
Huch, sehe jetzt schon wieder einen blöden vertipper:
das Shirt musste ich mir kaufen sollte es heißen :)
jo
2024-06-23 08:31:40
Cover fand ich im Farbenspiel sehr intensiv und prägnant. Hat mich sofort gehabt. Die Lieder auf der Platte brauchten da etwas länger. Barbaric natürlich auch ein Top-Song.
Mir ging es da auch eher wie fuzzmyass. Fand sowohl das Cover als auch die Platte sofort wirklich toll. Beides hatte mich vom ersten Tag an.
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