Billy Talent - Live at Festhalle Frankfurt

Warner
VÖ: 16.06.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Zweites Heimspiel

Deutsche Musikfans gelten im Allgemeinen als sehr loyal. Das wusste schon der unvergleichliche Lemmy Kilmister, der zeitlebens immer wieder betont hatte, dass es die Treue und die Begeisterungsfähigkeit der hiesigen Fans waren, die letzten Endes Motörhead durch so einige mageren Zeiten halfen. Auch Billy Talent wissen dies offenbar zu schätzen, gilt doch der deutsche Absatzmarkt als der lukrativste außerhalb ihrer kanadischen Heimat. Insofern ist nicht etwa der Umstand erstaunlich, dass "Live at Festhalle Frankfurt", das zweite Live-Album seit "666 live" aus dem Jahr 2007, in Deutschland aufgenommen wurde, sondern eher dass die altehrwürdige Location am Frankfurter Messegelände und nicht etwa ein Club mittlerer Größe zum Ort des Geschehens erkoren wurde. Doch wie sich zeigt, sorgten Fans wie Band im November 2022 für derartigen Rabatz unter dem denkmalgeschützten Kuppeldach, dass es einem angst und bange um die historische Bausubstanz hätte werden können.

Daran ist natürlich die Ouvertüre nicht völlig unschuldig. Denn mit "Devil in a midnight mass" und "This suffering" vom Album "Billy Talent II" machen die Nordamerikaner schon einmal alles richtig. Auch 17 Jahre nach der Veröffentlichung steht die Zwei wie eine Eins in der inoffiziellen und höchst subjektiv gefärbten Rangliste innerhalb der Diskographie. Und da gleich ganze sieben Songs von jener Platte stammen, die die Band endgültig in den Alternative-Himmel beamte, weiß anscheinend auch der Vierer aus Mississauga, Ontario, was er seinen Fans schuldig ist. Selbst die Kombination mit den natürlich ebenso zahlreich vertretenen Songs des aktuellen Albums "Crisis of faith" funktioniert erstaunlich gut – wer nach "Perfect world" den Schunkler "Hanging out with all the wrong people" zum Bierholen nutzen wollte, dürfte sich das darauf folgende "Try honesty" wohl eher frustriert in der Catering-Zone angehört haben statt im Pit mitzumischen. Ätsch.

Um aber ein Live-Set wirklich zu einem Erlebnis, zu einer "Night to remember" zu machen, braucht es mehr als eine veritable Best-of-Zusammenstellung. Dazu braucht es Ausstrahlung, Charisma und Spielfreude. Und die ist zu jeder Zeit zu spüren, selbst wenn man nicht vor Ort war. Immer wieder zeigt sich Frontmann Benjamin Kowalewicz beeindruckt von der Energie des Publikums, wirkt bei seinen Ansagen regelrecht gelöst und hat zudem noch die Zeit, die Zuschauer dezent auf gegenseitige Rücksichtnahme hinzuweisen. Da fällt es überhaupt nicht weiter ins Gewicht, dass es Kowalewicz mit seinen 48 Jahren mittlerweile hörbar schwerfällt, die ganz wüsten Schreie von vor 20 Jahren zu reproduzieren. Aber hey – das passiert auch den ganz Großen, wenn sie nicht gerade das anscheinend ewig junge Talent eines Bruce Dickinson besitzen.

Diese Spielfreude, diese Wucht zieht sich buchstäblich bis zum letzten Riff durch. Na klar, "Red flag" ist als Abschluss eh ein Selbstgänger, und auch "Fallen leaves" steht angemessen weit hinten im Set, um die allmählich müde werdende Menge noch einmal zu motivieren. Denn das Arrangement von "Devil on my shoulder" vom bei vielen ungeliebten Album "Billy Talent III" hat es in sich, zeigt, wie sich Gitarrist Ian D'Sa und Bassist Jonathan Gallant förmlich an sich selbst berauschen, bevor das eh schon ruppige "Viking death march" das Trümmerfeld hinterlässt, das "Red flag" nur noch aufzukehren braucht. Mag sein, dass die frühen Alben vor allem wegen ihrer Unbekümmertheit unerreichbar bleiben. Doch "Live at Festhalle Frankfurt" zeigt Billy Talent in einer dermaßen bestechenden Form, dass jederzeit klar ist, dass auch in den eher kopflastigen letzten Platten jede Menge Bauchgefühl steckt.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Devil in a midnight mass
  • Perfect world
  • Devil on my shoulder
  • Red flag

Tracklist

  • CD 1
    1. Devil in a midnight mass
    2. This suffering
    3. I beg to differ (This will get better)
    4. Afraid of heights
    5. Perfect world
    6. Hanging out with all the wrong people
    7. Try honesty
    8. Pins and needles
    9. Rusted from the rain
    10. Saint Veronika
    11. The wolf
  • CD 2
    1. Diamond on a landmine
    2. End of me
    3. Surrender
    4. Forgiveness (Part 1)
    5. Reckless paradise
    6. Surprise surprise
    7. Fallen leaves
    8. Devil on my shoulder
    9. Viking death march
    10. Red flag
Gesamtspielzeit: 95:05 min

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Armin

2023-07-13 16:58:07- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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