John Mellencamp - Orpheus descending

Republic / Universal
VÖ: 16.06.2023
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Der Hase bellt

In unseren Breitengraden ist John Mellencamp fast unbeachtet geblieben, auf der anderen Seite des großen Teiches ist er dagegen seit den frühen Achtzigern eine Institution. Hits wie "Jack & Diane" oder "Hurts so good" kennt dort wirklich jeder. Inzwischen 71-jährig legt Mellencamp nun sein bereits 25. Studioalbum vor und der alte Hase des Musikgeschäfts hat auf "Orpheaus descending" eindeutig etwas mitzuteilen. Seine Perspektive hat sich von der Introspektive seines Frühwerkes fast vollständig auf gesellschaftliche Themen gedreht, so dass er einen Großteil der aktuellen Missstände in den leidgeplagten Vereinigten Staaten zum Thema macht. Dadurch gerät das Album eher düster als freudig, eher textbezogen als musikalisch abwechselnd, und die Hoffnung in seinen Texten ist bestenfalls am weiten Horizont erkennbar.

Die jahrzehntelange Raucherei hat Mellencamps Stimme fest im Griff und so spricht oder gurgelt er manchmal mehr, als dass er singt. Mal bellt er sogar ins Mikrofon, als wäre Tom Waits sein Gesangslehrer. Musikalisch bewegt er sich weiterhin auf bekannten Folk- bzw. Heartland-Rock Pfaden, seine vertraute Band hat er wieder hinter sich versammelt und fast alles selbst in die Hand genommen: Das Album wurde in seinem eigenen Studio aufgenommen, selbst produziert und sogar das Album-Cover hat er selbst gemalt.

Sein erstes Thema ist in "Hey God" die Waffengewalt in seinem Heimatland (“Weapons and guns, are they really my right?”) und die damit verbundene Frage, wo denn eigentlich Gott in dem Ganzen ist ("Hey God, if you're still there, would you please come down"). Das funktioniert rundherum gut, das schräge Gitarren-Riff untermalt die angespannte Situation exzellent und auch Violinistin Lisa Germano trägt zur dichten Atmosphäre des Songs bei. Danach widmet er sich der verbreiteten Obdachlosigkeit und dem öffentlichen Umgang damit, die er in "The eyes of Portland" aufgreift. Und auch wenn er hier die zweideutige amerikanische Seele sehr gut seziert ("Your tears and prayers won't help the homeless"), so kommt der Song musikalisch doch etwas zu sehr nach Schema F daher.

"The so-called free" stellt dann den amerikanischen Traum in Frage, krankt aber etwas an der gleichen musikalischen Einfachheit. Im ruhigen "The kindness of lovers" beschäftigt sich Mellencamp dann doch einmal mit der eigenen Endlichkeit und man fühlt sich soundtechnisch sehr an Eels oder Bob Dylan erinnert. In "Perfect world" singt er einen wenig aufregenden Track seines Buddies Bruce Springsteen, mit dem er auf dem Vorgänger-Album "Strictly a one-eyed Jack" sogar noch drei Songs zusammen gesungen hatte.

Was zu einem besseren Album fehlt, ist das Lyrische, das interessant verpackt Spannende. Vieles wird, inhaltlich zwar wichtig und richtig, zu direkt ausgesprochen und versprüht damit keine Magie. Und musikalisch verlässt sich Mellencamp ohnehin schon seit Jahren auf vermeintlich Bewährtes. Ein bellender Hase mit guten analytischen Fähigkeiten ist sicher ungewöhnlich, aber allein kein Grund, ein Album zu hören.

(Malte Schierenberg)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hey God

Tracklist

  1. Hey God
  2. The eyes of Portland
  3. Land of the so-called free
  4. The kindness of lovers
  5. Amen
  6. Orpheus descending
  7. Understated reverence
  8. One more trick
  9. Lightning and luck
  10. Perfect world
  11. Backbone
Gesamtspielzeit: 49:00 min

Im Forum kommentieren

Grizzly Adams

2023-07-07 18:38:34

Die Rezi klingt nicht unbedingt nach 4/10. hör trotzdem mal rein. Vor allem, weil ich das letzte Album ganz gut fand.

Armin

2023-07-05 22:10:19- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Kai

2023-04-30 16:45:32

Song überzeugt mich nicht wirklich.

Konsul

2023-04-27 18:41:59

Neues Album kommt am 2.Juni 2023. Erste Single Hey God ist bereits verfügbar.

M.E. die beste Single seit Jahren von ihm.

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