Danger Dan - Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt (Live)

Antilopen Geldwäsche / Warner
VÖ: 02.06.2023

Triumph eines Verlierers

Die Krise kennt die kuriosesten Gewinner. Ausgerechnet ein in seinem Leben immer wieder gescheiterter – zumindest an bürgerlichen Maßstäben gemessen – Musiker profitiert von COVID als Katalysator für seine Klavierstücke und von Verschwörungstheorien einer wiedererstarkenden Rechten. Danger Dans "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" und das dazugehörige Album sind eine dieser unwahrscheinlichen Geschichten, die pünktlich zum 40. Geburtstag des mittlerweile deutschlandweit bekannten (Sprech-)Sängers in einem Live-Album resultieren. Es wurde 2022 an vier ganz besonderen, ausverkauften Abenden im Berliner Admiralspalast aufgenommen.

Unter tosendem Applaus von seinem Bruder und Antilopen-Gang-Genossen Panik Panzer anmoderiert, holt der das Gutbürgerliche bekämpfende Song "Lauf davon" direkt in eine euphorische Live-Situation. Danger Dan ist ein Geschichtenerzähler, ein Storyteller, was er nicht nur innerhalb seiner Songs beweist. Er erzählt vor "Nudeln und Klopapier", wie es überhaupt zum Album kommen konnte und bindet das aufmerksame Publikum dann gleich mal in die Performance mit ein. Die Zuschauer*innen sind allgemein bestens aufgelegt und bejubeln bei "Ingloria Victoria" die ewig langen Sätze, die Danger Dan trotzdem nicht aus der Puste bringen. Und sie lachen ausgelassen, wenn er bei "Ich verprügelte die Sextouristen in Bangkok" den Text vergisst und noch mal von vorne beginnt.

Wer von dem guten Mann an seinem brüchigen Waldorf Zarenburg herausragendes, dezidiertes Klavierspiel erwartet, der hat sich vermutlich im Plattenregal vergriffen – und wird trotzdem vom Instrumentalteil in "Das schreckliche Buch" überrascht. Genauso wie von den atmosphärischen Klängen des Streichquartetts, das Danger Dan in manchen Songs zur Seite steht. So wird aus älteren Stücken wie "Ölsardinenindustrie" eine interessante Überraschung für Fans, die nicht erst während COVID auf den Sänger aufmerksam geworden sind. Und das eh schon emotionale "Eine gute Nachricht" ist mit seinen Pickingpassagen ein noch größeres Highlight. Genauso wie der Titelsong, den Danger Dan sich lange aufhebt und auf den das Album zuläuft. Und den er dann locker mal unterbricht, um Applaus für seine Rechtsanwältin einzufordern.

Im Gegensatz zum mit seiner guten halben Stunde sehr kondensierten Studioalbum ist "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt (Live)" eine ausladende Platte, die musikalisch natürlich nicht nur Highlights bereithält. Doch durch seine Energie, die Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit und den Kontext, den ihr Interpret zwischen den Songs liefert, ist es eine Charakterplatte im besten Sinne. In den großen Momenten erinnert sie gar an Klassiker wie "Rock 'n' Roll Realschule" von Die Ärzte. Das ist kein Kabarett, auch wenn selbst Mami und Papi hier den ein oder anderen Song wohlwollend benicken und schmunzeln, und es ist auch kein Helge-Schneider-Gonzo voller Albernheiten. Und es ist die meiste Zeit auch nicht besonders links, wie von bestimmten Teilen der Presse gerne herbeigeschrieben. Muss es allerdings auch gar nicht sein. Es ist der Etappensieg eines Verlierers, der endlich mal gewinnt. Und gleichzeitig zum Release des Albums seinen 40. Geburtstag in der ausverkauften Wuhlheide in Berlin feiert. Touché!

(Arne Lehrke)

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