Noel Gallagher's High Flying Birds - Council skies

Sour Mash / Membran
VÖ: 02.06.2023

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt

Entwarnung: Noel Gallagher hat aufgehört zu tanzen. Nach drei wunderbaren Alben hatte sich der Big Brother mit den EPs "Black star dancing", "This is the place" und "Blue moon rising" irgendwo zwischen monotonen Discobeats und hüftsteifem Groove verirrt. Sein viertes Album als High Flying Birds, "Council skies", verzichtet glücklicherweise auf wenig gelungene Umz-Umz-Anwandlungen. Vielmehr ist es fast schon das Gegenteil: So viel Streicherschmalz auf einer Platte würde wohl selbst bei Richard Ashcroft oder Brett Anderson Erstaunen hervorrufen. Primäres Exempel: "Open the door, see what you find" treibt es mit Glocken und Geigen auf die Spitze, steht kurz vorm Einsatz in einem kitschigen Weihnachtsfilm. Beim ersten Hören guckt man noch ungläubig und kritisch. Beim zweiten bemerkt man, wie gut die Melodie ist. Und ab dem dritten Mal geht einfach nur noch das Herz auf.

Nicht alle Songs gehen so offensiv nach vorn mit ihren Gefühlen. Die erste Single "Pretty boy" deckt sich in sehnsüchtiges Moll ein und lässt sich nur von der Drummachine treiben. Hübsch, aber der Remix von Robert Smith ist klanglich interessanter als die Albumversion. "Dead to the world" macht es besser, indem es die Stimmung noch weiter zurückfährt und ein regenartiges Rasseln durch den Song zieht. "I can lend you a dream 'til we meet again / I'm dead to the world / I don't know where I've been", lamentiert Gallagher zu atmosphärischen Streichern. Auch dieser Song funktioniert letztlich über die Melodie, immer noch das Ass im Noel'schen Ärmel. Generell wechselt die Stimmung zwischen den benannten Polen: Mal starrt man betrübt durch's regenverhangene Fenster, mal schaut man in pompös glitzernde Auslagen.

Damit konzentriert sich "Council skies" wieder mehr auf das Wesentliche, bringt dazu mit der Orchestrierung und Stimmungsfärbung einen eigenen Touch ins Spiel. Uptempo-Hymnen sind fast gänzlich abwesend, am flottesten ist noch der mitreißende Titeltrack unterwegs, dessen hinausgeheultes "I found you" an die ähnliche Zeile aus "Ballad of the mighty I" erinnert. Ansonsten verhält sich "Council skies" wie ein schwerer Tanker: Es braucht mit den ersten beiden Tracks etwas, um anzufahren und die Bremsphase ist ebenfalls lang. "There she blows!" hat nicht nur einen irritierenden Titel, sondern ist mit seltsamen Wasser- und Schiffsmetaphern das schwächste Glied der Kette. "Love is a rich man" macht noch einmal Stimmung, bevor "Think of a number" gegenüber den vorigen, immer grandiosen Schlusstracks etwas verliert. (Das dickbackige "We're gonna get there in the end" ist nur eine Bonus-Dreingabe und auf der Deluxe-Edition auf der Zusatz-CD integriert.)

Dafür läuft es in der Mitte sensationell. "Easy now" ist ein Gallagher-Song, der nichts neu, aber alles richtig macht und ans Herz geht. Davor lässt "Trying to find a world that's been and gone pt. 1" mit seiner tollen Atmosphäre schon gespannt warten, ob und wann es noch "Pt. 2" geben wird. Was die Produktion angeht, würde man sich – wie sonst auch – wünschen, dass sich die Brüder in der Mitte treffen: Während Liams Alben oft zu poppig und hohenlästig klingen, hüllt Noel gerne eine dumpfe Decke über seine Songs, die ohnehin schon mit vielen Sounds beladen sind. Macht am Ende nichts: "Council skies" zeigt mal wieder, wie gut dieser Mann noch komponieren kann. Wenn auch diesmal optisch wie akustisch mit mehr Grautönen unterlegt.

(Felix Heinecker)

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