Kommando Kant - Eklat

DevilDuck / Indigo
VÖ: 14.04.2023
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Jemand ist keine Insel

Ganz schön ausgeknochte Typinnen und Typen, die Dame und die Herren von Kommando Kant. Das sah man schon am Fischskelett auf dem Cover von "Ziehen Sie 'ne Nummer", das ein treffliches Sinnbild für das endlose Warten auf den Kutter des wahren Lebens abgab. 2020 folgte das Album "Aussterben ist ein schönes Hobby", im Titel zweifelsohne geprägt von Na-Sie-wissen-schon-was, musikalisch eindringlich im Kielwasser des quicklebendigen, dunkelgrauen Indie- und Punkrock unterwegs. "Husum, verdammt!" wie bei den aus der gleichen nordfriesischen Stadt stammenden Turbostaat gilt auf dem dritten Longplayer allerdings nicht mehr, da Kommando Kant mittlerweile in Hamburg zu Hause sind – und der "Eklat" findet nach wie vor mitnichten auf Titelblättern oder Monitoren statt, sondern im Kopf des Individuums. Ungebetener Besuch von innen.

Aber es hilft nichts, denn auch mit diesem muss man irgendwie klarkommen. Sänger Björn Albertsen gibt mit der Zeile "Das Theater da draußen killt die Ruhe hier drin" im zweiten Song schnell die Richtung vor: Wie soll man die Stimmen im eigenen Kopf verstehen, wenn um einen herum so ein Durcheinander herrscht? Entsprechend energisch fahren ruppige Gitarren dazwischen, die relativ neu formierte Rhythmusgruppe aus Schlagzeugerin Lilian Stenzel und Bassist Moritz Schwertheimer macht ordentlich Druck. "Am Deister" genauso wie in "Eldorado", auch wenn Letzteres lediglich in der Kneipe liegt. Dennoch lässt dieses reduzierte Kraftpaket im Stile früher Placebo minus Weinerlichkeit Kommando Kant zur Sonne dringen – trauriges Finale inklusive: "An der Theke keiner da / Ich schein selber nicht zu glauben, dass das gerade echt unser Ende war." Schnüff.

Dabei nähert sich Albertsen desto mehr den Iden seines Ich an, je weiter "Eklat" voranschreitet. "Früher war ich Jedi, jetzt bin ich Nihilist / Der noch nicht mal einsieht, was Verneinung ist", berichtet er zu bluesigem Raureif desolat von seinen Erfahrungen im Herzen des Nichts, zuckt in "Emotional verkatert" mit den Worten "So sollt ich nicht trinken und tu es trotzdem / Wo kein Ankläger ist, ist auch kein Problem" die Schultern und weiß: "Doch das Schöne daran ist, dass es weitergeht." Immerhin etwas Positives in einer kleinen, rüpeligen Ballade. Ähnlich geht "Auf Sendung" gegen Aluhutträger und Netz-Pöbler zu Werke, und wo Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs einst "Man bleibt ganz bei sich, wenn man keinem gegenübersteht" warnten, will es der hier Angesprochene gar nicht anders. "Niemand bleibt bei Dir / Niemand außer Dir." Selbst schuld.

Etwas viele Zitate in dieser Rezension? Mag sein, doch diese Platte enthält nun mal eine Menge Sätze, die man sich mit dem Kuli vom Sozialamt auf den Unterarm schreiben möchte. Noch einer gefällig? "Du bist jemand, der alles frisst / Und gerne weiße Flaggen hisst / Aber immerhin bist Du jemand." Kompliment oder Beleidigung? Tut nichts zur Sache – Hauptsache, "Eklat" dreht nach gedrücktem Mittelteil zum Schluss noch einmal richtig auf. Im temporeichen "Jeverssand" mit Killer-Riff und drahtigem Dance-Beat, dem plärrenden "San Francisco", das sich auch schnittigere Madsen ausgedacht haben könnten, und beim zackig federnden Post-Punker "Endlose Prärie". Nur drei Hits von vielen auf einem so präzisen wie beunruhigenden Album. "Kein Held, kein Lied, kein Showdown / Und keiner hat gewonnen." Merkt Euch das, Motherfuckerinnen und Motherfucker.

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Am Deister
  • Eldorado
  • Jeverssand
  • Endlose Prärie

Tracklist

  1. Streuner
  2. Das Theater
  3. Am Deister
  4. Eule
  5. Eldorado
  6. Früher war ich Jedi
  7. Auf Sendung
  8. Rauschen
  9. Rausch
  10. Emotional verkatert
  11. Jeverssand
  12. San Francisco
  13. Endlose Prärie
Gesamtspielzeit: 41:16 min

Im Forum kommentieren

Glufke

2023-06-30 19:51:52

Ich hab es zwei oder drei Mal gehört, kommt für mich nicht an das Debüt ran. Da waren echt richtig große Songs drauf, vor allem am Ende der Platte. Die Songs hier laufen gut durch, aber bleiben bei mir nicht so richtig hängen.

eric

2023-06-30 11:36:14

Das Album bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit. Hatte zum Release nur angestestet, aber "Eule", "Eldorado" und "Deister" gehören schon jetzt zu meinen Songs des Jahres. Irgendwie erinnert "Eklat" soundmäßig auch ein wenig an das Herrenmagazin-Debüt.

Cayit

2023-04-27 10:52:16

Danke für den Tip...!
Starkes Album.
Sehr schöner Indie-Rock mit bischen Post-Punk.

Armin

2023-04-26 21:05:58- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum