
Mudhoney - Plastic eternity
Sub Pop / CargoVÖ: 07.04.2023
Und jetzt fuzz!
"Everyone tells me it's nice to have me back / I can't tell that I'm sure where I'm at / Everything seems the same / Yet I can tell that everything has changed." So steigen Seattle's finest Mudhoney in ihr elftes Album "Plastic eternity" ein, und besser könnten sie ihre lang überfällige Rückkehr kaum ankündigen. Lässt sich aber gerade der letzten Zeile wirklich ohne Weiteres zustimmen? Mark Arm motzt giftig wie eh und je über die neuesten Auswüchse der degenerierten (US-amerikanischen) Gesellschaft, wie er es auch schon auf "Digital garbage" und allen anderen Platten zuvor getan hat. Hat er angesichts COVID-19-Verschwörungstheoretiker*innen und einem zugemüllten Planeten nun den allerletzten Hoffnungsschimmer verloren? Vielleicht schert er sich auch einfach nicht länger drum, will aber gepflegt nörgeln. Arm verdient sich den Lebensunterhalt als Lagerist beim Label-Urgestein Sub Pop, und Bassist Guy Maddison ist nach Australien ausgewandert, wo die Band im April auf Release-Tour ist. Mudhoney sind heuer ein Herzensprojekt gesetzter Männer in den besten Jahren, bestehen aber noch zu gleichen Teilen aus musikalischer Nostalgie wie aus hochaktueller Wut. Was einst Grunge-Hype oder "Seattle-Sound" bedeuteten, könnte egaler nicht mehr sein.
Staub abwischen, dann wieder aufwirbeln: Das Quartett besitzt einen derart unverwechselbaren Sound, dass man es im Schlaf erkennt, und daran ändert auch "Plastic eternity" nichts. Wieso sollte es außerdem? Die kratzigen Sandpapier-Riffs, Steven Turners windschiefe Gniedel-Orgien, knochentrockene Bassläufe, Blues- und Psychedelic-Tupfer, kleinere Orgel-Anfälle und sogar wieder Bongos wie in "Almost everything": alles da, als sei es nie weg gewesen. Nur gemault wird zu brandheißen Themen: Faschist*innen werden mittels One-Note-Riff und feinster Alliteration das Klo heruntergespült, knüppelnder Proto-Punk à la "Human stock capital" entlarvt die Ausbeutung im kapitalistischen Mastbetrieb, immer wieder geht es selbsternannten Wahrheitshüter*innen und Klimawandel-Leugner*innen an den Kragen. Mudhoney sind in ihrem Element. Genuine Liebeslieder wie das leicht proggende "One or two" fallen da innerhalb des ganzen Punk-Spirits fast ein bisschen aus dem Rahmen, aber das unterstreicht bloß die Narrenfreiheit, welche die Band genießt. Im weitestgehend entschleunigten "Severed dreams in the sleeper cell" bittet Arm nur noch darum, ihn einfach schlafen und im Traum seinen guten Gefühlen hingeben zu lassen, die mit der vermaledeiten Außenwelt nichts zu tun haben.
Zeternde Rocker wie "Move under" bieten Altbewährtes, das aber immer noch mit genug Verve und Chuzpe dargeboten wird, sodass von Routine oder Ermüdungserscheinungen auch im 35. Jahr der Bandgeschichte keine Rede sein kann. In "Here comes the flood" geht der Planet schließlich endgültig unter, und zurück bleiben nur karge Feedback-Wüsten. Ein vorläufiges, fies-nihilistisches Fazit der zeitgeistlichen Bestandsaufnahme formuliert "Cry me an atmospheric river": "It doesn't matter to me what happens to the humans." Konzentrieren wir uns zum Abschluss also auf die wirklich wichtigen Dinge: Der Closer "Little dogs" samt fröhlich-dämlichem Riff und zuckersüßem Musikvideo meint seine Message nämlich genauso ernst wie das ganze Geschimpfe zuvor. Kleine Hundewelpen sind vielleicht das letzte Bisschen Gute, das die Welt 2023 noch herzugeben vermag, und deswegen verdienen sie diese völlig aufrichtige Hymne allemal! Everybody likes that. Und sämtlicher Voraussicht nach kommen Mudhoney in ein paar Jahren wieder einmal zurück, um trotz jenen kleineren schönen Dingen formsicher weiterzumotzen. Bis in alle Ewigkeit!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Severed dreams in the sleeper cell
- One or two
- Cry me an atmospheric river
- Little dogs
Tracklist
- Souvenir of my trip
- Almost everything
- Cascades of crap
- Flush the fascists
- Move under
- Severed dreams in the sleeper cell
- Here comes the flood
- Human stock capital
- Tom Herman's hermits
- One or two
- Cry me an atmospheric river
- Plasticity
- Little dogs
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Telecaster
2024-09-25 14:43:35
München war in der Tat ein Fest.
fuzzmyass
2024-09-23 14:54:35
Viel Spaß, das wird garantiert auch gut - Band ist super drauf!
Ralph mit F
2024-09-23 14:42:25
Sehr cool!
Da freu ich mich doch auf Donnerstag in Köln ^_^
fuzzmyass
2024-09-23 14:37:19
Gestern live im Ampere in München - klasse Gig!!!
Vor etwas über 3 Wochen hatte ich bereits den ersten Gig der Tour in Schorndorf gesehen, der wie immer klasse war, aber auch ein wenig was von "Aufwärmgig" hatte - super gespielt, aber eher wenig Ansagen und etwas "routinierter"... gestern wurde noch eine Schippe draufgelegt und man hat überhaupt nicht gemerkt, dass die Band seit 23 tagen fast jeden Tag auf der Bühne stand - absolute Spielfreude, Tightness, super Sound und Mark Arm bei bester Stimme trotz dem engen Tourkalender, Wahnsinn... vermutlich einer der unterbewertetsten Sänger....
Einige Wechsel auch in der Setlist - beide Abende haben ihre Highlights gehabt, gestern unter anderem Chardonay, Good Enough und Here Comes Sickness, in Schorndorf u.a. I'm Now, Inside Job und When tomorrow hits...
Etwas zu feuchtfröhlich war es gestern mit rumfliegenden Bieren, was Mark Arm zu einigen Jokes über das Oktoberfest veranlasst hat...
Neue Songs kamen auch super, habe jetzt wieder Lust auf das letzte Album bekommen... sehr launiger und stimmungsvoller Gig, aber auf Mudhoney ist eigentlich immer Verlass!
Mann 50 Wampe
2023-04-20 06:39:06
Jau, geht klar.
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