Frittenbude - Apokalypse wow

Nachti / The Orchard
VÖ: 10.03.2023
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Sie tauchen auf

"Mindestens in 1000 Jahren" – etwa so lange muss es sich angefühlt haben, als Frittenbude das Ende der Pandemie herbeisehnten. Diese war nämlich vor allem für eine Band Gift, die sich durch tumultöse Live-Präsenz vor wild hüpfendem Publikum auszeichnet. Als hätten die Wahlberliner aus Bayern so etwas geahnt, verloren sie zuletzt auf "Rote Sonne" zusehends an Dynamik und Leichtigkeit – von Ausnahmen wie dem furiosen Jörkk-Mechenbier-Duett "Die Dunkelheit darf niemals siegen" einmal abgesehen. Untätig waren die Mitglieder dennoch nicht: Johannes Rögner alias Stritzi Streuner lancierte sein HipHop-Nebending Team Delphin, Elektroniker Jakob Häglsperger gründete mit dem Elektro-Wave-Pärchen Local Suicide das Trio Dina Summer, Gitarrist Martin Steer trieb sein Projekt Bad Stream voran und stieg am Ende ganz aus. Mit Album Nummer sechs stellen sich Frittenbude samt eigenem Label also neu auf – und ziehen das Tempo wieder merklich an. Das beherrschen Rögner und Häglsperger schließlich auch zu zweit.

Erst recht, nachdem die Menschheit der "Apokalypse wow" noch einmal von der Schaufel gesprungen ist – was die zwölf kurzen neuen Songs ausgiebig feiern. Denn amüsante Deichkind-Grenzdebilität, dicker Wumms aus der Elektro-Schubrakete sowie Raven gegen Polizeigewalt und tumbe Deutschtümelei sind nach wie vor gern genommen oder tun sogar Not. Neuerdings aufgebrezelt durch Elemente aus Punkrock und Indie-Disco – eine Umgebung, in der Frittenbude ohnehin oft stattfanden. Und mit dem weichstichigen Jungle-Techno des Openers "Stoli" und dem gewohnt geschmeidigen Klopfer "Suchen/Finden" inklusive feinsinniger Gitarren-Details bleibt zunächst alles beim Alten. Auch die Vocals, bei denen Rögner zuweilen zum Nöligen neigt und die Dance-Kante etwas runder lutscht, als es den Tracks vielleicht gutgetan hätte. Doch wenn der Frontmann in letzterem Stück mit einem "Bei Saufen und Rauchen / Wollen wir wieder auftauchen" am liebsten die ganze Halle umarmen möchte, lässt man sich das gerne gefallen.

Gilt auch für das Riff des knackigen Uptempo-Hits "Marx & Biggie", der zwar müffelt wie eine abgeranzte Mando-Diao-Lederjacke, aber auch einen vergnügten Blick auf Sex mit über 40 wirft: "Das ganze alte Fleisch / Doch bei uns ist es nice." Das waren Zeiten, als man mit 8000 Mark noch auf einen grünen Zweig kam. Da tröstet das versöhnlich liedhafte "Vorbei", das alle Katastrophen versuchsweise für beendet erklärt. Ob "Das Glas" halb voll oder halb leer ist, spielt bei einem so funky Track nach Soulwax-Muster ebenfalls keine Rolle, wo man ob des Klimawandels eine "Neue Welt" herkriegt, bleibt trotz flockigem New-Order-Bass jedoch unklar. Anders als die Tatsache, dass sogenannte Ordnungshüter bei "Schlagstock" ihr Fett von einer muskulösen EBM-Sequenz wegkriegen. Muss auch mal sein, wenn "Sandradome" als erste Post-Lockdown-Hymne eher generisch patzig rockt und "Lass uns tanzen gehen" seinem Titel nicht allzu viel hinzuzufügen hat. Was mit der Apokalypse ist? Fragt in 1000 Jahren noch mal nach. Mindestens.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Suchen/Finden
  • Marx & Biggie
  • Das Glas
  • Schlagstock

Tracklist

  1. Stoli
  2. Suchen/Finden
  3. Marx & Biggie
  4. Das Glas
  5. Vorbei
  6. Neue Welt
  7. Sandradome
  8. Schlagstock
  9. Lass uns tanzen gehen
  10. Orchidee
  11. Halte Dich ganz kurz fest
  12. Tiefseetauchen
Gesamtspielzeit: 36:59 min

Im Forum kommentieren

Armin

2023-03-02 11:15:02- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2023-02-15 10:27:23- Newsbeitrag

Liebe Muscilovers,

mit der jüngsten Single "Suchen/FInden" müssen wir zugleich eine kleine Verschiebung aller Formate (LP/CD/Digital) kommunizieren. Die Auslieferung verzögert sich ein wenig, sodass das Album nun eine Woche später als zunächst angekündigt, am 10.03.2023 erscheint.


Armin

2023-01-12 19:40:57

Wurde vorher schon mal gesungen bei Frittenbude? Ich kenne zwar einige Sachen, aber habe nicht den Gesamtüberblick.

Antaeus

2023-01-12 16:28:17

schockverliebt in den Song


ging mir zum letzten Mal bei "Leuchtstoff – Einfach sein" so (https://youtu.be/COmSXO4D9BI)

Songs haben ähnliche Vibes wie ich finde

Armin

2023-01-11 17:12:03

Oha, es wird gesungen! Ich weiß nicht, wer da singt, Johannes Rögner? Spricht dafür, dass er das bisher zurecht unterlassen hat. Denn klassisch gut gesungen ist das nicht. Ich mag es dennoch oder genau deswegen sehr. Toller Song.

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