Oozing Wound - We cater to cowards
Thrill Jockey / IndigoVÖ: 27.01.2023
Gatecrushing
Wie nennt man eigentlich Außenseitertum vom Außenseitertum? Wenn ein paar Menschen, sagen wir drei junge Männer aus Chicago, ganz weit vom Mainstream entfernt flanieren und dennoch jeden Versuch, sie in Käfige aus Underground-Szenen und Sub-Genres zu pressen, mit der Planierraupe quittieren? Oozing Wound melden sich gerne als Namensgeber für dieses Phänomen. Seit gut einem Jahrzehnt macht das Trio sehr harte, schwere und angepisste Musik mit sarkastischen Texten, was in Kombination mit besagter Schubladen-Allergie manchmal so wirkt, als es würde es sich über den ganzen Metal-Zirkus lustig machen. Dabei meinen die das alles todernst – es spielt nur einfach keine Rolle, wo genau im Atlas von Thrash, Sludge, Noise, Stoner und Grunge man Alben wie "We cater to cowards" einordnet, um sich von diesen Midtempo-Walzen die Knochen begradigen zu lassen. Dass Frontmann Zack Weil meistens die Galle auf der Zunge brennt, ist angesichts der Weltlage sowieso mehr als verständlich. Zumal Oozing Wound aktuell auch um die eigene Existenz bangen müssen, nachdem sie aufgrund einer Verletzung von Drummer Kyle Reynolds eine geplante Tour absagen mussten und Weil für einen Brotjob nach Milwaukee zog.
Wenn diese fünfte Platte also die letzte von Weil, Reynolds und Bassist Kevin Cribbin bleiben wird, sind vor allem die Umstände schuld, die "Bank account anxiety" bereits im Titel in drei nachfühlbare Worte fasst – neben dem Briefkasten animiert wohl kein Aspekt des Erwachsenseins so sehr zum Wegschauen wie das Bankkonto. Die betondicken Riffs jenes Openers malmen sich ungerührt bis zum tempowechselnden Krach-Groover "Total existence failure" durch, in dem sich Weil kurzerhand zum "king of cultural waste" erklärt. "The good times (I don't miss 'em)" verabschiedet im Anschluss den Fluchtort Nostalgie, weil früher natürlich überhaupt nichts besser war. Auch nicht der Metal, weshalb diese Dreckssäge nach ihrem Doubletime-Kurzschluss keineswegs in Retro-Gepose verfällt, sondern mit einem atonalen Anti-Solo das verrottete Haus zum Kompletteinsturz bringt. Manchmal braucht es eben keine Worte, wie auch "Crypto fash" weiß, das seinen gewaltbereiten Gemütszustand sogar rein instrumental zum Ausdruck bringt. Dass dafür nebst in Erdkernnähe schwingender Bass-Verzerrung ein paar Bläser zum Einsatz kommen, überrascht weniger, als es sollte – wer auf Thrill Jockey veröffentlicht, hat wahrscheinlich eh eine Mindestmenge Avantgarde im Vertrag stehen.
Ungleich primitiver und kompakter geht es in "Hypnic jerk" zu, einem Hardcore-Kotzbrocken mit Blastbeat-Arsenal, der am Alltagshorror der Fernsehnachrichten den Verstand zu verlieren droht. "There's no hope left on Earth", heißt es dazu passend in "Between cults" – ehe sich der Track vom rasenden Punk zum immer noch rasenden Space-Rock entwickelt, während die Gitarre wahrlich außerirdische Formen annimmt, als würde man sie per Traktorstrahl ins Hirn gefräst bekommen. Nicht das einzige Ass, das Oozing Wound im schmutzigen Ärmel haben: Ein Song namens "Old sludge" ankert am Ende trotz Traditionalismus-Andeutung im Titel per Saxofon-Anfall im Free-Jazz. "I'm not a violent man", giftet Weil über das stoische Geholze von "Midlife crisis actor" mit der Glaubwürdigkeit eines Jack Torrance – und doch ist diese Absage an das Stereotyp des bösen Metallers irgendwie angebracht. Schließlich hat uns "We cater to cowards" klargemacht, dass die drei Anti-Außenseiter im Grunde mit den gleichen Problemen wie Du und ich zu kämpfen haben. Nur die Gatekeeper all der Schwermetallfabriken in Oozing Wounds Radius sollten sich vorsichtshalber ein paar Fahrradhelme aufsetzen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The good times (I don't miss 'em)
- Between cults
- Old sludge
Tracklist
- Bank account anxiety
- Total existence failure
- The good times (I don't miss 'em)
- Hypnic jerk
- Crypto fash
- Between cults
- Chudly
- Midlife crisis actor
- Old sludge
- Face without eyes
Referenzen
Spotify
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