Rantanplan - Ahoi

SBäm / Broken Silence
VÖ: 24.02.2023
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zwischen Ebbe und Sturm

Mit zehn Longplayern in knapp drei Jahrzehnten sind Rantanplan das, was man in Ermangelung kreativerer Begriffe auch gern eine Institution nennt. Deutschsprachiger Ska-Punk, manchmal hymnisch, immer melodisch, die Hamburger wissen, wie es geht. Sollte man meinen. Das Problem ist, dass "Ahoi" nicht selten den Eindruck einer gut gemeinten, aber wenig überzeugenden Pflichtübung erweckt. "Routiniert", ließe sich da wohlwollend urteilen. "Etwas lustlos" wäre eine weniger freundliche Umschreibung. Und das gilt fürs Gesamtresultat wie für so manches weniger gelungene Detail: Der "Oh ho ho"-Hintergrundgesang der Vorab-Single "Ozeanische Liebe" klingt, als hätte man ein paar Rentner aus dem Mittagsschlaf aufgeweckt und ihnen ein Aufnahmegerät vorgehalten. Was insofern wiederum konsequent ist, weil Phrasen wie "Ozean der Zeit" und "Wind des Schicksals" auch vom Texter von Santiano stammen könnten. "Ahoi" ist, wie der Titel und ein kurzer Blick auf die Tracklist erahnen lassen, eine Art Konzeptalbum übers Meer und so weiter. Das birgt Potenzial, aber auch Gefahren: Stürme und Gezeiten, Fernweh und Freiheit. Die Nordsee, unendliche Weiten. Glücklicherweise werden maritime Metaphern und Bildwelten dann doch nicht ganz so platt ausgewalzt.

Einen gewissen Wortwitz lassen Rantanplan nämlich hin und wieder aufblitzen. Und sie garnieren das Pathos auch hier und da mit einer Prise Ironie oder versehen den zunehmenden Drift ins Schlagereske mit fiesen, kleinen Widerhaken. "Zu viele zahme Vögel singen von Freiheit", setzt der Refrain von "Sturmvögel" ein, bevor es dann weitergeht: "Millionen Fische treiben tot in dem Strom." Zack, schon stehen Umweltverschmutzung und Artensterben auf dem Plan, und die unbeschwerte Stimmung ist dahin. Zu oft versucht es die Band um das einzig verbliebene Gründungsmitglied, Sänger und Gitarrist Torben Möller-Meissner, dann aber doch auf die nette und gefühlsduselige Tour, was auf Dauer ziemlich ermüdet. Aufhorchen lassen die Momente, die sich abheben: "Plädoyer für die Elbmündung" klingt dem Titel nach wie ein Schulaufsatz aus dem Sozialkundeunterricht, bringt das politische Anliegen aber tatsächlich pointiert rüber. Der wütend-alberne Punkrock von "Seerovere Leed" tanzt nachhaltig aus der Reihe, zumal ein gniedeliges Gitarrensolo auch nicht unbedingt zu den Trademarks der Band gehört. Und eine unbedarfte Partynummer wie der Opener "Ahoi" tut niemandem weh und mag live durchaus eine Berechtigung haben, ebenso wie das aufgekratzte "Ich will Meer".

Gerade zum Ende hin wird es aber zunehmend dröge und eintönig, verwandelt sich der Sturm zu einer laue Brise, wogegen auch die ziemlich grausliche Ballade "Dich rufen" nichts auszurichten vermag. Denn allzu oft wird in ganz okayen Midtempo-Songs ein Hoch aufs Leben gefeiert, werden wacker Es-wird-schon-alles-gut-Parolen ausgerufen, die im nächsten Moment schon wieder vergessen sind. Dem eigenen Anspruch nach wollten Rantanplan mit "Ahoi" eine Platte aufnehmen, die Kraft, Hoffnung und Zuversicht transportiert. Als im Januar 2022 eigentlich schon alles fertig war, wurde das Material für zu düster befunden und einmal komplett in die Tonne gekloppt. Wirklich geglückt ist allerdings auch der zweite Anlauf nicht. Und vielleicht ist der Vergleich unstatthaft für eine Band, die mal ein Album namens "Pauli" aufgenommen hat, aber heuer erinnern Rantanplan ein bisschen an den HSV: Schon ewig dabei und für manch eingeschworene Nordlichter sicherlich auch ganz kultig, doch für die erste Liga reicht's in dieser Verfassung nicht mehr.

(Markus Huber)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Plädoyer für die Elbmündung
  • Seerovere Leed
  • Ich will Meer

Tracklist

  1. Ahoi
  2. Plädoyer für die Elbmündung
  3. Seerovere Leed
  4. Ozeanische Liebe
  5. Sturmvögel
  6. Alles dreht sich
  7. Wenn die Straße ein Fluss wäre
  8. Soviel schon erlebt
  9. Süßwasser
  10. Ich will Meer
  11. Land in Sicht
  12. Dich rufen
  13. Schleichfahrt of the heart
  14. Windträume
  15. Ein zwei drei
Gesamtspielzeit: 45:22 min

Im Forum kommentieren

Armin

2023-02-24 22:35:12

Tatsächlich: Song 16 und 17 der Digitalbemusterung sind nicht auf dem Album bei Spotify. Dazu haben sich drei Songtitel geändert, einer zum Negativen, weil ich keinen Grund sehe, bei "Soviel schon erlebt" das erste Wort zusammenzuschreiben.

Wir müssen natürlich mit dem arbeiten, was wir vorab bekommen. Leider erweist es sich manchmal als fehlerhaft.

Ich habe die Rezension eben entsprechend korrigiert und vermute auch, die Bewertung wäre ohne die beiden Songs auch nicht anders ausgefallen.

Gleichwohl ist es großer Mist, wenn wir so einen Satz drin haben:
Gerade zum Ende hin wird es aber zunehmend dröge und eintönig, verwandelt sich der Sturm zu einer laue Brise, wogegen auch die ziemlich grausliche Ballade "Dich rufen" oder das Akustik-Geschrammel von "Buddel voll Rum" nichts auszurichten vermögen.

Und dann zum VÖ erfahren, dass "Buddel voll Rum" gar nicht mit drauf ist und es gar nicht so dröge und eintönig wird zum Ende hin, weil der Song gar nicht drauf ist.

Im Interview der Kollegen von awayfromlife.com ist auch die Verwirrung greifbar:

Mit 17 Songs ist die Scheibe ja auch pickepacke voll. Kam euch nicht auch die Idee ein paar Lieder für die nächste Veröffentlichung zurückzuhalten?

Tatsächlich sind nur 15 Songs aus der Session auf dem Album gelandet. Den Track Buddel voll Rum haben wir auf die Unplugged Session CD draufgepackt. Eine Bonus-Scheibe für das Boxset mit Unplugged Versionen von einigen Ahoi-Songs. Einen anderen wollten wir für Sampler, oder ähnliches aufheben.


Danke jedenfalls für den Hinweis. Ich geb das auch mal weiter. Und bin gerade bei so einer sympathischen Band wie Rantanplan sicher, dass da keiner mit Absicht irgendeinen Fehler begangen hat.

MartinS

2023-02-24 17:45:21

Hatte die Promo ne andere Tracklist? Sowohl Spotify als auch der bandeigene Shop listen nur 15 Songs?!

Nach dem ersten Eindruck: Treffende Rezi inkl. Wertung. Die ersten 6 Songs gehen allesamt klar (ich mag ja "Ozeanische Liebe" irgendwie), danach ist die Trefferquote nicht mehr allzu hoch leider. Gegenüber dem Rudelalbum aber trotzdem ein deutlicher Schritt nach vorn.
Und ich versteh nicht, was man gegen den Opener haben kann ;)

Armin

2023-02-15 21:40:01- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Hier stand Ihre Werbung

2023-01-20 01:50:26

Ozeanische Liebe ist irgendwie so Stadtfestrock der heimischen Band (1-2 Slots vor dem Headliner).
Alles dreht sich hat zumindest wieder Blaeserpassagen, die dnn aber auch leider das beste am Lied sind und dafuer zu selten eingesetzt. Na gut, dann nicht.

Armin

2023-01-06 18:09:32- Newsbeitrag


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