Die Fantastischen Vier - The Liechtenstein Tapes

Rekord / Edel
VÖ: 13.01.2023
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Wie die anderen

Es ist eine Weile her, dass Die Fantastischen Vier so etwas wie Bedeutung hatten. So ein Satz schmerzt, denn bei aller Häme, die die Stuttgarter damals von selbsternannten "Realkeepern" einstecken mussten, muss man vor ihrem musikalischen Hauptwerk doch den Hut ziehen. Vor allem "Die 4. Dimension" und "Lauschgift" sind Alben, die immer noch höchst unterhaltsam sind. Danach folgten noch etliche weitere Platten, die zunehmend poppiger wurden, während spätestens seit dem Siegeszug des Gangsta-Rap die Fanta-Formel überholt wirkte. Ja, das war alles ganz nett und oft auch clever getextet, so richtig wollte der Funke aber nicht mehr überspringen. Und die Band machte das, was man in so einer Situation eben macht: Sie begann, sich auf die Verwaltung des eigenen Erbes zu konzentrieren. Hier mal eine Tour, da ein Album. Dazwischen Nebenprojekte, TV-Auftritte und viel Freizeit. Und nun also "The Liechtenstein Tapes", ein Werk, das ausschließlich Neueinspielungen bekannter Songs enthält. Na endlich.

Sarkasmus beiseite: Derlei Alben sind nur selten spannend, aber eine Chance haben die Fantas sicher verdient. Der anfängliche Optimismus verfliegt jedoch schon während der ersten Minute von "MfG". Der größte Unterschied zwischen Original und Neuinterpretation lässt sich beim Sound feststellen: Die Bläser klingen etwas wuchtiger, die Drums besitzen ebenfalls mehr Punch. Aber das war's dann auch. Die drei Rapper spulen routiniert ihr Programm ab, wobei man sich spätestens in der Hook die Frage stellt, für wen diese Version sein soll. Puristen hören das Original von "4:99" und neue Fans wird die Band mit diesem müden Abklatsch sicher nicht gewinnen.

In diesem Stil geht es leider weiter. Bisweilen kommt zwar durchaus etwas Stimmung in die Bude, so überzeugt "Endzeitstimmung" dank eines kraftvollen Arrangements und ausnahmsweise motivierter Rap-Einlagen. Songs wie "Der Picknicker" oder "Ernten was wir säen" erwecken hingegen bestenfalls den Eindruck unmotivierter Coverversionen. Immerhin wartet der letztgenannte Track mit einem soliden Gitarrensolo auf, Röhrichs Stimme wird trotzdem immer lauter im Kopf. Tut dat wirklich Not? Aber es hilft nichts, Die Fantastischen Vier kennen keine Gnade. Und so begibt es sich, dass Thomas D ein weiteres Mal den "Krieger" in die Schlacht schickt und Hausmarke in "Sie ist weg" von der Liebsten verlassen wird, wobei Smudos Einlagen klingen, als hätte er sie kurz nach dem Aufstehen eingerappt.

Eines muss man "The Liechtenstein Tapes" aber lassen: Die Zusammenstellung zeigt eindrucksvoll, wieviele Hits die Band hatte. Tracks wie "Troy", "Tag am Meer" oder "Populär" erstürmten nicht zufällig die Charts. Und da ist da ja noch dieser andere Song, Ihr wisst schon, der mit der Frau, die freitags nicht kann. Natürlich ist er auch hier vertreten, weil sonst wahrscheinlich Stuttgart implodiert wäre. Neuer, aber nicht minder totgedudelt ist das mit Clueso eingespielte "Zusammen", wobei der Track hervorragend veranschaulicht, was passiert, wenn minimaler Aufwand auf maximalen Erfolg trifft. Wäre das alles nicht so egal, könnte man es traurig finden. "Und wenn wir einmal ausziehen sollten, sind unsere Spuren unsere Hinterlassenschaft. Auf einem Boden, der uns vertraut war." Gute Nacht.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Endzeitstimmung

Tracklist

  1. MfG - Mit freundlichen Grüßen
  2. Yeah yeah yeah
  3. Danke
  4. Der Picknicker
  5. Endzeitstimmung
  6. Ernten was wir säen
  7. Einfach sein
  8. Sie ist weg
  9. Tag am Meer
  10. Krieger
  11. Hitisn
  12. Die da
  13. Troy
  14. Populär
  15. Zusammen (feat. Clueso)
Gesamtspielzeit: 67:00 min

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jo

2023-02-09 21:11:17

Nun ja, ich finde eben auch, dass sie spätestens seit "Viel" nur noch für einzelne Songs statt für Alben gut sind. Zu selten kommt mir der früher (für mich) bessere Wortwitz durch, zu selten sind mir die Kompositionen verspielt genug, um weiter Spaß zu machen (damit ist aber nicht gemeint, dass ich sie als reine Spaßcombo sehe).

Und über solche Compilations kann man nun mal schnell unterschiedlicher Ansicht sein. Warum nicht noch mehr wagen? So kann man das zwar sicher bei der Titelauswahl gut durchhören, aber richtig nötig kommt das eher nicht daher.

Das Gleiche gilt natürlich auch für den "All-Analog"-Aspekt. Ist zwar immer schön, wenn das für ein analoges Medium so gemacht wird, ob das nun aber wirklich ein Gewinn ist, ist ja auch heftigst debattiert. Ich bin eher der Ansicht, dass das Mastering "gut" sein muss (von der Aufnahme, dem Mix mal noch ganz abgesehen) - egal, ob analog oder digital. So ist es eben auch eher ein Werbegag, wenn auch sicher gut gemacht.

Robert G. Blume

2023-02-09 16:29:35

Die Liechtenstein Tapes hab ich mir auf Platte besorgt, ist durch und durch hohe Qualität und sehr wertig, was musikalisches wie technisches Handwerk betrifft. Zum Kauf überzeugt haben mich die Versionen von Krieger und Tag am Meer, die soundmäßig noch epischer und dichter sind als die Originale. Ich verstehe auch das Gemecker über die neueren Platten nicht, ich hätte mir „Cpt. Fantastic“ weitaus schlimmer, aber kaum besser vorstellen können.

jo

2023-02-08 23:15:20

Stimme den letzten beiden Beiträgen komplett zu. Ging/Geht mir hier sehr ähnlich wie Christopher.

fuzzmyass

2023-02-08 23:00:16

Vierte Dimension und Lauschgift sind auch heute noch absolut klasse Alben... 4:99 und Viel waren okay und nicht schlecht, danach ging es dann in den Keller... die ersten beiden sind teilweise krass Infantil und albern, haben aber auch ein paar nette Highlights

Christopher

2023-02-08 22:14:46

@Z4: Auch wenn du am Baiten bist, möchte ich etwas ausführlicher antworten:

Bin mit ihnen aufgewachsen und hatte damals echt Spaß mit "Lauschgift". War eines der ersten deutschsprachigen Rap-Alben überhaupt für mich und echt kein schlechter Einstieg. Man muss halt immer bedenken, dass die Fanta 4 behütete Jungs aus dem Ländle sind, die Rap ganz cool fanden und dann irgendwie zu Superstars geworden sind. Sie hatten schon sehr früh diesen Pop-Appeal, womit sie natürlich angreifbar wurden, aber man muss auch anerkennen, dass sie für Deutschrap viele Türen geöffnet haben.

"4:99" markiert dann den Wendepunkt für mich. Da war der Sound plötzlich viel zahmer und auch wenn es noch gute Einzelsongs wie "Le Smou" gab, fehlte erstmals dieser gewisse anarchische Geist, der die frühen Alben auszeichnete. (Ich liebe so Blödsinn wie "Brems 2000".)

"Viel" und "Fornika" sind dann sowas wie die letzten halbwegs brauchbaren Alben. Vor allem die Smudo-Tracks mag ich da, z.B. "Du mich auch". Das Zeug danach gibt mir gar nix mehr. Und ja, das würde ich dann auch echt peinlich nennen.

Wie ich in der Rezi schrieb, sind sie seit mindestens einer Dekade in der Verwaltungsphase. Sei ihnen gegönnt, aber so einen Quatsch wie dieses aktuelle Werk hätte es einfach nicht gebraucht.

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