Titus Andronicus - The will to live

Merge / Cargo
VÖ: 30.09.2022
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Rock'n'Roll-Sparflamme

Was bei Titus Andronicus noch so kommen mag, fragte sich Kollege Makolies in seiner Rezension zu "An obelisk". Patrick Stickles' Antwort: "The pursuit of Ultimate Rock." Wer bei besagtem Album gehofft hatte, die Rückkehr zu den Punk-Wurzeln sei eine nachhaltige, bekommt vom Frontmann des New-Jersey-Vierers erst einmal seine Stones-, The-Who- und Springsteen-Platten ins Gesicht geworfen. Nicht weniger als ein Äquivalent zu "Born in the U.S.A." solle es diesmal sein, ein stilbildendes Werk, ein Great American Record. "The will to live" knüpft am ehesten an "A productive cough" an, jenen Moment der Abkehr vom progressiven Indie-Punk, den die Band auf ihrem Zenit prägte – ist vom Gestus her aber deutlich weniger introvertiert, dafür aufbrausender und maximalistischer. Die in den Obelisken eingemeißelte Wut ist größtenteils verraucht, stattdessen könnten die jaulenden Licks und Soli des instrumentalen Intros "My mother is going to kill me" auch Bumper aus dem Classic-Rock-Radio sein. Sofern man keine Aversion gegen diesen Sound hegt, ist die grundsätzliche Ausrichtung kein Problem – wohl aber, dass Titus Andronicus hier zum ersten Mal an ihren groß angelegten Ambitionen scheitern.

"How you're gonna turn the screws on me?" fragt die Lead-Single "(I'm) Screwed" immer wieder in ihrer mehrstimmigen Hook, bevor sie den Vater des Ich-Erzählers als angesprochenen Unterdrücker entlarvt. Eigentlich ein ganz typischer Titus-Andronicus-Track: Elektrisiert und kämpferisch wühlt sich die Band durchs Elend, die Energie passt auch und wird von Produzent Howard Bilerman – der zu Zeiten von "Funeral" übrigens noch Drummer bei Arcade Fire war – kompetent konserviert. Der Spaßfaktor kann das repetitive Songwriting hier noch kaschieren, was für den schleppenden Piano-Rock von "I can not be satisfied" oder "Baby crazy" mit seinem latent nervigen "Baby goin' crazy / Oh yeah"-Refrain höchstens bedingt gilt. Das tatsächliche Niveau der Kompositionen wird dem hohen an sich selbst gesteckten Ansprüchen schlicht nicht gerecht. Eine mittelschwere Zumutung ist inzwischen leider auch Stickles' Stimme. Der unheimlich einnehmende, kraftvolle Charakter von Großtaten wie "A more perfect union" ist zwar schon länger Geschichte, doch während ihre kaputte Verzweiflung auf "A productive cough" noch zu dessen Selbstgeißelung passte, klingt sie hier einfach nur noch schwachbrüstig.

Dementsprechend ist "Bridge and tunnel" eines der größten Highlights, ein stürmischer Saiten-und-Tasten-Galopp mit dezenter Shanty-Schlagseite, der in der zweiten Hälfte verstummt und mystischen Frauengesängen die Bühne überlässt, als wäre er wirklich an einer Sirenenlichtung angekommen. Es ist der spannendere von zwei Siebenminütern auf dem Album, weil "An anomaly" bar eines endlosen Solos komplett auf der Stelle tritt. Glanzpunkte setzt die Band eher, wenn sie schneller auf den Punkt kommt: Wenn "Dead meat" doch wieder das Gift spuckende Tischkarussell aus dem Schrank holt oder die wundervolle Melodie des Bläser-unterstützten "Give me grief" den Boss applaudieren lassen dürfte. Kurz vor Schluss bringt das hoffnungsstiftend betitelte "We're coming back" sogar die alte Euphorie aus "The monitor"-Zeiten zurück. "The will to live" enthält genug solcher Momente, um die Prognose zu untermauern, dass Titus Andronicus trotz der nach unten zeigenden Kurve immer noch einen ganz großen Wurf im Köcher haben – auch wenn der "Ultimate Rock" erst einmal noch unangetastet bleibt und es diesmal nicht für ihr "Born in the U.S.A." gereicht hat. Wenigstens ist es auch kein "Human touch" geworden.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bridge and tunnel
  • Give me grief
  • We're coming back

Tracklist

  1. My mother is going to kill me
  2. (I'm) Screwed
  3. I can not be satisfied
  4. Bridge and tunnel
  5. Grey goo
  6. Dead meat
  7. An anomaly
  8. Give me grief
  9. Baby crazy
  10. All through the night
  11. We're coming back
  12. 69 stones
Gesamtspielzeit: 51:05 min

Im Forum kommentieren

Hubble

2022-10-01 13:24:09

Die Rezension trifft es meiner Meinung nach auf den Punkt.

Armin

2022-09-21 21:07:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Coaxaca

2022-07-25 19:34:17

"(I'm) Screwed" macht Laune und hätte in dieser Form auch auf das letzte Album gepasst. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob ich so etwas wirklich noch einmal brauche. Stickles klingt noch heruntergekommener als zuletzt und der Song dreht sich 4 Minuten lang um dieselbe Gesangsmelodie. Noch unschlüssig...

Armin

2022-07-25 19:21:36- Newsbeitrag

TITUS ANDRONICUS

kündigen neues Album an |

„The Will To Live“ erscheint am 30. September über Merge Records |

Video zur zweiten Single „(I'm) Screwed“ bereits online |



Die ehrwürdige Rock-Institution TITUS ANDRONICUS hat bereits letzte Woche die lang erwartete Veröffentlichung ihres siebten Studioalbums „The Will To Live“ angekündigt, das am 30. September über Merge Records erscheint.

Produziert von TITUS ANDRONICUS Singer-Songwriter Patrick Stickles und dem preisgekrönten kanadischen Produzenten Howard Bilerman (ARCADE FIRE, LEONARD COHEN, THE WHOLE NINE YARDS) in dessen hotel2tango Aufnahmestudio in Montreal, wurde „The Will To Live“ durch die Premiere der mitreißenden ersten Single „(I'm) Screwed“ eingeläutet, die bereits auf allen DSPs und Streaming-Diensten zu hören ist. Das offizielle Musikvideo von Regisseur Ray Concepcion, in dem die Band auf einem Pritschenwagen während der Independence Day Parade in ihrer Heimatstadt Glen Rock, NJ, auftritt, ist seitdem auch auf YouTube zu sehen.

Stickles zur Single: „In „(I'm) Screwed“, we are introduced to the narrator of „The Will To Live“ at the moment he realises the walls are closing in. Be it real or imagined, he feels the pressure building on all sides, a feeling to which many of us can relate, I imagine. His faith and fortitude are tested like never before, and the narrative of the album will reveal whether that pressure crushes him or produces a diamond.”



Mit „The Will To Live“ laden TITUS ANDRONICUS den Hörer auf eine Reise von der Angst zum Glauben, von der Wut zur Akzeptanz, von der Trauer zur Dankbarkeit ein, immer auf der Suche nach dem mythischen Ideal des ultimativen Rock. In Anlehnung an maximalistische Rock-Epen von „Who's Next“ bis „Hysteria“ hat die Band ihr bisher reichhaltigstes, dichtestes und härtestes Album geschaffen, das die Weite und den Umfang ihres meist gefeierten Werks erreicht und gleichzeitig ihren ehrgeizigen Angriff effektiver als je zuvor gestaltet.

„It may strike some as ironic we had to go to Canada to record our equivalent to „Born In The USA,” sagt Stickles, „but the pursuit of Ultimate Rock knows no borders.”

TITUS ANDRONICUS kehrten im November 2021 auf die Bühne zurück, um den Jahrestag ihres bahnbrechenden zweiten Albums „The Monitor“ von 2010 zu feiern. Die Tatsache, dass sie dieses Material vor einem ekstatischen Publikum spielten, ließ Stickles entschlossen zurück, ein Album abzuliefern, das dieselben Höhen erreichen würde, wobei sie sich diesmal weniger auf das unbekümmerte Feuer der Jugend verließen, sondern mehr auf die Erfahrung und die Perspektive, zu der eine Band erst mit tausend Shows im Gepäck gelangt.

Um diesen Grad an Konzentration und Klarheit zu erreichen, musste Stickles an der Schnittstelle zwischen Triumph und Tragödie stehen. Er schreibt seine neu gefundene häusliche Glückseligkeit und seine unerschütterliche mentale Gesundheit für seine persönliche Stabilität in letzter Zeit ebenso zu wie die Ausdauer der mittlerweile am längsten bestehenden Besetzung von TITUS ANDRONICUS - Liam Betson an der Gitarre, R.J. Gordon am Bass und Chris Wilson am Schlagzeug - die alle auf dem 2018er Album „A Productive Cough“ und dem 2019er Album „An Obelisk“ vertreten sind. Auf der grausameren Seite der Medaille entstand „The Will To Live“ zum großen Teil als Versuch, den vorzeitigen Tod von Matt „Money“ Miller, dem Gründungs-Keyboarder der Band und Stickles' engstem Cousin, im Jahr 2021 zu verarbeiten. Das Ergebnis erweist sich als Meilenstein für TITUS ANDRONICUS, ein ehrgeiziges, nach vorne gerichtetes Werk, das an der Schnittstelle von Triumph und Tragödie steht, angetrieben von neu gefundenem Fokus und Klarheit, und das eine einzigartig begabte Rock'n'Roll-Band auf dem Höhepunkt ihrer kreativen Kräfte zeigt.

„Certain recent challenges, some unique to myself and some we have all shared, but particularly the passing of my dearest friend, have forced me to recognise not only the precious and fragile nature of life, but also the interconnectivity of all life,” sagt Stickles. „Loved ones we have lost are really not lost at all, as they, and we still living, are all component pieces of a far larger continuous organism, which both precedes and succeeds our illusory individual selves, united through time by (you guessed it) the will to live. Recognition of this self-evident truth demands that we extend the same empathy and compassion we would wish for ourselves outward to every living creature, even to those we would label our enemies, for we are all cells in the same body, sprung from a common womb, devoted to the common cause of survival. Naturally, though, our long-suffering narrator can only arrive at this conclusion through a painful and arduous odyssey through Hell itself – this is a TITUS ANDRONICUS record, after all.”



Track listing
1. My Mother Is Going To Kill Me
2. (I'm) Screwed
3. I Can Not Be Satisfied
4. Bridge And Tunnel
5. Grey Goo
6. Dead Meat
7. An Anomaly
8. Give Me Grief
9. Baby Crazy
10. All Through The Night
11. We're Coming Back
12. 69 Stones

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