Unhappybirthday - Stella loops
Tapete / IndigoVÖ: 09.09.2022
Traum und Zeit
"Die Gitarre muss jetzt klingen wie Schmelzkäse." Durchaus schmackhafte Anforderungen, die Unhappybirthday-Sänger Daniel Jahn laut einem Podcast-Interview zuweilen an seinen Kollegen Tobias Rutkowski stellt – und mal was anderes als Mehlsoße aus Streichern oder marmeladene Saxofone. Die es bei den Hamburgern aber ohnehin nicht gibt: Trotz aller Wolkenverhangenheit und Nebulösität im Sound gehorcht ihr Dream-Pop einem formschönen Minimalismus, bei dem es oft rumpelt und wobbelt, aber nie schmalzt und schleimt. "Fang die Stimme, jag den Traum", lädt Jahn im Opener "Nova" zum wattierten Orientierungslauf durchs Schemenhafte, während in sich gekehrte UK-Garage-Rhythmusmuster zischeln und exotische Vögel aus der Soundbibliothek piepsen. Auch die Riffs sind alles andere als käsig, sondern zerteilen diese somnambule Musik höchst präzise. Aber Vorsicht: Es geht nicht etwa mit dem Yacht-Rock-Dampfer auf die Balearen, wie man ob der schwülen Atmosphäre vermuten könnte.
Nein, Unhappybirthday wollen höher hinaus. Idealerweise Richtung Weltraum, zumal für viele Songs ihres fünften Albums Science-Fiction-Erzählungen aus der DDR als Inspiration dienten und sich das Instrumental "Eolomea" den Titel bei einem DEFA-Genrefilm aus dem Jahr 1972 borgt – vom jungen Rutkowski vermutlich noch an seinem Geburtsort Wismar inhaliert. Heraus kommt dabei so herrlich Abgehobenes wie der unruhige Groove-Karton "Überall", der sich sofort ins kosmische Zappelzentrum ohrwurmt – hinreißend, dass dazu ausgerechnet Andreas Dorau als zweite Stimme zum interplanetarischen Lounge-in lädt. Doch ein "Fred vom Jupiter" kann nun mal zum tiefenentspannten Downbeat-Abspacen nicht nein sagen. Zumindest im Geiste anwesend und auf "Stella loops" beinahe noch besser aufgehoben: die rätselhaften Schweizer Lo-Fi-Elektroniker Die Welttraumforscher, deren "Lass uns überlegen" Unhappybirthday angemessen entrückt interpretieren – mit Vocoder statt Autotune, versteht sich. Ein Robotermärchen.
Begriffe wie Post-Punk oder Cold Wave, mit denen sich die Hanseaten zu Beginn ihrer Karriere noch herumschlagen mussten, sind auf "Stella loops" also ähnlich fehl am Platze wie auf dem Vorgänger "Mondchateau" – schließlich parkt Gitarrist Rutkowski derartige Aspekte seines Schaffens inzwischen bei der Zweitband Grundeis. Stattdessen forciert Jonas Meyer, Produzent und nunmehr drittes Mitglied, die unterschwellig kickende synthetische Grundausrichung noch ein wenig mehr: Emulierte Flöten verleihen dem konzisen Midtempo-Knack des einlullenden "Phantom" die Portion Seligkeit, an der sich Metronomy oft vergeblich abarbeiten, "Transit" lässt sich ähnlich viel Zeit und bewertet das "Schaum"-Highlight "Iden" mit Keyboard-Tupfern und akkurat getaktetem Breakbeat überzeugend neu. Noch ein paar echte Flötentöne gefällig? Die lässt niemand Geringeres als Jimi Tenor im Closer da – und adelt so ein Album, das im Grunde gar keine großen Namen nötig hat. Denn "Stella loops" ist auch so zum Dahinschmelzkäsen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Überall
- Transit
- Phantom
Tracklist
- Nova
- Überall
- Eolomea
- Gus
- Transit
- Lass uns überlegen
- Luxor
- Phantom
- Jimmy
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2022-09-14 09:18:31
Kennt noch jemand Brockdorff Klang Labor? Gemixt mit Air gibt das hier (zumindest den Opener)
Armin
2022-09-05 20:56:48- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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