Slime - Zwei

Slime / Edel
VÖ: 15.07.2022
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Spalter!

Gründung: 1979. Bandgeschichte: über 40 Jahre. Zu Slime, einer der wichtigsten Deutschpunk-Bands, ist vieles gesagt. Die Vorgeschichte zu ihrer neuen Platte "Zwei" jedoch hat es in sich. Denn eigentlich, ginge es nach Ex-Vokalist Dirk "Diggen" Jora, existieren Slime seit dessen Ausstieg nicht mehr. Er kündigte seinen Job am Mikro mit Einsetzen der Pandemie, aus persönlichen Gründen, wie es hieß. Das bemerkenswerte Spätwerk "Wem gehört die Angst" stand in den Startlöchern, die Jubiläumstour ebenso, da traf die Entscheidung die übrigen Slime-Mitstreiter*innen hart. Erst einmal Leere. Nachdem die Tour Corona-bedingt abgeblasen worden war, kam es ein paar Wochen später zum Aha-Effekt im Proberaum. Der Berliner Straßenmusiker und -sänger Tex Brasket kam mehr oder weniger zufällig zu Slime, überzeugte mit Reibeisen-Organ und seinen Gesangs-Interpretationen von so manchem Gassenhauer der Band. Bei Bassistin Nici, den Gitarristen Elf und Christian Mevs sowie Drummer Alex Schwers entfachte er neue Lust an alten Stücken. Weitere gemeinsame Ideen entstanden. Weitermachen! Eine so verständliche wie schwierige Entscheidung. Und ein Beigeschmack bleibt, zumal Diggen sich Ende 2021 diese Verbalgrätsche in Richtung der alten Weggefährt*innen nicht verkneifen kann. Das Echo: geteilt.

Und nun? Hockt man da als Rezensent mit diesem "Zwei" und kann beide Seiten verstehen. Mit einem Album, das man aufgrund der Spielzeit von mehr als einer Stunde als Brocken einordnen mag, vielleicht aber auch gar als Neuanfang bezeichnen muss. Etwa, weil es die gewohnt sozialkritische, antifaschistische Welt Slimes häufig verlässt, eher persönlich wird wie im Opener "Komm schon klar", in dem Brasket von seinem Leben auf der Straße berichtet. Ja, die Gitarren jaulen, das Schlagzeug drückt, authentisch klingt das auch. Fakt ist aber, und das wird einige Weggefährten vergraulen: Joras Stimme, seine kühl-brutale Distanz, war, ist und bleibt ein absolutes Hauptmerkmal der Band. Folgerichtig halten wir fest: Slime klingen 2022 nicht mehr so sehr nach Slime. Automatisch verortet man das alles mehr in Richtung Stadion. Nicht etwa, weil Slime anno 2022 extrem glatt klängen. In Kombination mit Braskets Lyrics und Sichtweise auf das Leben jedoch ist die Veränderung vielschichtig. Das macht hymnische Kleinode wie "Outlaw" sicher nicht schlechter. Doch Veränderungen brauchen Zeit und es stellt sich die Frage, inwiefern Slime als Deckel zu den neuen Songs wirklich passt.

Bei hymnischen Songs wie "Heute nicht" kommen einem schnell Broilers und Co. in den Sinn. Ein echter Hit. Aber irgendwie kein Slime-Hit. Ähnlich verhält es sich mit dem persönlichen Stück "Lieben müssen". Sich als Punk einfach mal entschuldigen? Warum nicht, mit dem Alter kommt die Weisheit, oder wie war das noch gleich? Mit eingängigen Knallbonbons geizen Slime nicht, da gibt es einige auf "Zwei". Manchmal mit gitarrenverstromter Breitseite wie in "Weil fickt Euch alle", manchmal im thematisch abgeranzten Gewand wie zur Szene-Schelte "Nix von Punkrock". Oder auch selbstkritisch, wenn in "Bester Freund" die persönliche Sucht und Abhängigkeit gemeint ist. Leider gibt es auch halbgare Ideen wie "Taschenlampe", irgendwo am Übergang von Singer-Songwriter zum Slime-Sound. Besser gelingt dieser Ansatz mit der Akustischen in der Abgrenzungs-Hymne "Sein wie die", wobei das Thema, freundlich formuliert, auch schon mal jemand anderes ansprach.

Große Überraschungen gibt es neben Braskets Stimme und seinem songschreiberischen Einfluss dann im Grunde nicht. Dafür eine gute Stunde lang Riffs, Strophen, Refrains, Bridges, Soli, Refrains. Punkrock kann und soll so. Doch ein paar Füller hat dieses "Zwei" leider auch. So etwas wie "Weggefegt" lässt sich aushalten, Peinlichkeiten wie "Ebbe und Flut zwei" und vor allem "Mea culpa", das in seinem plump-arroganten Habitus irgendwo sogar an kahlrasierte Frankfurter Klopse erinnert, eher nicht. Quo vadis? Was aus Slime wird, hängt wohl auch von der Szene ab. Ob die Anhängerschaft sich spaltet wie Teile der Gesellschaft, müssen die Punker*innen da draußen entscheiden. Und wir hier im Glashaus schauen, was es über Slime noch zu sagen geben wird.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Komm schon klar
  • Heute nicht
  • Sein wie die

Tracklist

  1. Komm schon klar
  2. Heute nicht
  3. Nix von Punkrock
  4. Safari
  5. Bester Freund
  6. Taschenlampe
  7. Mea culpa
  8. Outlaw
  9. Sein wie die
  10. Weil fickt Euch alle
  11. Weggefegt
  12. Wut im Bauch
  13. Auf die Jagd
  14. Lieben müssen
  15. Scheiß Beerdigung
  16. Ebbe und Flut zwei
Gesamtspielzeit: 61:01 min

Im Forum kommentieren

Sloppy-Ray Hasselhoff

2022-08-01 22:05:33

Versteh ich gut, wenn man meine Ausführungen nicht versteht. Es fällt einfach schwer, eine Slime-Platte mit den Onkelz in Verbindung zu bringen. Das nervt. „Mea Culpa“ riecht nicht nur nach Onkelz, sondern schmeckt auch danach. Den hätten sie sich einfach sparen sollen. „Gleichzusetzen“ wär aber zu viel. Man kann einen Song nicht über eine gesamte Banddisco stellen. Mich stören einfach manche plumpe Textzeilen. Mich stört die glanzpolierte Produktion. Mich stört „Mea Culpa“ und am allermeisten stört mich, dass da „Slime“ draufsteht.

Autotomate

2022-08-01 21:06:39

Ein Lied darauf heißt „Religion“. Auf E.I.N.S haben sie dann noch ein Lied mit dem Titel „Kirche“ veröffentlicht, das thematisch „Mea Culpa“ in nichts nachsteht.

Gut, die Lieder haben jeweils Kirchen- und Religionskritik zum Thema, das ist ja auch beim Slime-Klassiker "Religion" so. Dass hier ähnliche Themen aufgegriffen werden, ist für mich kein Grund, die Bands gleichzusetzen. Aber egal: Diese unangenehme sadistische Gewaltansprache zumindest kommt nur in "Mea Culpa" vor, nicht in den anderen 3 genannten Songs...

zurueck_zum_beton

2022-08-01 20:30:35

@Sloppy-Ray
Verzeihung, ich will hier kein Germanisten-Seminar aus einem Forum machen. Aber ich habe jetzt mehrmals sämtliche Beiträge von dir zum Thema Slime gelesen und versucht zu verstehen, was du mitteilen willst. Mit Ausnahme des letzten Absatzes ist mir Letzteres nicht möglich.
Was willst du sagen? Es interessiert mich, weil durchscheint, dass du dich mit ihnen stark auseinandergesetzt hast. Aber es ist komplett unverständlich.

Sloppy-Ray Hasselhoff

2022-08-01 14:49:44

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich hab mich mit der Boyband aus FF vor einigen Jahren beschäftigt, weil mich dieses Phänomen Onkelz interessiert hat und wie man mit einer sich wiederholenden Klopperei über Eigen- und nicht Fremdseelisches ein derart breites Publikum erreicht. Das könnt man im Onkelz-Fred näher beleuchten. Was Mister X da von sich gibt, ist ja haarsträubend. Tonmaterial (Bootlegs) aus den frühen 80ern vermitteln eine Rechtsrockband. Ich hab mich für eine Meinungsbildung über Kontakte an Material zuscheißen lassen und die Biografie (natürlich aus Bandsicht) gelesen.
Um die Frage von Tomate zu beantworten: Der Erstauflage der Bandbiografie lag eine CD bei mit unveröffentlichten Liedern. Ein Lied darauf heißt „Religion“. Auf E.I.N.S haben sie dann noch ein Lied mit dem Titel „Kirche“ veröffentlicht, das thematisch „Mea Culpa“ in nichts nachsteht. Mea Culpa ist Onkelz-Mush-Up tauglich. Traurig.

MartinS

2022-08-01 07:32:07

So richtig geil fand ich die Band eh nur in Zeiten von Stephan Mahler.

Endlich sagts mal jemand.

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