Warpaint - Radiate like this

Heirlooms / Virgin / Universal
VÖ: 06.05.2022
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Erhobene Häupter

Nach "Heads up", der letzten Platte des Quartetts Warpaint aus dem Jahr 2016, wurde es ruhig um die US-Amerikanerinnen. Das Album kam nicht nur hierseits so semigut an, verfing sich vielleicht ein wenig zu sehr im Ungefähren und wirkte relativ verkopft. Die Pause hat die Band aus Los Angeles effektiv genutzt. Es standen in der Zwischenzeit Familiengründungen und Umzüge an. Man vergisst das zu leicht, aber insbesondere in einer reinen Frauenband können diese privaten Themen schon mal den Bremsklotz reinhauen. Doch auch musikalisch haben die Damen das ein oder andere interessante Projekt in den vergangenen Jahren angestoßen. Drummerin Stella Mozgawa arbeitete mit Slacker-Posterboy Kurt Vile zusammen und, noch wichtiger, koproduzierte "Things take time, take time", das fabulöse dritte Album von, nun ja, Slacker-Postergirl Courtney Barnett. Gitarristin Theresa Wayman veröffentlichte unter dem googleunfreundlichen Alias TT die Soloplatte "LoveLaws", für die sie von Bassistin Jenny Lee Lindberg unterstützt wurde. Nun also "Radiate like this" und, keine Überraschung, Slacker-Sounds finden sich hier dann doch nicht. Eher: Dreampop, durch den sich psychedelische Schlieren ziehen, weniger sphärisch als der Klang, den Beach House kultiviert haben, dafür etwas ausufernder, mäandernder. Nach "Heads up" lässt sich sagen: Die Formkurve zeigt klar nach oben.

Dies bezeugten bereits die vorab ausgekoppelten Singles: "Champion", gleichzeitig auch der Opener, wirkt wie eine sanfte Beschwörungsformel, die einen dennoch in den Bann zieht. Die Beats klappern stoisch, der Gesang wickelt den Hörer in seiner Mehrstimmigkeit mit einem Lächeln um den Finger. Warpaint beherrschten sie ja schon immer, die Kunst des sich ins beinahe Hypnotische steigernden Strudels. Wer also einstmals "Undertow" wunderbar fand, wird an "Champion" kaum vorbeikommen. "Hips" wirkt dagegen etwas weniger zugänglich, Warpaint kreuzen hier verwinkelten Psych-Pop und Freak-Folk. Wer versucht, hierzu durch die Wohnung zu tänzeln, darf die Nummer für den danach anstehenden Physiotherapeutenbesuch schon mal bereithalten. Diese beiden Songs stecken sogleich das Feld ab, das die vier Kalifornierinnen mit ihrem vierten Album bestellen: Auf der einen Seite ultraeingängige Momente, geschult am glanzvollen Dreampop. Cocteau Twins, Mazzy Star und Co. haben hier merklich ihre Spuren hinterlassen. Auf der anderen Seite aber auch komplexer, schattiger 80s-New-Wave, der sich ungern in die Karten schauen lässt.

Mit "Stevie" trauen sich Warpaint dann einen astreinen, samtweichen R'n'B-Song zu, der mit einer Eleganz dahinschmelzt, die man so nicht unmittelbar kommen sah. Zwar gab es solche Tendenzen im Sound der Band schon länger, doch mit diesem Track haben sie mustergültig bewiesen, dass sie auch lasziven Soul im Portfolio haben. Während "Stevie" sich also relativ bald als Highlight herausstellt, überzeugen andere Kompositionen erst nach mehrmaligem Hören. Hier wird nachgereift! "Trouble" ist ein edles Stück Pop-Musik, Streicher durchwehen den vorsichtigen Song, betörende Stimmen fließen ineinander, während das Piano die Führung durch diesen Irrgarten der Versuchung übernimmt. Das abschließende "Send nudes" kommt dann als intimer, reduzierter Folksong daher: Die Saiten werden nur ganz zart gezupft, die Drums setzen zum sachten Beat an, minimale Keyboardflächen verleihen dem Song eine zweite Ebene. Wer hier vielleicht an die tolle, aber noch recht unbekannte Künstlerin Billie Marten denken muss, liegt gar nicht so daneben. Warpaint lassen hier so viel Nähe zu wie selten zuvor. "Radiate like this" profitiert davon ungemein. Die Hörer auch. Diese Band ist nämlich in der Form ihres Lebens.

(Kevin Holtmann)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Champion
  • Hard to tell you
  • Stevie
  • Send nudes

Tracklist

  1. Champion
  2. Hips
  3. Hard to tell you
  4. Stevie
  5. Like sweetness
  6. Trouble
  7. Proof
  8. Altar
  9. Melting
  10. Send nudes
Gesamtspielzeit: 41:36 min

Im Forum kommentieren

Affengitarre

2024-01-25 16:23:28

Bin auch bei der warmen Sommernacht, da lief es bei mir auch verdammt oft.

The MACHINA of God

2024-01-25 13:37:47

Interessant, ich verbinde es eher mit warmen Sommernächten... könnte aber auch am Primavera-Konzert liegen. Aber ist ja auch egal, grandioses Album.

squand3r

2024-01-25 13:27:46

lets keep the Appreciation Train going, seit Release mein Forever-Album für die kalte Jahreszeit.

The MACHINA of God

2023-11-30 10:53:43

Jepp. Find es auch immer noch grandios.

Zappyesque

2023-11-30 10:09:54

Absolut

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum