Kraftwerk - Remixes

Parlophone / Warner
VÖ: 25.03.2022
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nichts ist neu

Ein Satz, den man über Kraftwerk wohl nie hören wird: "Die gibt's immer noch?" In gewisser Weise wird es Kraftwerk nämlich immer geben – auch nach dem Tod von Florian Schneider-Esleben und darüber hinaus. Zu egal ist es, wer bei den Shows der Düsseldorfer Elektro-Altvorderen nun eigentlich hinter den Pulten steht, solange es vier Personen sind, zu visionär wirken ihre Platten musikalisch wie inhaltlich noch heute, zu loyal sind ihre Fans, die in Rekordzeit sämtliche Konzert-Tickets abgrasen und jeden neuen Release sofort kaufen. Ja, auch diese über zweistündige Remix-Sammlung mit überwiegend bekanntem Material, die digital bereits 2020 erschien und jetzt physikalisch vorliegt. Recht so, denn – herrlich widersprüchliche, anachronistische These – wer sich Kraftwerk nicht auf Vinyl besorgt, hat diese Roboter nie wirklich geliebt. Und darf aufhören zu lesen.

Noch da? Gut, dann sind wir ja unter uns. Und stellen anlässlich des von "Musique non stop" abgeleiteten Openers "Non stop" gleich mal klar, dass das oft verschmähte und nachträglich in "Techno pop" umbenannte Album "Electric café" von 1986 in Wirklichkeit ein Meisterwerk ist. Die minimalistische dreiteilige Suite auf der A-Seite steht dem Proto-DJ-Mix aus "Trans Europa Express", "Metall auf Metall" und "Abzug" in nichts nach, die swingenden Pop-Songs auf der B-Seite antizipieren listig Dating-Apps, Liebe auf Distanz und Kaffeekränzchen bei Zoom. Im Grunde ist "Non stop" zwar lediglich ein 30-sekündiges MTV-Jingle und gehört nicht zu den stärksten Momenten auf "Remixes", aber die ungerührte Selbstverständlichkeit, mit der diese Skizze zum Achteinhalbminüter hochgemischt wird, amüsiert zweifelsohne. Ein typischer Kraftwerk-Move.

Eine Skizze – und doppelt so teuer wie das Deutsche-Bahn-Logo – war ursprünglich auch die Erkennungs-, nun ja, Melodie der Weltausstellung Expo 2000. Für Ralf Hütter und Kollegen ein Leichtes, zwei randvolle Maxi-Singles daraus zu machen, aus denen es gleich sieben Versionen auf "Remixes" geschafft haben. Die seinerzeit aktuelle Inkarnation des Line-Up-fluiden Detroiter Techno-Kollektivs Underground Resistance gibt sich dabei genauso die Ehre wie Orbital und Kraftwerks Studio-Sozius François Kevorkian, doch es wird eher Kalkül als Zufall sein, dass der eigene "Kling Klang mix 2002" dank dynamischer Basslinie am besten wegkommt. Ebenfalls rasante Marke Eigenbau: die "Die Roboter"-Variation "Robotronik" aus der Frühneunziger-"The mix"-Ära, die mit steifer Electro-Sequenz punktet. Selbst bei Kraftwerk ist schließlich nichts gelber als gelb selber.

Neu ist auf "Remixes" also so gut wie nichts, sieht man von "Non stop" sowie einer leicht modifizierten "Tour de France"-Etappe und der angenehm pointierten 2021er-Fassung von "Home computer" ab. Auch nicht die Mixes von Tracks aus der "Tour de France soundtracks"-Phase, die es allerdings in sich haben: Das ohnehin knackige "Aéro dynamik" gewinnt ungemein dadurch, dass die französischen House-Granden Etienne De Crécy und Alex Gopher dem Stück eine großzügige Portion Acid verpassen, und auch Hot Chip haben etwas zum Thema zu sagen. Doch warum geht in ihrem "King of the mountains mix" von "La forme" eine getupfte Ambient-Sonne auf, die an "Onward" vom britischen Dubstep-Stimmungsarchitekten Forest Swords erinnert? Muss an diesem "Musik als Träger von Ideen" liegen. Denn wenn das bei Kraftwerk nicht funktioniert, wo denn sonst?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Robotronik (Kling Klang mix)
  • Expo remix (Kling Klang mix 2002)
  • Home computer (2021 single edit)
  • Aéro dynamik (Etienne De Crécy / Alex Gopher dynamik mix)
  • La forme (King of the mountains mix by Hot Chip)

Tracklist

  • CD 1
    1. Non stop
    2. Robotnik (Kling Klang mix)
    3. Robotronik (Kling Klang mix)
    4. Radioactivity (William Orbit hardcore mix - Kling Klang edit)
    5. Radioactivity (François Kevorkian 12" remix)
    6. Expo remix (Kling Klang mix 2002)
    7. Expo remix (Kling Klang mix 2001)
    8. Expo remix (Orbital mix)
    9. Expo remix (François K + Rob Rives mix)
    10. Home computer (2021 single edit)
  • CD 2
    1. Expo remix (DJ Rolando mix)
    2. Expo remix (Underground Resistance mix)
    3. Expo remix (UR thought 3 mix)
    4. Aéro dynamik (Kling Klang dynamix)
    5. Aéro dynamik (Alex Gopher / Etienne De Crécy dynamik mix)
    6. Aéro dynamik (François K. aero mix)
    7. Aéro dynamik (Intelligent design mix by Hot Chip)
    8. La forme (King of the mountains mix by Hot Chip)
    9. Tour de France (Etape 2)
Gesamtspielzeit: 125:52 min

Im Forum kommentieren

Ein Schätzer

2024-03-23 11:25:11

Sie sind generell über jeden Zweifel erhaben, aber das als eine neue Platte zu bezeichnen, ist nicht deshalb schon fast ein Hohn, weil nicht nur keine neuen Tracks produziert, sondern weil diese Remixe in diesen Versionen fast ausschließlich allesamt schon auf diversen Tonträgern veröffentlicht wurden. Es ist also nur eine Zusammenstellung mit dem Bonustrack "Non Stop".

Armin

2022-04-06 20:11:25- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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