
Red Hot Chili Peppers - Unlimited love
WarnerVÖ: 01.04.2022
On-off-Beziehung
John Frusciante und die Red Hot Chili Peppers haben ein seltsames Verhältnis zueinander. Unbestreitbar hat der Gitarrist die Musik des kalifornischen Funk-Rock-Quartetts wesentlich geprägt. Die großen Hits ohne Frusciantes markantes Spiel? Ähnlich undenkbar wie die Stücke ohne Fleas Bass. Und doch: Auf der Hälfte der Studio-LPs glänzt Frusciante durch Abwesenheit – und "Unlimited love" stellt mit seiner erneuten Rückkehr gerade einmal so das Gleichgewicht in der Diskografie her. Diesmal war seine Auszeit von den Chili Peppers fast doppelt so lang wie Mitte der Neunziger sein Trip nach "unbekannt verzogen" in den Drogensumpf. Josh Klinghoffer machte auf den Vorgängern "I'm with you" und speziell auf dem stellenweise schon mutigen "The getaway" eine gute Figur, aber die Chemie war nicht die gleiche. Das große Wiedersehen nun also. Gibt es dafür wirklich "Unlimited love"?
Als Frusciante 1988 zum ersten Mal in die Band einstieg, folgte mit "Mother's milk" ein Quantensprung gegenüber den teils spaßigen, aber wenig ausgereiften Frühwerken. Mit seiner Rückkehr kurz vor der Jahrtausendwende kam mit "Californication" ein künstlerischer und kommerzieller Höhepunkt in der Vita hinzu. "Unlimited love" ist von all dem das Gegenteil. Es geizt mit großen Hits, es macht auch nicht wirklich etwas neu. Die Red Hot Chili Peppers haben ein entspanntes Vibe-Album aufgenommen, das fast völlig in der Komfortzone verweilt. "Aquatic mouth dance" mag zwar gegen Ende von quirligen Bläsern traktiert werden und "Bastards of light" überraschend synthlastig ausgefallen sein, all das sind aber nicht mehr als experimentelle Tropfen auf den soliden heißen Stein. "Unlimited love" mag durch die ausufernde Spielzeit und die wenig herausstechenden Hooks zunächst sogar erschreckend zäh wirken.
Doch nach und nach schälen sich kleine und größere Perlen aus dem Kokon. Zunächst ist es die Vorabsingle "Black summer", nur echt mit Anthony Kiedis' merrrrkwürrrdig aufgesetztem Akzent und der Feststellung: "China's on the dark side of the moon." Frusciante spielt eines von vielen Soli auf der Platte, die nichts Neues bieten, aber jedes Mal eine Wohltat sind. "Here ever after" pflanzt sich astrein in die "By the way"-Zeit zurück, als die Peppers endgültig der Melodie statt dem Groove den Vorzug gaben. "The great apes" und "These are the ways" proben beide noch einmal aufbrausende Refrains, welche mit einem Auge bereits auf die nächste Stadiontour schielen. Außerdem stoppt noch immer niemand Kiedis, wenn er mit Schwachsinn wie "Melle Mel and Richard Hell were dancing at the Taco Bell / When someone heard a rebel yell, I think it was an infidel" ans Mikro stolpert. Und das ohnehin überlange "Poster child" nicht unbedingt leichter zu ertragen macht.
Mehr Spaß bringt da sein So-bad-it's-good-Rap im fidelen "One way traffic" oder der zurückhaltende Funk von "She's a lover". Schlüsselzeilen: "Please, love, can I have a taste? / I just wanna lick your face" – aber genug Kiedis-Lyrics für heute. Nirgendwo werden im Anschluss die Eckpunkte der Band besser abgedeckt als in den beiden Schlussstücken. "The heavy wing" überrascht via stürmischem Rock doch noch gewaltig – mit einem energischen Refrain, für den Frusciante zum ersten Mal seit "Dosed" höchstselbst allein ans Mikro darf, und rundherum knackigen Riffs, die Schwung in die Kiste bringen. Der Closer "Tangelo" ist als Kontrast dazu eine sanfte, akustische Ballade im Geiste von "Road trippin'", welche angenehm nachhallt und die Seele zum Rauschen des Meeres streichelt. Alles ist schön und nichts tut weh.
Gut so, denn trotz des angenehmen Nachgeschmacks hat "Unlimited love" wie schon das Doppelmonster "Stadium arcadium" einige klare Streichkandidaten, welche zwar nicht stören, aber die Veranstaltung durchaus etwas in die Länge ziehen. Ist "It's only natural" nicht bereits gefühlt die 41. sentimentale Peppers-Halbballade ohne großen Nährwert? Erinnert sich jemand hinterher an "Let 'em cry"? Hier greift immerhin die Vibe-Komponente als Pluspunkt. Der Flow aus relaxtem Songwriting zwischen Funk und Pop-Rock und den Peaks, die meist mit einem Frusciante-Solo bestückt sind, ist zwar so vorhersehbar wie die Tagesschau um acht, aber auch auf gewisse Weise komfortabel und lädt zum Wohlfühlen ein. Da weiß man eben, was man hat: die Red Hot Chili Peppers an ihrem Gitarristen und die Hörer an den Red Hot Chili Peppers.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Black summer
- Here ever after
- The heavy wing
- Tangelo
Tracklist
- Black summer
- Here ever after
- Aquatic mouth dance
- Not the one
- Poster child
- The great apes
- It's only natural
- She's a lover
- These are the ways
- Whatchu thinkin'
- Bastards of light
- White braids & pillow chair
- One way traffic
- Veronica
- Let 'em cry
- The heavy wing
- Tangelo
Im Forum kommentieren
Grizzly Adams
2022-06-09 20:30:56
Ich kann meine Einschätzung von vor ein paar Wochen auch nur wiederholen. Es kommt für mich nicht mal annähernd an Alben wie „Californication“ oder „By the way“ ran. Selbst auf dem Doppelalbum „Stadium Arcadium“ finde ich vergleichsweise mehr Hörenswertes. 5 ganz gute Songs. Der Rest ist bestenfalls ok. Aber he, das ist auch ok. ;-) RHCP haben inzwischen sowas wie Kultstatus — und eine breite Fanbase, die mit jedem neuen Album zu wachsen scheint. Es sei ihnen mehr als gegönnt.
Glynis
2022-06-09 19:45:59
Das album ist schon vergessen, kann mit diesem lauwarmen oparock nichts mehr anfangen. Nach 20 sec. Flip hab ich aus gemaxht
Blanket_Skies
2022-06-05 18:33:14
Ist ganz okay! Ich würde mich mehr über ein weiteres Album freuen, als über B-Seiten, die alle paar Monate mal erscheinen.
Cayit
2022-06-05 11:48:03
Nach dem schwachen Album...who cares.
nörtz
2022-06-04 15:11:24
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