Avril Lavigne - Love sux

Atlantic / Warner
VÖ: 25.02.2022
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Die schlechten alten Zeiten

Manchmal muss man auch einfach mal Glück beim Timing haben. Bestes Beispiel: "Love sux", das mittlerweile siebte Studioalbum von Avril Lavigne. Mitten in den Entstehungs- und Releaseprozess des Albums fällt anno 2022 das – wahlweise herbeigesehnte oder gefürchtete – Revival des zuckersüßen Pop-Punks der frühen Nullerjahre. Wo die Achtziger bis ins Unermessliche ausgeschlachtet und die Neunziger irgendwie nicht ganz so griffig sind, tritt nun also die nächste Retro-Welle auf den Plan. Und mal ganz ehrlich: Ein amtliches Surfen darauf hat sich die mittlerweile 37-Jährige durchaus verdient, waren doch das Debüt "Let go" und ganz besonders das Zweitwerk "Under my skin" tolle Pop-Rock-Alben im Fahrwasser sanft-punkiger Vorstadt-Rebellion. Logischerweise nimmt Avril Lavigne diese Nostalgiewelle mehr als dankend an – ein kleiner Karriere-Boost schadet nach der sehr verhaltenen Resonanz zum 2019er Album "Head above water" sicherlich nicht. Also: Travis Barker himself mal eben an die Drums befördert, und los geht der wilde Retro-Ritt zurück in den Speckgürtel der Jahrtausendwende.

Leider dauert die unterschwellige Freude ob eines sympathischen Throwbacks nicht lange an: Schon der seelenlos verkorkste Opener "Cannonball" macht klar, dass hier mitnichten die musikalisch ansprechenden Frühwerke Lavignes zitiert werden, sondern vielmehr der schon damals substanzlose und banale Bubblegum-Sound von "The best damn thing". Was immerhin für einen kleinen Spaß in Ordnung gehen könnte, wenn sich hier jemand auch nur im Ansatz Mühe gegeben hätte. Stattdessen quält sich das gruselige "Avalanche" durch völlig deplatzierte Bombast-Synths, während an anderer Stelle der Titeltrack den lyrischen Bogen mit Zeilen wie "When I think of you I just wanna throw up" dann doch arg überspannt. Da können auch die prominenten Gäste wenig reißen: So darf beispielsweise Machine Gun Kelly im völlig lahmarschigen und sich in "Lalala" Phrasen flüchtenden "Bois lie" gastieren, während Blink-182-Fronter Mark Hoppus in "All I wanted" mitmischt – und damit seinen ersten musikalischen Auftritt nach überstandener Krebserkrankung feiert. Logischerweise ist der Song dementsprechend auch ein 1:1-Klon des Sounds seiner Hauptband, ohne allerdings jemals dessen fiesen, unnachgiebigen Ohrwurmcharakter zu erreichen. Niemand erwartet von Avril Lavigne im Jahr 2022 musikalische Großtaten oder genreprägenden Fortschritt – dennoch ist es einfach nur schade, mit wie wenig Liebe und Charme hier die "neuen guten alten Zeiten" verwurstet werden.

Wirklich Spaß haben kann man mit "Love sux" nur an ganz wenigen Punkten – und zwar genau dort, wo ein wenig echter Esprit anstelle des puren Kalküls durchscheint. "Bite me" rechtfertigt im Albumkontext noch einmal deutlich die Auskopplung als einheizende Vorab-Single und macht mit einem angenehm rotzigen Refrain sowie netten Gitarrenspielereien durchaus Laune. Nichts für die Ewigkeit, aber für einen lauen Sommerabend reicht es locker. Ebenfalls amüsant gestaltet sich "Kiss me like the world is ending" – einer der wenigen Tracks, auf denen die Kanadierin mal so etwas wie einen authentischen Vibe heraufbeschwören kann. Direkt aus dem American-Pie-Soundtrack-Baukasten, klar, aber hier zumindest halbwegs ansprechend umgesetzt. Viel hätte es wirklich nicht gebraucht, ein anständiges, kompetent fabriziertes Revival-Album auf die Beine zu stellen. Selbst an diesen äußerst bescheidenen Anforderungen scheitert "Love sux" jedoch kläglich – und ist am Ende trotz des prädestinierten Mottos nicht mehr als ein weiterer Eintrag in Avril Lavignes jüngster Reihe von einfalls- und substanzlosem Output.

(Hendrik Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bite me
  • Kiss me like the world is ending

Tracklist

  1. Cannonball
  2. Bois lie (feat. Machine Gun Kelly)
  3. Bite me
  4. Love it when you hate me (feat. blackbear)
  5. Love sux
  6. Kiss me like the world is ending
  7. Avalanche
  8. Déjà vu
  9. F.U.
  10. All I wanted (feat. Mark Hoppus)
  11. Dare to love me
  12. Break of a heartache
Gesamtspielzeit: 33:36 min

Im Forum kommentieren

El arco

2022-05-03 09:19:51

Auf jedem Album war wenigstens ein guter Song

TBDT: when you‘re gone
Goodbye Lullaby: Not enough
AV: give you what you like
HAB: head above water

Aber das neue bietet ja wirklich durchgehend Grütze.

Talent ist da auch lyrisch irgendwie nicht wirklich da. Schade.

Max der Musikliebhaber

2022-05-02 18:14:16

irgendwie erstaunlich, ja, zugleich aber irgendwie auch nicht... ;)

Superhelge

2022-03-09 19:56:20

@Bernd: Erstaunlicherweise nix offizielles...

Mr Oh so

2022-03-07 18:10:13

Superhelge

... dann ein erster kommerzieller Abfall mit Album 3, den ich persönlich nicht verstehen kann,



Also ich habe es eher so empfunden: Zwei Alben voller grandioser Pop-Rock-Hits, auch das Sk8tergirl-Image hat gepasst und dann plötzlich "Girlfriend". Was sollte dieser Bubblegum-Mist? Das war ein kilometerweiter Rückschritt und hat sich schon damals wie Verzweiflung pur angefühlt - warum auch immer. Seither ist einfach nix mehr Ernstzunehmendes gekommen.

Bernd

2022-03-07 16:28:36

Gibt es von der Guten eigentlich ein Best-of-Album?

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