
Maya Jane Coles - Night creature
I/Am/Me / BMGVÖ: 29.10.2021
Belongs to lovers
Nacht, Nacht, Nacht, Nacht, Nacht. Man kann es eigentlich nicht mehr hören oder lesen: Sobald Künstler*innen, die sich auch nur grob der Schublade "Clubmusik" zuordnen lassen, ein neues Album veröffentlichen, scheint die darüber berichtende Zunft nur noch ein einziges Leitmotiv zu kennen. Was sollen wir armen Schreiberlinge aber auch anderes machen, wenn wir den Topos auf die Nase gebunden bekommen? Wenn etwa die britisch-japanische Produzentin Maya Jane Coles nicht nur unter dem Zweitalias Nocturnal Sunshine operiert, sondern auch die dritte unter ihrem Klarnamen releaste Platte "Night creature" nennt? Schließlich gibt es nur die eine Tageszeit, zu der Coles' aus Techno, House-Pop, UK Garage und allerlei anderen elektronischen Subgenres zusammengemixten Cocktails ihre volle Wirkung entfalten. Doch die Nacht ist vielschichtig. Man kann nicht nur seinen verschwitzten Körper von pumpenden Rhythmen durchschütteln lassen, auch in der bewegungslosen Einsamkeit rumoren die inneren Tumulte nachts am lautesten. Es ist ein ständiges Pendeln zwischen Hedonismus und Sehnsucht, dem dieses Album nicht nur mit Songtiteln von "Die hard" bis "Need" Rechnung trägt.
Ganz banal ließen sich die Tracks auf "Night creature" in zwei Kategorien erfassen: die mit Gesang und die ohne. Doch für eine so starre Zweiteilung gestalten sich Coles' Instrumentals viel zu flexibel. Das eröffnende Titelstück ist ein wummernder Four-to-the-floor-Banger, der im Mittelteil kurz ins Grübeln gerät, um sich dann doch wieder in die Ekstase fallen zu lassen. "N31" verzieht sich als fast schon Synthwave-artige Skizze kurz auf die Dachterrasse, von wo aus man die wie Hubschrauber kreisenden Drones von "Devil's dance" beobachten kann – mit seinem verschleppten Dubstep-Beat, den Industrial- und TripHop-Andeutungen sowie der gelungenen Spannungskurve sicher einer der faszinierendsten Songs hier. Ein direkt aufeinander folgendes Kontrastdoppel bilden indes "Monday mood" und "Survival mode": In Ersterem erschweren dumpf-verschlafene Synths das Aufwachen, ehe Letzteres mit aufgeputschten Vocal-Samples und subtiler Tribal-Percussion allen Dösereien ein Ende setzt. Ganz zum Schluss entlässt uns die Londonerin mit den sanft gepinselten "Slooow jam" und "Ending", welche die atemlosen Tänze der vergangenen knappen Stunde wie einen Traum erscheinen lassen.
Die Nummern mit Features kommen den prominenten Gesangsmelodien geschuldet freilich poppiger daher, warten aber ebenso mit eigenständigen Details auf. Coles' Landsfrau Claudia Kane tritt gleich viermal auf, immer unter leicht veränderten Parametern. "True love to the grave" groovt noch recht geradlinig auf die Tanzfläche, bevor "Show me love" nach tieferen Emotionen lechzt und "Run to you" mit seiner flackernden Gitarre respektive die schrägen Flötentöne von "Come with me" ein paar Reizpunkte setzen. In "Hypnotised" reibt sich der kaminwarme Bariton des Berliner Künstlers Lie Ning an kleine Dissonanzen, ohne je den Eindruck einer Unstimmigkeit zu erwecken: "When you're with me, shut the world out." Mit Grime-Fundament und Beteiligung von Karin Park baut "Light" eine Brücke vom UK nach Skandinavien und der verwaschene Hit "Got me" erstreckt sich sogar bis nach Australien – nach ihren eigenen elektronischen Ausflügen auf "Sixty summers" überrascht Julia Stone auf einem DJ-Album aber nicht mehr wirklich. Will man neben der Stilsicherheit noch einen weiteren roten Faden innerhalb dieser Wechsel zwischen Orten und Stimmungen ausmachen, findet man ihn sicher im ständigen Fühlen und Sehnen nach dem anderen Körper. Wem die Nacht in Wahrheit gehört, wussten ja schon Bruce Springsteen und Patti Smith.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Run to you (feat. Claudia Kane)
- Devil's dance
- Hypnotised (feat. Lie Ning)
- Got me (feat. Julia Stone)
Tracklist
- Night creature
- True love to the grave (feat. Claudia Kane)
- N31
- Run to you (feat. Claudia Kane)
- Die hard
- Devil's dance
- Hypnotised (feat. Lie Ning)
- Show me love (feat. Claudia Kane)
- Monday mood
- Survival mode
- Got me (feat. Julia Stone)
- Need
- Light (feat. Karin Park)
- Slooow jam
- Ending
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kingbritt
2021-12-11 07:15:29
. . . freue mich über eine Rezi. Freunde der electronica-beats hört da mal rein.
Armin
2021-12-10 23:17:59- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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