The Beths - Auckland, New Zealand, 2020

Carpark / Indigo
VÖ: 17.09.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

Vogelkonzert

Wir befinden uns im Jahr 2020 nach Christus. Die ganze Welt scheint im festen Würgegriff einer Pandemie stillzustehen. Ganz Gall-, äh, die ganze Welt? Nein! Ein Land am Rand der eurozentrischen Weltkarte, in dem Kakapos über den Waldboden stolpern und ein rundliches Männchen in seiner Hütte Beatles-Dokus zusammenschneidet, weiß das Coronavirus im Zaum zu halten. Begünstigt durch seine isolierte Lage, konnte Neuseeland mit strengen Grenzschließungen und Quarantäneregeln die Fallzahlen so gering halten, dass das kulturelle Leben wenig leiden musste. Profitiert haben davon etwa The Beths, eine der aufstrebendsten Indie-Rock-Bands ihres Heimatlands, die ihre Herbst-Tour in einer ausverkauften Auckland Town Hall abschließen konnten. "Auckland, New Zealand, 2020", die Audioaufnahme jenes Abends, ist in diesem Sinne ein interessantes Zeitdokument: ein ganz normales Live-Album, aufgenommen zu einer Zeit, in der ganz normale Konzerte für den Großteil der Welt nicht denkbar waren. Dass die Platte ein knappes Jahr später erst erscheint, nachdem der Genuss von Live-Musik auch andernorts wieder mehr Raum einnahm, sorgt aber keineswegs für ihre Redundanz. Dafür macht sie auch losgelöst von allen äußeren Bedingungen einfach zu viel Spaß.

Nach einem kurzen "Hello" von Frontfrau Elizabeth Stokes brettert gleich "I'm not getting excited" los – der erste von vielen kleinen Power-Pop-Hits, zwischen deren Schrammel-Riffs Melancholie und Unsicherheit immer mitschwingen. Davon will Lead-Gitarrist Jonathan Pearce hier aber noch nichts wissen, flext mit einem Thin-Lizzy-Solo und bringt die Menge nicht zum letzten Mal zum Ausrasten. Wie jedes gute Live-Album schafft es auch "Auckland, New Zealand, 2020", die Energie des Raumes zu konservieren, die Spielfreude auf der Bühne ebenso wie die Erregung davor. Da machen The Beths und ihre Fans auch keinen Unterschied, ob "Out of sight" zärtlichere Töne anschlägt oder die Drums des Uptempo-Bretts "Uptown girl" wie aus einem Hardcore-Punk-Track gerissen klingen. Man kann förmlich hören, wie die Beziehungstumulte von "Great no one" oder "Mars, the God of war" mit seiner markanten Zeile "It's not just the dawn that's breaking" in 1500 Resonanzräumen nachhallen. Stokes' konversationeller Gesangsstil, der manchmal an ihre Nachbarlandsfrau Courtney Barnett erinnert, verstärkt die Intimität, doch scheut sie auch nicht die große Pop-Geste, wenn etwa die balladeske Hymne "Jump rope gazers" die Arme nach einer weit entfernten geliebten Person ausstreckt.

Unterstützt von der erstaunlich textsicheren Masse, kommt auch ein Markenzeichen des Vierers, nämlich die harmonischen, teils Beach-Boys-mäßigen Hintergrundvocals der männlichen Bandmitglieder, live besser zur Geltung, vor allem in "Whatever" und "Dying to believe". Den größten Anklang erfährt allerdings "Future me hates me", dieses in wundervollsten Bubblegum-Grunge gegossenes Reue-Manifest, welches das Publikum wie einen modernen Klassiker feiert. Die zweite Albumhälfte gehört indes straighter tanzbaren Stücken wie "Happy unhappy" oder "Little death" mit seiner schwirrenden Bass-Linie, ehe "River run" einen epischeren Abschluss bildet. Dazwischen schieben Stokes, Pearce, Tristan Deck und Benjamin Sinclair die Sympathieregler auf Elf, indem sie über ihre neuseeländischen Lieblingsvögel – genauer: ihre Votes in der "Bird of the year"-Wahl, bei der 2021 kurioserweise eine Fledermaus gewann – quatschen. Da verzeiht man ihnen auch sofort, dass die Songs ihren Studio-Versionen wenig Neues hinzufügen und dass manche Momente, etwa die Tempowechsel am Ende von "Don't go away", etwas unsauber gespielt wirken. Ist ja schließlich Live-Musik. Wir haben sie vermisst.

(Marvin Tyczkowski)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • I'm not getting excited
  • Future me hates me
  • Jump rope gazers
  • Uptown girl

Tracklist

  1. I'm not getting excited
  2. Great no one
  3. Whatever
  4. Mars, the God of war
  5. Future me hates me
  6. Introduction
  7. Jump rope gazers
  8. Uptown girl
  9. Bird talk
  10. Happy unhappy
  11. Out of sight
  12. Thank you
  13. Don't go away
  14. Little death
  15. Dying to believe
  16. River run
Gesamtspielzeit: 55:29 min

Im Forum kommentieren

chillblue

2021-12-10 23:44:04

Großartiges Live-Album der so sympathischen Kiwis :-)

Hier der Link zum Konzertfilm:
https://youtu.be/j-JyAYfgC6c

Armin

2021-12-10 23:15:42- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum