Unheilig - Lichterland

Universal
VÖ: 12.11.2021
Unsere Bewertung: 1/10
1/10
Eure Ø-Bewertung: 2/10
2/10

Heilige Einfaltigkeit

Stellen wir uns vor, auf den einschlägig-romantischen Bilder-und-Sprüche-Seiten in den Social Media wäre das Thema Finanzen ein großes Ding. Vermutlich fände sich in der "Management"-WhatsApp-Gruppe des Grafen auch ein Foto mit dem Spruch "Relaxe und lass Dein Geld für Dich arbeiten", Dagobert Ducks Geldspeicher aus dem berühmten Comic im Hintergrund – darunter ein Christian-Lindner-Meme mit Zwinkersmiley. Sich mittels eines Best-ofs in Erinnerung zu rufen, ist nicht super originell. Gerade zur Weihnachtszeit scheint das Rezept verlässlicher als Omas Schriftzettel zu den traditionellen Zimtwaffeln. Selbst im Jahr fünf nach der endgültigen, endgültig-endgültigen Auflösung von Unheilig, diesem schwarzen Tag für das Land, als der Graf und sein treues Volk tränenreich, aber im Guten auseinandergingen. Aber wer bitteschön würde dem Künstler daraus einen Vorwurf stricken können? Werter Herr Kollege Bremmer, beim nächsten Mal bitte etwas mehr Contenance! Den Initiatoren des neuen, doppelten Grafen-Spektakels ist es an Einfühlsamkeit, an Nächstenliebe gelegen. So. Denn die ist bitter nötig, gerade in solch schwierigen gesellschaftlichen Zeiten.

Seit der Erfindung der Facebook-Kommentarspalte und spätestens seit der Corona-Pandemie, in der das Land mal wieder alles richtig macht und den Zeigefinger gen Auswärts schwingt, wundert man sich in Deutschland über gar nichts mehr. Längst hat man akzeptiert, dass es unfassbar viele Wesen da Draußen zu geben scheint, denen Unheiligs Schlager-Pop mit Goth-Touch etwas bedeutet. Warum es aber ein paar Jahre nach "Alles hat seine Zeit – Best of Unheilig 1999–2014" nun mit "Lichterland" eine zweite Karriere-Rückschau braucht? Nun ja, das mit dem Schenken zu Weihnachten ... äh, das wird doch jedes Jahr schwieriger! Und mit dem Grafen geht man eben auf Nummer sicher. Der vertonte C&A- oder Douglas-Gutschein, sozusagen. Natürlich geht es auch um die Musik. Immerhin wird dem geneigten Fan an Position vier von CD eins mit "Lichtermeer" ein neuer Song kredenzt!

Ah, okay, den gab es schon als Demo, flüstert da jemand. Aber nun, so neu, in Echt, frisch poliert und mit Adventsglitzer ...: "Auf Kurs / Auf Ziel / Ein neuer Tag beginnt / Und alle Lichter leuchten / Wie ein buntes Blumenmeer / Alle Lichter steigen hoch / Und funkeln über mir." Lyrics wie ein feines Plätzchen. Passenderweise kredenzten die Produzenten dieser Halb-Schmonzette einen zeitgemäßen, locker-flockigen All-alman-Hitfabrik-Beat, der auch auf der letzten Platte von Helene Fischer perfekt in den Schunkel-Reigen gepasst hätte. Der Rest ist bekannt: Foxtrott-Rhythmen, Seemanns-Chöre, Pianoklänge aus der Konserve. Hier mal ein schwülstiger Streicher-Teppich, dort Powerchord-Gitarren, ab und an auch mal glattgeschliffener Pop-Rock mit zarter Rammstein-Ästhetik. Und allerorten salbt der Graf mit immergleicher Intonation, taucht abgegriffene Seefahrt-Motive in Schlager-Kitsch-Lauge, bemüht bedeutungsschwanger Themen wie "Liebe", "Hoffnung", "Freiheit", ohne selbige Begrifflichkeiten mit Inhalt zu füllen. Nichts als Skizzen. Skizzen der Leere. Mit ganz viel Refrain.

Okay, wir wollen nicht die zweite schmucke Schleife an diesem Geschenk verschweigen: Überraschenderweise ist CD zwei eine Art Weihnachtsalbum – und wer die Special-Fan-Box kauft, ja, der bekommt unter anderem noch eine Unheilig-Kerze dazu! Süß. Auch auf der zweiten Disc: Mehr Graf-Erlebnis. Mal musikalisch, mal sprechgesangsähnlich. Wenigstens einer, der noch da ist, der kleine, möchtergern-schauderige Anekdoten zur kalten Jahreszeit zum Besten gibt, wenn es draußen schon keinen Schnee mehr gibt. Noch mehr zusammengepappte Klavier- und Synth-Töne, noch mehr Fliesentisch-Romantik für graue Tage. Advent, Advent, ... Und wenn der Graf im bereits erwähnten "Lichtermeer" den Vers "Bin glücklich / Doch hab Angst" zum Besten gibt, wird klar, warum Unheilig trotz unterirdischer Musik dermaßen erfolgreich sein konnten: Ein Volk hat seinen Soundtrack gefunden. Dieses Land hat sich den Grafen einfach verdient.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  • CD 1
    1. Lichter der Stadt
    2. Geboren um zu leben
    3. Wie wir waren (feat. Andreas Bourani)
    4. Lichtermeer
    5. So wie Du warst
    6. Wir sind alle wie eins
    7. Abwärts
    8. Mein Berg
    9. Große Freiheit (feat. James Last)
    10. An Deiner Seite
    11. Als wär's das erste Mal
    12. Glück auf das Leben
    13. Unter Deiner Flagge
    14. Hinunter bis auf Eins
    15. Spiegelbild
    16. Strark 2012
    17. Für immer
    18. Astronaut
    19. Ich würd' Dich gern besuchen
    20. Wie in guten alten Zeiten
    21. Zeit zu gehen
  • CD 2
    1. Die erste Kerze
    2. Macht hoch die Tür
    3. Stille Winternacht
    4. Der erste Schnee
    5. Die zweite Kerze
    6. Engel der Verkündung
    7. Leise rieselt der Schnee
    8. Weihnachtszeit
    9. Sterne hoch
    10. Die dritte Kerze
    11. Weihnachtssaat
    12. Es kommt ein Schiff geladen
    13. Winter
    14. Die vierte Kerze
Gesamtspielzeit: 144:50 min

Im Forum kommentieren

oldschool

2021-12-04 09:43:17

" Dieses Land hat sich den Grafen einfach verdient."
diese Pauschalisierung nennt man heutzutage Alltagsrassismus ^^

Mr Oh so

2021-12-01 23:18:09

Die Rezi ist ein Skandal. Offensichtlich handelt es sich bei diesem Eric Meyer um einen frustrierten Hobbymusiker, der selbst nie etwas zustande gebracht hat. Allein wie sich die Poesie von "Stille Winternacht" in schönen Textzeilen wie das "schneebedeckte Winterkleid durchbricht die Dunkelheit nach Kräften" manifestiert - einzigartig! Der Graf is back. Seine Jünger werden ihm folgen.

Sheesh

2021-12-01 12:52:58

Ich hätte schon noch ne 2/10 gegeben, allein der Tatsache geschuldet, dass es der selbsternannte Graf tatsächlich schafft seine speichelleckenden Zombiefans noch dümmer als Onkelzfans zu dastehen zu lassen.

Kojiro

2021-12-01 06:16:40

Ich zweifle an der Expertise eurer Rezensenten! Unerhört, was hier geschieht!

Armin

2021-11-30 23:00:20- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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