Lump - Animal

Chrysalis / Pias / Rough Trade
VÖ: 30.07.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zerfließen über Euch

Der Flirt mit dem Instinkt, die Andeutung einer inneren Kreatur, manchmal etwas vage und fahrig auftreten. Dies waren bereits die Attribute des selbstbetitelten Debüts des Duos Lump, bestehend aus Laura Marling und Mike Lindsay. Da fand man astreinen Pop neben experimentellen Stolperschritten abseits einer zu eng gefassten Struktur. Album Nummer zwei verfolgt diese Ansätze weiter, wobei "Animal" auch die Grenzen der mentalen Gesundheit auslotet. Formschönes, mit viel Gespür für Eingängigkeit Komponiertes steht so manchem Ausflug in Schräglagen gegenüber, die sich einem allzu vehementen Drang zum Hochglanz widersetzen.

"Bloom at night" gönnt sich zum Einstieg erst einmal etwas Blasphemie: "It took one God seven days / To go insane." Die oberste Instanz über Jahrtausende bricht hier einfach weg. Dazu setzt es ein tönendes Sprudeln, schwebende Klangflächen und einen Rhythmus, der durch die Nebelgefilde stapft. Schöner Art-Pop ist das, wenn auch auf wackeligen Füßen. Es scheint fast, als müssten Marling und ihr Partner um jede vollkommene Melodie hart ringen, das fertige Produkt ist schöngeistig, man hört aber noch entfernt das Ächzen, die vergeblichen Anläufe, das Wanken. "Gamma ray" entsteigt ebenfalls einem diesigen Ambient, holzt dann aber mit voluminösen Synths und wuchtigen Drums ganz schön hin. Nüchtern, distanziert wirkt der Gesang Marlings, auch ein wenig kühl, bis in einem Singsang-Refrain etwas verspielte Milde einzieht. Auch hier scheinen die Klänge aus ihren Melodieformen auszulaufen, die klare Kante weicht auf.

Marling hat übrigens als Grundlage ihrer Lyrics die Aufzeichnungen zu ihrem Psychoanalyse-Studium genutzt, vieles changiert zwischen Ursache und Wirkung, Vagem und Konkretem. Und so verliert eben auch die Musik oftmals den ganz festen Halt, wabert an den Rändern, driftet ab. Dies kann von morphenden Sprachsamples verursacht werden oder, wie im Titeltrack, durch eine narkotisierte Dringlichkeit ohne Vorankündigung: "Dance, dance / This is the last chance." Diesem Appell folgt dann wieder ein klangliches Zerfasern, die Instrumente springen aus der Fassung, der gesangliche Leitfaden reißt. Dieser Wandel, diese Übergänge sind höchst spannend, da mit einer gewissen Zurückhaltung die Hooks und pointierten Momente aus dem Tritt gebracht werden.

Auch das dezent Drängende von "Climb every wall" passt sich nur widerspenstig in seine sedierte Umgebung ein, Brüche und Kontraste in dieser unwahrscheinlichen Hitparade. Das reduzierte "Red snakes" lässt hingegen viel Platz für atmende Zwischenräume, schaut weit und ruhig über eine uneindeutige Landschaft. Aber es gibt eben auch Songs wie "Paradise", die neben einem üppigen Refrain und einer gewissen Melodieseligkeit über die elektronischen Klangerzeuger einen beunruhigenden Alarm verursachen. Zu sicher ist das Idyll nie, unter einer eleganten Melodie kann jederzeit der Boden wegrutschen und schon hängt man drin im psychedelischen Kleister. Gerade auf den hinteren Positionen des Album pluckert und flirrt vieles im intuitiven und unbewussten Bereich, nur um daraus, wie in "We cannot resist", mit einer fluffigen Pop-Melodie aufzutauchen. Aus dem Schöngeistigen bricht immer wieder die ungeschönte, innere Kreatur hervor, so gibt es zum Abschluss in "Phantom limb" zu gesanglichem Wohlklang auf der letzten Rille eiernde Gitarren. Das Geheimnis dieser Platte liegt eben genau in diesem Zusammenspiel.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Climb every wall
  • Animal
  • Phantom limb

Tracklist

  1. Bloom at night
  2. Gamma ray
  3. Climb every wall
  4. Animal
  5. Red snakes
  6. Hair on the pillow
  7. Paradise
  8. We cannot resist
  9. Oberon
  10. Phantom limb
Gesamtspielzeit: 44:25 min

Im Forum kommentieren

maxlivno

2021-08-02 19:12:38

finde es nochmal besser als das Debüt, würde die 8 zücken

Unangemeldeter

2021-08-02 17:11:47

Erst einmal ganz durchhören können, bin aber begeistert. Kopfmusik, die direkt in den Bauch geht. Hält locker das Niveau des hervorragenden Vorgängers, habe soooo Lust die mal live zu sehen, hoffentlich kommen die mal nach Deutschland.

Armin

2021-07-29 20:50:05- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Unangemeldeter

2021-05-05 23:21:41

Jaaaaaa großartige News. Hat Marling ja letztes Jahr zum Release ihres letzten Soloalbums schon angekündigt, freu mich mega. Ob Phantom Limb wohl ein Shins-Cover ist? Wär spannend, nachdem Marika Hackman das letztes Jahr ja auch schon gecovert hat.

kovacs

2021-05-05 12:36:07

geil, hatte ich gar nicht mit gerechnet. das debüt fand ich grandios und besser als alles, was marling solo gemacht hat

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