Desperate Journalist - Maximum sorrow!

Fierce Panda / Cargo
VÖ: 23.07.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Leiden schafft

Als hätte man nicht genug zu leiden inmitten des westlichen Wohlstands! File under: First World Problems. Nein, bitte nicht falsch verstehen: Unter all den kleinen und großen Leiden mögen durchaus berechtigt etliche Dinge unser Dasein belasten. Und sowieso sollte man jedem Menschen höchst selbst überlassen, was bewegt, erdrückt, erfreut oder einfach am Allerwertesten vorbeigeht. Das Londoner Indierock-Quartett Desperate Journalist trägt soundtechnisch seit jeher Dramenpotenzial mit und in sich. Noch dazu entdeckt dessen charismatische Vokalistin Jo Bevan regelmäßig Dramen, und zwar jene hinter der Kunst, was uns zielgerichtet zum Albumtitel führt. Das Suhlen im Elend, das komplette Aufgehen in Sorgen und Trauer ist gemeint. Mitnichten jedoch die Kapitulation!

Vielmehr geht es der Frontfrau um kathartische Befreiung, welche sich aus tiefster Melancholie dann befeuert, wenn man keine Sorgen mehr in sich hineinfressen, nichts Elendiges mehr absorbieren kann. "And thus, you are free", erklärt Bevan, durch die Arbeiten des Künstlers Kevin Bewersdorf zum Oberthema des vierten Albums ihrer Band inspiriert. Dass Melancholie etwas Feines ist, vor allem in der Kombination mit Musik, ist an dieser Stelle kaum eine Erläuterung wert. Wie toll diese jedoch immer wieder in den Songs von Desperate Journalist erstrahlt, ist auch im Kontext der neuen Platte bemerkenswert. Man lausche dem leicht episch angehauchten "Everything you wanted" und staune, wenn der umarmende Refrain samt Begleit-Chor wie die im Morgennebel aufgehende Sonne für Licht sorgt. "Utopia", zunächst beinahe ohnmächtig im Hintergrund, ist hinten heraus ähnlich elegant geschichtet.

Seit dem phänomenalen, kratzigen selbstbetitelten Debüt sind Desperate Journalist irgendwo zwischen 90s-Alterna, Indie-Rock, Post-Punk und Goth-Pop unterwegs und verändern die halbdunkel verhüllten Parameter ihres Sounds mit jedem Output zumeist marginal. Doch auch wenn die Single "Fault" mit Bass-Wummern und düsterem Schnaufen mindestens knietief im Post-Punk stampft, räumen Desperate Journalist ihre Kompositionen hin und wieder merklich auf. Gönnen den Songs auf "Maximum sorrow!" das Durchatmen von den gewohnt breit geschichteten Gitarren, die das Finale des eh tollen "Armageddon" zu einem besonderen gedeihen lassen und betten sie auf leichte Synthie-Teppiche.

Manchmal führt das in Kombination mit der bandtypischen, melancholischen Hingabe zu bittersüßen Mini-Epen wie "What you're scared of". Einen Flokati für das luftige Vergnügen hat "Personality girlfriend" indes erst gar nicht nötig, denn das Stück atmet einen unwiderstehlichen The-Cure-Drive, bevor nach dem wunderbaren Refrain eine aufmüpfige E-Gitarre zupft und zerrt, den Hemdzipfel nicht mehr loslässt. Ein Song exakt nach dem Rezept, mit welchem Desperate Journalist aufs Neue vollends überzeugen.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Personality girlfriend
  • Armageddon
  • Everything you wanted

Tracklist

  1. Formaldehyde
  2. Fault
  3. Personality girlfriend
  4. Armageddon
  5. Fine in the family
  6. Utopia
  7. Everything you wanted
  8. Poison pen
  9. The victim
  10. What you're scared of
  11. Was it worth it?
Gesamtspielzeit: 47:31 min

Im Forum kommentieren

NeoMath

2021-08-17 13:38:29

Finde auch alle Alben gut, das Debüt geht dabei für mich dennoch am besten rein, weil dort die stärksten Songs vertreten sind und das Album konstant hochwertig ist.

Live sind sie übrigens absolut klasse!
Sollte man sich nicht entgehen lassen.

tjsifi

2021-08-17 11:10:38

Wieder ein schönes Album. Schlecht war bisher eigentlich keines, gerade auch live eine wirklich sehr angenehme Band. Armageddon ist für mich persönlich sogar einer ihrer besten Songs bisher.

Blanket_Skies

2021-07-29 14:40:49

Nach zigfachem Hören der letzten drei Alben, kann ich mir aus den besten Songs ein weiteres gutes Album in der Qualität des Debüts zusammenstellen. Also ich bin zufrieden!
Am besten gefällt mir wohl der Gitarrist. Auch die Stimme ist super, aber da gefallen mir häufig die Gesangsmelodien nicht so sehr.

MasterOfDisaster69

2021-07-28 14:28:25

Also das ist ja sowas von 80er Jahre, und das muss nicht unbedingt schlechtes bedeuten. Hoere aber lieber einen alten 80er Jahre – Mix mit den Originalen, als das hier, handwerklich hervorragend Zusammengeklautes. Wer die Originale nicht kennt, kann hier sicher unbeschwert zugreifen und soll seinen Spass daran haben. Alte Hasen wie mich lockt das nicht die Bohne.

Und dann beginnt dann dies bestimmt nicht schlechte Armageddon genauso wie Kate Bush’s Running Up That Hill (natuerlich, aus den geliebten 80er) an, nee, ich bin raus…

Am besten zusammengeklaut wurde wahrscheinlich von den Cranberries (wegen der Stimme), instrumental von Heroes del Silencio, The Chameleons und teilweise Fields of the Nephilim. Alle 4 Originale bitte mal antesten, sofern nicht bekannt.
Die oben genannten Killing Joke, btw die beste Band der Welt, sind aber dann doch ganz was anderes…
Auch die o.g. Anne Clark, nur wegen einer kurzen spoken-words Passage, passt auch nicht ganz als Referenz.

eric

2021-07-21 10:49:05

Wer's eher kratzig mag: Das Debüt hat alles, dazu noch (mit) die besten Songs, finde ich. Wer soundmäßig etwas mehr Weitblick mag, könnte auch mit den Alben Nummer drei und vier einsteigen.

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