Evidence - Unlearning Vol. 1
Rhymesayers / CargoVÖ: 25.06.2021
Aus dem Leben eines Urgesteins
1997 war ein gutes Jahr für HipHop. Während hierzulande die Stieber Twins mit "Fenster zum Hof" und Freundeskreis mit "Quadratur des Kreises" Meilensteine veröffentlichten, waren es in den Staaten Camp Lo, Company Flow und ein gewisser Eminem, die für Furore sorgten. Auch ein Trio aus Los Angeles debütierte in diesem Jahr: Dilated Peoples, bestehend aus DJ Babu sowie den Rappern Rakaa Iriscience und Evidence. Letzterer ist mittlerweile 44 Jahre alt und zeigt auf seinem vierten Soloalbum "Unlearning Vol. 1", wie man im HipHop auch als Veteran bestens bestehen kann.
Evidence, mit bürgerlichem Namen Michael Perretta, hat viel erlebt – in seiner Vita mangelt es weder an Highlights noch an Tiefschlägen. Mit Dilated Peoples blieb der riesige Durchbruch zwar aus, Szenegrößen wurden sie trotzdem. Neben der Band machte Perretta sich schon früh als Produzent einen Namen: Seine bisher größten Erfolge sind die Grammy-prämierte Co-Produktion für Kanye Wests "The college dropout" und die Arbeiten für Swollen Members, die ihm zwei kanadische Juno-Awards bescherten. 2015 kam sein Sohn zur Welt, doch dessen Mutter starb nur drei Jahre später an Krebs. Diese persönliche Tragödie beschreibt Perretta auf "Unlearning Vol. 1" und macht dabei aus seinem Herzen keine Mördergrube.
Im Track "Won’t give up the danger" erzählt er etwa von Schlafstörungen und Depressionen. Den Refrain singt Murkage Dave, dessen deutlicher Londoner Akzent sehr gut zum gewohnt bedächtigen Rap des auch Mr. Slow Flow genannten Perretta passt. Der stärkste Track "Pardon me" erzählt vom Hineinwachsen in die Doppelrolle als Musiker und alleinerziehender Vater: "I'm orbiting, my son gave me more livin' / Needed time to get it right 'cause I was tour-ridden." Der Sound des Albums ist wunderbar aus der Zeit gefallen, wirkt wie ein Relikt aus den späten Neunziger- und frühen Nullerjahren. "Start the day with a beat" kommt wie ein gedrosselter Preemo-Beat daher, "Sharks smell blood" hätte sich auch auf "Blakroc" gut gemacht, dem 2009er HipHop-Album der Black Keys. Dazu versammelt Evidence alte Freunde und Weggefährten: DJ Babu steuert die Cuts für "Moving on up" und "Lost in time (Park jams)" bei, den Beat zu "Better you" hat Jugendfreund The Alchemist gebaut.
Die Vielfalt an Beat-Produzenten tut den Songs gut. Das Soundbild bleibt dabei trotzdem harmonisch und hat meist einen jazzigen Vibe – im von Khrysis produzierten "Talking to the audience" genauso wie bei "Lost in time (Park jams)", wo Nottz an den Reglern saß. "Taylor made suit" behandelt noch einmal eindringlich den schmerzlichen Verlust, die Dämonen, mit denen Perretta zu kämpfen hat, und Freundschaften, die daran zerbrachen: "I had a close homie tell me / Don’t write my life and write some happy shit / Like what keeps me up at night is average." Wer ist eigentlich noch übrig vom glorreichen Jahr 1997? Camp Lo und die Stieber Twins sind Geschichte, Company Flows El-P und Max Herre weiterhin aktiv und gut gealtert. Ob man das von Eminem auch behaupten kann, ist wohl Geschmackssache. Evidence zieht auf jeden Fall sein Ding unaufgeregt durch – ohne Drill-Sounds, Autotune oder poppige Refrains. Das ist angenehm zeitloser HipHop und der Albumtitel lässt hoffen, dass es eine Fortsetzung geben wird.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Pardon me
- All of that said (feat. Boldy James)
- Won't give up the danger (feat. Murkage Dave)
- Lost in time (Park jams)
- Taylor made suit
Tracklist
- Better you
- Start the day with a beat
- Sharks smell blood
- Pardon me
- All of that said (feat. Boldy James)
- Won't give up the danger (feat. Murkage Dave)
- Moving on up (feat. Conway The Machine)
- Talking to the audience
- All money 1983
- Pray with an A (feat. Navy Blue)
- Lost in time (Park jams)
- Delay the issue (feat. Fly Anakin)
- Taylor made suit
- Where we going from here ...
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Kojiro
2021-06-28 08:33:24
Wieder ganz solides Solo-Album von EV. Veröffentlicht eigentlich nie schlechte Sachen, wenngleich das letzte Album - mit Ausnahme von 2-3 Songs - dann doch recht mittelmäßig war. Hier wieder etwas solider, aber auch kein absoluter Kracher.
"Cats & Dogs" + die "Layover EP" bleiben meine Favoriten. Vor allem wg. dem hier: https://www.youtube.com/watch?v=OppBExX8EUA
Armin
2021-06-27 19:23:16- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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