Niels Frevert - Seltsam öffne mich

Tapete / Indigo
VÖ: 29.09.2003
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Emotionalgalerie

Die Seele hat durchgehend geöffnet. Das Innenleben von Niels Frevert, diesem komischen Kauz, der mit der Nationalgalerie wohl einfach seiner Zeit voraus war. Es ist ja nicht so, daß seine Ex-Band damals völlig unbeachtet musiziert hätte. Immerhin eroberte man mit "Evelyn" nicht nur "Bravo Hits Vol. 5", sondern auch das damalige MTV im Sturm. Die verdiente Ehre jedoch blieb aus. Heute wäre das bestimmt anders. Nicht auszudenken. Jetzt, wo alles von Bands wie Tomte spricht und Wir Sind Helden Helden sind, würde uns nur noch die Nationalgalerie zum vollendeten Glück fehlen.

Aber das ist längst vorbei. Und Berechnung steckt wohl bestimmt nicht dahinter, wenn sich Niels Frevert ausgerechnet jetzt mit seinem zweiten Soloalbum zurückmeldet. Denn, dafür muß man nicht hellsehen können, der große Ruhm wird ihm auch damit nicht zuteil werden. Deutschland ist einfach nicht bereit für ein Album wie "Seltsam öffne mich". Für mehr unterschwellige Schönheit, als vorstellbar wäre. Und für brillante Texte, wie man sie in unserer Muttersprache selten zu hören bekommt.

Dabei haben diese Sätze es doch so sehr verdient, direkt aus dem Booklet verschlungen zu werden, sich im Kopf festzusetzen und überallhin verkündet zu werden. Fangen wir mit den Lyrics des Openers an: "Manchmal gibt es nur noch die Befürchtung, ganz allmählich zu verstummen. Das, was ich will, hat mit dem, was ich kann, wenig zu tun. Ich habe gesucht, herauszufinden, worum es geht: Das hält nie ewig. Was zwischen Jahren und Stunden. Aber vielleicht länger als ein Liter H-Milch."

Vor allem die schlichten Stücke sind es, die auf "Seltsam öffne mich" hinreißen. Nach Harmonie strebende Liebeslieder wie "Wann kommst Du vorbei", Zweckoptimismus wie "Jetzt für immer" oder jene wunderbar traurige Nachtschwärmerhymne, die nach der "Naht aller Nähte" sucht, "die alle Wunden heilt." Und gleich noch einen Poesiealbumsspruch hervorzaubert: "Du bist, was Du isst / Glückskeks."

Niels Frevert erschafft trotz aller Kauzigkeit eine Nähe und eine Unmittelbarkeit, wie man sie selten erlebt. Da stört es nur wenig, daß der rumpelnde, an Fink erinnernde Blues "Tiefkühltruhe" oder das anstrengende "Gemeinsame Sache" den Wohlklang zerstören. Denn so ist das Leben. Gesegnet mit Höhen und Tiefen. Und eigentlich ziemlich seltsam. Wenn man so darüber nachdenkt.

(Armin Linder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wann kommst Du vorbei
  • Glückskeks
  • Einwegfeuerzeugstichflamme
  • Jetzt für immer

Tracklist

  1. H-Milch
  2. Seltsam öffne mich
  3. Wann kommst Du vorbei
  4. Glückskeks
  5. 7
  6. Einwegfeuerzeugstichflamme
  7. Gemeinsame Sache
  8. Tiefkühltruhe
  9. Tag ohne Namen
  10. Jetzt für immer
  11. Für immer jetzt
Gesamtspielzeit: 36:43 min

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