Moby - Reprise

Deutsche Grammophon / Universal
VÖ: 28.05.2021
Unsere Bewertung: 3/10
3/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Am Ende einer Reise

Jetzt hat es Richard Melville Hall doch noch erwischt. Unter seinem Künstler-Pseudonym Moby lieferte er auch Jahre nach seinen erfolgreichsten Schaffensphasen Ende der Neunziger und Anfang der Nullerjahre mit einer stoischen Konsequenz in regelmäßigen Abständen Alben der Marke "Hab' ich Bock drauf, mach' ich jetzt" ab. Vieles davon spielte sich weit Abseits des Mainstreams ab, war manchmal wirklich gut, traf nicht jedes Mal ins Schwarze, verlangte aber doch immer Respekt ab – weigerte er sich doch hartnäckig, sein musikalisches Erbe im gesetzten Alter nur noch stumpf zu verwalten. Leider scheint dem mittlerweile 55-Jährigen nun aber am Ende eines Marathons endgültig die Puste ausgegangen zu sein. Der Beipackzettel zum neuen Album "Reprise" verrät, was manche schon länger befürchteten: Hier gibt’s alte Hits in neuem, durch das Budapest Art Orchestra klassisch angehauchten Gewand wieder aufgewärmt.

Die klassische Neuinterpretation seiner großen Hits konzentriert sich beim gebürtigen New Yorker jedoch oftmals auf eine sehr unangenehme Angewohnheit: überbordender und oft völlig unnötiger Kitsch. Besonders schaurig ist das beispielsweise bei der Neuaufnahme von "Lift me up". Aus dem flotten Indie-Rocker wird ein vor übermäßigen Chor-Einsätzen und Over-The-Top-Dramatik nur so triefender Gruselsong, der auf so ziemlich jeder Ebene unerträglich ist – ein Sinnbild für fast alle Experimente, die Moby auf "Reprise" ausprobiert. "We are all made of stars" gesellt sich ebenfalls zu den Opfern von Mobys neu entdecktem Hang zur großen Geste und wird mit Streichern bis zur Unkenntlichkeit zugekleistert. Die Kombination der schwülstigen Komposition mit penetranter, aus der Zeit gefallener Percussion mag vielleicht auf dem Papier innovativ und cutting-edge erscheinen, passt in der Praxis aber gar nicht. Besonders ärgerlich auch, da beide Songs, wie auch einige andere Neuinterpretationen auf "Reprise", zumindest in ihren ersten Minuten spannende reduzierte Ansätze zeigen. Die dann aber ohne Rücksicht auf Verluste ertränkt werden – musikalische Tiefe wird oftmals leider nur kurz suggeriert und angeschnitten, nicht ausgelebt.

Wenn es mal nicht am Kitsch-Overkill scheitert, findet sich auf "Reprise" auch ansonsten wenig Inspiration. Das in seiner Ursprungsform nach wie vor großartige "Porcelain" tauscht seine wummernden Beats gegen ein blechernes, handzahmes Schlagzeug ein, welches die lustlos runtergespielte Klaviermelodie nicht so recht antreiben mag. Auch "Everloving" wird in seiner neuen Form jegliche klangliche Dynamik genommen, die das Original ausmachte. Wie es richtig gehen könnte, zeigt sich lediglich ansatzweise auf der Neuinterpretation des frühen Hits "Go" aus 1992 – hier wird der trockene House-Beat durch eine sehr forsche, perkussive Rhythmusfraktion ersetzt, die in frenetischer Geschwindigkeit zeigt, was mit etwas mehr Mühe und Liebe möglich gewesen wäre. Bezeichnend für "Reprise" ist, dass auch diese wirklich gelungene Fassung zum Schluss wieder vom Streicher-Bombast übertönt wird. Eine gewisse Rückschau hat man sich nach über 30 Jahren im Geschäft durchaus verdient – aber bitte nicht so, lieber Moby. Vor dem nächsten Projekt besser die Tür des heimischen Studios fest schließen und den Pomp draußen lassen.

(Hendrik Müller)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Go

Tracklist

  1. Everloving
  2. Natural blues (feat. Gregory Porter & Amythyst Kiah)
  3. Go
  4. Porcelain (feat. Jim James)
  5. Extreme ways
  6. Heroes (feat. Mindy Jones)
  7. God moving over the face of the waters (feat. Víkingur Ólafsson)
  8. Why does my heart feel so bad (feat. Apollo Jane & Deitrick Haddon)
  9. The lonely night (feat. Mark Lanegan & Kris Kristofferson)
  10. We are all made of stars
  11. Lift me up
  12. Great escape (feat. Nataly Dawn, Alice Skye & Luna Li)
  13. Almost home (feat. Novo Amor, Mindy Jones & Darlingside)
  14. The last day (feat. Skylar Grey & Darlingside)
Gesamtspielzeit: 70:33 min

Im Forum kommentieren

Watchful_Eye

2021-05-20 17:29:10

Das fand ich auch nicht so gut. Auf der Habenseite sehe ich (Teile von) "Wait For Me", "Destroyed", "Innocents" und "Everything Was Beautiful, and Nothing Hurt".

Die "All Visible Objects" hab ich mir noch nicht komplett angehört.

VelvetCell

2021-05-20 16:35:21

Dieses Gratisalbum, das er 2017 zum Download zur Verfühung stellte, ist ganz übler Mist.

Moby & The Void Pacific Choir hieß das Projekt.

Watchful_Eye

2021-05-20 01:50:24

Wie Christopher sagt: "Ist er also in dieser Phase angekommen." Vielleicht braucht er Geld.

Sein Spätwerk ist ansonsten durchaus ein Ohr wert. Nicht alles trifft ins Schwarze, aber es gibt viele Nuggets. Und das im Grunde nie anders.

Armin

2021-05-19 21:29:06- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

musie

2021-03-27 13:23:15

Kann die Autobiographie, also die beiden Bücher, sehr empfehlen. Spannende Lektüre. Hilft sehr, das musikalische Schaffen einzuordnen...

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