TV Priest - Uppers

Sub Pop / Cargo
VÖ: 05.02.2021
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Gardinenpredigt

"How you feeling, friend?" So grüßen TV Priest auf ihrer Bandcamp-Seite. Danke, schon besser gekotzt. Und selbst? Die Antwort erübrigt sich eigentlich, nachdem das Quartett 2020 in "House of York" und "Runner up" unsanft mit der britischen Monarchie und der Sedierung des Volkskörpers per Konsumzwang Schlitten fuhr – auf den rostigen Kufen eines Post-Punk, der knorrig das Erbe von Mark E. Smith und The Fall antritt und daher grundsätzlich immer etwas zu meckern hat. Ja, auch über den Umgang mit dem Coronavirus im Vereinigten Königreich, wiewohl "Journal of a plague year" ursprünglich auf Daniel Defoes "Die Pest zu London" anspielt, sich aber auch ohne weiteres auf die Pandemie beziehen lässt. Vielleicht ist diese ein Grund dafür, dass TV Priest inzwischen drei Mal so viele Platten veröffentlicht wie Konzerte gespielt haben.

Die, nun ja, Gig History der Londoner beläuft sich bei Erscheinen dieses Debüts nämlich auf genau eine Kühlhaus-Show im Stadtteil Hackney. Immerhin ein Setting, das für ihre Musik nicht besser gewählt sein könnte, denn TV Priest pendeln sich auf "Uppers" atmosphärisch schnell in der Nähe des (sozialen) Gefrierpunkts ein. Bereits die erste schnarrende Gardinenpredigt von Frontmann Charlie Drinkwater schneidet genauso eisig ins Hörfleisch wie Nic Bueths kantige Bassläufe, womit der Boden für zwölf Mal disziplinierten Lärm bereitet ist, wie ihn auch Protomartyr oder Fontaines D.C. stets übelgelaunt aus ihren scharf gestellten Instrumenten wringen. Erstere gehören zu TV Priests erklärten Lieblingen, für Zweitere entwarf Drinkwater das Artwork zu "A hero's death". Und plötzlich sind Dublin und Detroit zumindest musikalisch nur noch einen Steinwurf entfernt.

Denn wo es für eine ganze Reihe solcher Bands reicht, ist auch für "Uppers" ein stacheliges Plätzchen frei. "The big curve" bekommt der Opener mit obigen Mitteln jedenfalls ohne Probleme, wobei eine sirrende Ahnung von Joy-Division-Keyboards nur gelegentlich ein wenig Milde in den aufgeworfenen Punkrock mit unheilvollen Untertönen bringt. Mitgröl-Hopser wie Idles' "Danny Nedelko" oder "My little brother" von Art Brut verbieten sich ohnehin fast wie von selbst, wenn die von Fake-News-Bezichtigungen aufgebrachte "Press gang" mitten im Song immer wieder furios eskaliert oder disparate Gitarrensplitter genug "Leg room" für eine ungemütliche Suicide-Rhythmusmaschine lassen. Sogar beim rohen, beschleunigten Indie-Rock-Shuffle "Decoration" inklusive Drinkwaters hyperaktiv um sich spuckendem Japsen kann man das Drumherum mitessen.

Und da ist auch die eingangs gestellte Frage wieder, störrisch repetiert im Uptempo-Brecher "Fathers and sons". Der teufelt fast so knarzig und blechern wie einst "Elvis" von These New Puritans, als diese noch eine Rockband waren – und dreht direkt nach der Krawall-Single "Slideshow" noch etwas lauter auf. Dass auf "This island" vornehm ausgedrückt längst nicht alles zum Besten steht, sollten TV Priest gegen Ende also auch dem letzten Hörer glaubhaft versichert haben, und obwohl "Saintless" Drinkwaters neugeborenem Sohn zunächst ein Akustik-Ständchen bringt, geht es auch hier auf Dauer nicht ohne lärmigen Frontalzusammenprall ab: raus mit Applaus und verschmurgeltem Riff-Auflauf. Ein Album wie eine Pizza mit Mark E. Smith und sämtlichen Belägen vom Cover: nicht gerade lecker im klassischen Sinne, doch trotzdem ein Genuss.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The big curve
  • Press gang
  • Decoration
  • Fathers and sons

Tracklist

  1. The big curve
  2. Press gang
  3. Leg room
  4. Journal of a plague year
  5. History week
  6. Decoration
  7. Slideshow
  8. Fathers and sons
  9. The ref
  10. Powers of ten
  11. This island
  12. Saintless
Gesamtspielzeit: 43:50 min

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Armin

2021-01-27 20:49:22- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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