Dagobert - Jäger

Dagobert / Recordjet
VÖ: 29.01.2021
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der Kantengraf

Es ist ein Graus mit der Liebe. Erst recht, wenn man über sie auf Deutsch singen will. Nur Sex ist diesbezüglich noch schwieriger, das wussten dereinst schon Tocotronic. Dagobert ficht all das nicht an. Er schreibt Lieder über Liebe, die mit mehr als einem Bein durch Seifenlauge waten. Gehört einfach dazu bei ihm, diesem Wunderling. Ist das jetzt Schlager? Und ist Schlager wirklich ein Schimpfwort? Schwer zu sagen. Seit seinem gefeierten Debüt sind einige Jahre ins Land gezogen. Dass er beharrlich an seinem Stil festhält, zeugt von künstlerischem Selbstbewusstsein. Allerdings zeigt sein neues Werk "Jäger", dass so langsam die Luft raus ist. Was dereinst für frischen Wind sorgte, kommt nunmehr maximal als laues Lüftchen daher. Schuld daran sind vor allem die uninspirierten Instrumentals. Die Synthies dürfen auch im Jahr 2021 wieder fröhlich vor sich hinfiepen, was stellenweise für regelrechte Fremdscham-Momente sorgt.

Ganz schlimm ist beispielsweise "Wunderwerk der Natur", das klingt, als wäre Hubert Kah mit dem Gesicht aufs Keyboard gefallen. Es gibt sicher Menschen, die das immer noch feiern. Aber es gibt auch Leute, die freiwillig Marshmallows essen. Freilich sind Dagobert nicht gänzlich die Ideen ausgegangen. "Der heilige Gral" ist etwa ein solider Song mit schmissigem Refrain und schöner Melodieführung. Derlei Ausreißer nach oben gibt es aber nur wenige. Das Album wird dominiert von trägen bis langweiligen Kompositionen. "Aldebaran" wartet dann direkt mit einem "Millenial whoop" auf, damit auch der Letzte kapiert, was Sache ist. Auch der Titelsong will nicht recht aus den Puschen kommen, trotz überraschender R'n'B-Anleihen. Dagobert war nie ein begnadeter Sänger, besitzt aber eine wiedererkennbare und angenehme Stimme. Deshalb ist es schade, dass ihm diesmal nur selten griffige Melodien eingefallen sind. "Für Dagobert" verfügt zwar über ein herrlich zugemülltes Arrangement, zieht sich allerdings wie Kaugummi.

Ein paar Kleinode gibt es aber trotzdem. "Das Mädchen aus der schönen Welt" überzeugt dank eines cleveren Textes. Hier wird auch ersichtlich, worin der eigentliche Reiz von Dagobert mal bestand: Er musiziert exakt an der Bruchkante zwischen Kitsch und Kunst. Wenn er sich traut, das Absurde zuzulassen, gewinnen seine Songs unverzüglich an Intensität und Qualität. Leider wagt er dies zu selten. Stattdessen muss der Hörer drögen Murks wie "Nie wieder arbeiten" aushalten. Ein Jammer. Vielleicht sollte Dagobert sich von bestimmten Elementen seiner Musik verabschieden. Mutiger sein. "Im Wald" deutet an, wohin die Reise gehen könnte. Zu dunklen Rhodes-Akkorden rezitiert der gebürtige Schweizer satanische Verse über Tiere und ihre Lebensgewohnheiten. Das ist wunderbar schräg. Das schlimmste Schicksal eines Künstlers ist die Bedeutungslosigkeit. Wenn Dagobert nicht aufpasst, wird er sich sehr bald dort wiederfinden.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Der heilige Gral
  • Das Mädchen aus der schönen Welt
  • Im Wald

Tracklist

  1. For the love of Marie
  2. Nie wieder arbeiten
  3. Ich will noch mal
  4. Jäger
  5. Der heilige Gral
  6. Aldebaran
  7. Wunderwerk der Natur
  8. Das Mädchen aus der schönen Welt
  9. Im Wald
  10. Für Dagobert
  11. 2070
Gesamtspielzeit: 37:58 min

Im Forum kommentieren

Sick

2021-02-13 00:10:24

"Das Debüt war ein Meilenstein der Popgeschichte in Deutschland."

Hust. Mann, jetzt habe ich mich verschluckt. Hust. Ist wieder Karneval, gelle?

Menikmati

2021-02-05 09:54:40

ich finde auch, dass Dagobert über die Jahre immer wieder super Einzelsongs geliefert hat, nicht nur auf dem Debut, sondern bisher auf jedem Album. Jäger muss ich mir mal in Ruhe gönnen..mir gefällt auch, dass er keinen Hehl aus seinem Schweizer Dialekt macht. Oder wie kommt das für Deutsche rüber? Bin halt auch Schweizer..

captain kidd

2021-02-05 08:04:00

Das Debüt war ein Meilenstein der Popgeschichte in Deutschland. Ganz so stark höre ich das aktuelle nicht. Aber er hat sich auf jeden Fall wieder gefangen. Aber diese Düsternis des Debüts, diese Melodien - das ist schon einzigartig gewesen.

TorstenM

2021-02-03 20:19:51

Ich find das neue Album genial. Wieder genauso gut wie das erste Album. Nur der Sound ist besser. Wenn auch manchmal ein bisschen zu glattgebügelt. Aber ich glaube, uns Sorgen machen, dass er zu seicht wird, müssen wir nicht. Er bleibt extrem und die Entwicklung gefällt mir sehr gut.

Armin

2021-01-20 20:12:51- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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