Die Toten Hosen - Learning English lesson 3: MERSEY BEAT! The sound of Liverpool

JKP / Warner
VÖ: 13.11.2020
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Scousers im Herzen

Zwei Dinge wünscht sich Campino für einen talentierten Nachwuchskicker der Düsseldorfer Fortuna: dass er niemals zu den Bayern geht – klar, so weit bekannt. Außerdem aber, dass dieser, wenn er denn schon Karriere machen will, gefälligst den Weg an die Liverpooler Anfield Road finden soll. Campinos Leidenschaft für den Liverpool Football Club – die der Rezensent im Übrigen grundsätzlich teilt – ist seit Langem verbürgt und nun sogar zum Aufhänger seines vor wenigen Wochen erschienenen ersten Buchs geworden. "Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde" verknüpft Fußballromantik mit autobiografischen Elementen, während Campino sein kompliziertes Verhältnis zum deutsch-britischen Elternhaus reflektiert. Nun hört seine Faszination für Liverpool aber nicht im Stadion und beim ikonischen roten Trikot auf, sondern erstreckt sich auf das kulturelle Erbe der gesamten Stadt. Die Metropole an der Mersey atmet schließlich einen besonderen Geist im (noch) Vereinigten Königreich: Proletarischer, irischer und katholischer als im Rest Englands wird hier malocht und gedacht, während sich der Blick seit jeher eher aufs Meer als aufs Inland richtet. Die Tories kriegen erst recht keinen Fuß in die Tür, was auch Alt-Punks gefällt, so staatsmännisch sie mittlerweile erscheinen mögen. Und so fiel es Campino nicht schwer, seinen Bandkollegen ein weiteres Markenzeichen Liverpools näherzubringen: den Mersey-Beat der 60er-Jahre, benannt nach einer Musikzeitschrift, der auf unverkennbare Weise amerikanischen Rock'n'Roll und proto-punkige Coolness zu einem treibenden Rhythmus verband – und nicht zuletzt eine Band namens The Beatles in die Welt entließ.

Nachdem sich die ersten Teile kanonischem Punk widmeten, erweist "Learning English lesson 3" in limitierter Auflage also diesem Sound die Ehre. Die Tracklist offenbart sogleich zwei Lücken: Mit "Slow down" taucht nur ein eher abseitiges Original der frühen Fab Four auf, auch fehlt die legendäre, wunderschöne, aber inzwischen arg strapazierte Hymne "You'll never walk alone" in der Version von Gerry And The Pacemakers unter den 15 Covern. Was sich schon bald als Glücksgriff erweist, denn so kann sich die Band munter an weniger bekanntem Material austoben. Zack auf Zack fetzen die ersten drei Songs aus den Boxen, alle flott und nah am Vorbild gespielt, auch wenn die Gitarren etwas mehr Lärm machen und den Punk stärker herauskehren. "Hippy hippy shake" von The Swinging Blue Jeans wartet mit Start-Stopp-Automatik und wildem Gitarrensolo auf und klingt dabei genau, wie es heißt. Der zynische Schunkler "You're no good" von derselben Band nimmt das Tempo erstmals etwas raus, der unkomplizierten Melodieseligkeit tut das keinen Abbruch. So reiht sich munter Hit an Hit und nur einmal wird die Drei-Minuten-Marke haarscharf geknackt. Ob fröhliche Harmoniegesänge und ein beschwingtes Saxofon in "She's sure the girl I love" (The Fortunes), die pulsierende Basslinie in "I can tell" (Rory Storm And The Hurricanes, hier erinnert es fast an den Garage-Rock von The Stooges) oder der bittersüße Refrain von "You might as well forget him" (Billy J Kramer & The Dakotas) – stets kommen diese Versionen ähnlich schnell und spielfreudig zum Punkt, während Campino voller Inbrunst Boy-meets-girl-Geschichten intoniert, die naiv scheinen, während es doch um alles geht. Durchweg klingt er dabei frisch und angenehm alterslos, sodass sich nie die Frage stellt, ob ein bald 60-Jähriger noch die Sorgen junger Männer nachvollziehen kann.

Zum Abschluss wird es dann noch einmal nachdenklich: "Ferry cross the Mersey" ist Gerry And The Pacemakers' sentimentale Ode an ihre Heimat, die konkreter Ort und Idee zugleich ist: "We don't care what your name is, boy / We'll never turn you away." Charmant ringt Campino mit den Tönen und der Sehnsucht des Songs eine persönliche Note ab. Zwar ist er seit gut eineinhalb Jahren nun auch doppelter Staatsbürger, doch das hier heraufbeschworene Gefühl kennt keine Grenzen und Pässe. "Scousers" nennen sich die Bewohner der Merseyside liebevoll, nach einem einfachen Eintopf der Region. In ihrer dritten Englischlektion gelingt den Toten Hosen eine musikalische Hommage, die ebenso einfach daherkommt, aber gerade dadurch den lebensbejahenden, ansteckenden Groove der Originale betont. Revolution lag in der Luft vor knapp 60 Jahren, ein mitreißendes Gefühl des Aufbruchs und der Geselligkeit. Daran erinnert zu werden, ist 2020 vielleicht noch nötiger als sonst.

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hippy hippy shake
  • You're no good
  • You might as well forget him
  • Ferry cross the Mersey

Tracklist

  1. Hippy hippy shake
  2. Respectable
  3. Do you love me
  4. You're no good
  5. She's sure the girl I love
  6. Walking the dog
  7. Bad to me
  8. Slow down
  9. You might as well forget him
  10. Shake sherry
  11. Needles and pins
  12. I can tell
  13. Sorrow
  14. Shake, rattle and roll
  15. Ferry cross the Mersey
Gesamtspielzeit: 35:36 min

Im Forum kommentieren

Los Paul

2020-12-27 21:32:50

Meinung? Einfach nur grottenschlecht. Nächstes Jahr "learning english lesson 3 - unplugged" Tripple Deluxe Edition oder was?

Armin

2020-12-21 21:17:24- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Peacetrail

2020-09-30 23:04:14

Die Pressemitteilung klingt auf jeden Fall megalangweilig.

Armin

2020-09-30 19:00:18- Newsbeitrag

Die Toten Hosen: Neues Album „Learning English Lesson 3: MERSEY BEAT! The Sound Of Liverpool“ erscheint am 13.11.20
Am 5. Oktober erscheint das erste Buch von Campino „Hope Street: Wie ich einmal englischer Meister wurde“. Und plötzlich steht da ein neues Album der Toten Hosen in den Startlöchern. Mit „Learning English Lesson 3: MERSEY BEAT! The Sound of Liverpool“ veröffentlichen die Hosen am 13.11. den dritten Teil ihrer legendären Reihe englischsprachiger Cover-Alben. Beschäftigten sich die ersten beiden Teile noch ausgiebig mit den Anfängen des Punkrock, geht es nun ein ganzes Stück weiter zurück, direkt in die erste Hälfte der 60er Jahre. Genauer gesagt ins Liverpool der Mersey Sound-Ära. Bei der Recherche zu seinem Buch hat sich Campino intensiv mit der Historie der Stadt Liverpool und der dortigen Musikszene befasst. Anfang der 1960er Jahre gab es dort weit über 300 Bands, die in den Tanzlokalen diesen neuartigen Sound spielten, der schon bald – benannt nach dem berühmten, an der Stadt liegenden Fluss, River Mersey – Mersey Beat genannt wurde. Die Beatles waren damals eine dieser Gruppen, die vornehmlich Songs spielten, die im Original aus den USA stammten - und nun im Beat-Rhythmus als „British Invasion“ wieder ihren Weg zurück in die Vereinigten Staaten finden sollten.

Während des Schreibens hat Campino seine gesamte Band mit dem Sound und der Geschichte dieser Stadt angesteckt. Und so war plötzlich die Idee geboren, den Soundtrack zu seinem Buch einzuspielen.
Herausgekommen ist ein schnelles Album mit Hits und Raritäten von The Searchers, Gerry and the Pacemakers, Rory Storm and the Hurricanes, The Swinging Blue Jeans und vielen anderen Epigonen dieser Szene.
Die Toten Hosen haben mit 15 Coverversionen die raue Energie dieser Ära behutsam in die Gegenwart übertragen, am Ende klingt es trotzdem unverkennbar auch nach den Hosen. „Learning English Lesson 3: MERSEY BEAT! The Sound of Liverpool“ fügt sich nahtlos in das Gesamtwerk der Düsseldorfer ein und ist die Liebeserklärung an eine Stadt und an einen Sound, der für einen kurzen historischen Moment die wichtigste Musik der Welt war.

„Learning English Lesson 3: MERSEY BEAT! The Sound of Liverpool“ erscheint am 13.11.2020 als einmalige, limitierte und nummerierte Auflage von 7.500 LPs und 20.000 CDs sowie als Download und Stream.

Campino auf Lesereise in Zürich und Wien!
Aufgepasst: Im November wird Campino sein neues Buch „Hope Street“ im Schauspielhaus in Zürich (11.11.) sowie im Wiener Burgtheater (17.11.) vorstellen. Das werden zum einen natürlich Lesungen sein. Zum anderen soll aber auch ein bisschen Musik gemacht werden - deshalb wird Kuddel mit seiner Gitarre vor Ort sein! Der Vorverkauf für Zürich startet morgen, den 01.10. um 10:00 Uhr auf www.zurichticket.ch. Für Wien ist der Vorverkaufsstart dann am 21.10. um 08:00 Uhr, nur online unter www.burgtheater.at!

SUPPORT YOUR LOCAL CREW! - Das Hosen-Solishirt für Freiberufler im Kulturbetrieb
Ohne sie wäre die Party schnell vorbei: All die ganzen freischaffenden Frauen und Männer, die sich in den Clubs, Hallen und bei Open Airs um Licht oder Ton kümmern oder als Stage Hands dafür sorgen, dass überhaupt eine Bühne steht. Diese Menschen sind beruflich durch die Auswirkungen der Corona-Krise mit am stärksten betroffen und gleichzeitig unabdingbarer Bestandteil unserer kulturellen Infrastruktur. Leider erreichen die staatlichen Hilfsmaßnahmen vielfach nicht die in ihrer Existenz bedrohten Freiberufler, die im Kulturbetrieb arbeiten. Unzählige fallen durch alle Hilfsraster und werden unverschuldet auf Grundsicherung (Hartz IV) angewiesen sein.
Zur Unterstützung dieser Menschen gibt es ab sofort ein Soli-Shirt im Shop der Toten Hosen, alle Gewinne werden an den Verein https://www.handforahand.de/ gespendet. Dieser Solidaritätsfonds sammelt Spenden zur Unterstützung für freie Bühnen- und Tontechniker:innen, Beleuchter:innen, Stage Hands und Veranstaltungshelfer:innen.


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