Spiritualized - Amazing grace

Spaceman / Sanctuary / Zomba
VÖ: 15.09.2003
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Entzugserscheinungen

Auch Jason Pierce wird nicht jünger. Dafür aber, so erzählt man sich, entschieden vernünftiger. Während wir den heutigen Alleinherrscher über Spiritualized in den Achtzigern vor allem als Wanderapotheke kennenlernten, holt der Enddreißiger sich seine Kicks heute vornehmlich aus der Musik. Und da es in den letzten Jahren immer mehr brauchte, um den Meister ordentlich draufzubringen, liefen auch seine Spiritualized-Platten zunehmend aus dem Ruder. Mehr als 100 Mitstreiter benötige es, um "Let it come down" vor zwei Jahren in Szene zu setzen. Ganze Gospelchöre und Orchester wurden angekarrt, eigentlich einfache Popsongs zu kleinen Sinfonien aufgeblasen und die Platte selbst zu einem kaum mehr greifbaren Erlebnis. Womit Pierce ziemlich gut leben konnte.

Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wie es für ihn jetzt noch weitergehen soll. Und schau her: Nun, da das obere Ende der Skala erreicht scheint, wird Rückbesinnung auf einmal besonders groß geschrieben. Pierce findet wieder Gefallen am schnörkellosen Rocksong, verkleinert die Balladen und fährt sein Pensum auf sportliche 43 Minuten zurück. Wenn "Let it come down" das Album über das Runterkommen, den Absturz nach dem großen Trip war, dann steht "Amazing grace" zunächst einmal mit beiden Raucherbeinen fest auf dem Boden.

Aus der überarbeiteten Ausrichtung ergeben sich allerdings auch neue Probleme. Wenn Pierce sich da zum Auftakt nämlich gründlich einen abrockt, kann man schon mal ins Grübeln kommen. Ganz schön vierschrötig, wie einem die Ausflüge ins Garagenfach entgegenschlagen. Bluestrunkenes wie "She kissed me" oder "Never goin' back" langt zwar beherzt in die Saiten, kann aber trotzdem nicht leugnen, daß man sowas anderswo bedeutend böser und frischer hinkriegt. Es wird ganze sechs Songs und einen konkreten Knackpunkt brauchen, um "Amazing grace" ans rettende Ufer zu spülen.

Mit "The power and the glory" kippt die Platte. Ein wild quietschendes Instrumental, das sich aufbäumt, bis die Trompeten aus dem letzten Loch pfeifen. Es scheint, als würden sich die Instrumente zusammentun, um ihren Dirigenten endlich wachzurütteln. Und tatsächlich läuft der Laden danach wieder. "Lord let it rain on me" ist ekstatischer Gospel-Space-Rock, wie ihn Pierce schon immer am besten konnte, "Cheapster" ein Dreckspatz mit dem richtigen Biß. Und "Lay it down slow" schließlich der goldene Schuß des Albums, ein jupitergroßer Klos im Hals. "If you got pain in your heart / Why don't you share it with me / And we'll just wait and see / If it's half of what it used to be." Ein Ende ohne Worte.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The power and the glory
  • Lay it down slow

Tracklist

  1. This little life of mine
  2. She kissed me (It felt like a hit)
  3. Hold on
  4. Oh baby
  5. Never goin' back
  6. The power and the glory
  7. Lord let it rain on me
  8. The ballad of Richie Lee
  9. Cheapster
  10. Rated X
  11. Lay it down slow
Gesamtspielzeit: 43:04 min

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