Woodkid - S16

Island / Universal
VÖ: 16.10.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Die Mensch-Maschine

"The golden age is over", verkündete Yoann Lemoine vor sieben Jahren und meinte damit die goldenen zwanziger Jahre – des eigenen Lebens. Mit einem fulminanten, extrovertierten Soundgewand feierte er einen letzten großen Exzess. Nun, gerade in diesem 2020, in dem das Abhandenkommen von gemeinschaftlichen Aktivitäten bestimmend geworden ist, meldet sich Lemoine mit "S16" zurück und natürlich steht angesichts des Motto des Debüts die Frage im Raum: Wie empfindet Woodkid nun seine Dreißiger – und wie setzt er diese musikalisch um?

Ein erstes Lebens- und Ausrufezeichen setzt die Single "Goliath", die zunächst einmal keinen allzu großen Bruch zu "The golden age" darstellt. Erneut greift Lemoine die ganz große Geste auf, feuert ein Maximum an Effekten zu einem pathetischen Orchestersound ab. "Goliath" trägt mit überladenen Streichern und Klaviermelodien ganz dick auf und mengt dem Ganzen noch Depeche-Mode-artige Synthie-Explosionen bei. Recht ähnlich verhält sich "Pale yellow": Lemoines weiche Gesangsspuren – nah an Anohni – samt begleitender Streicher stehen im Fokus, ehe scheppernde Beats abrupt in den Vordergrund drängen. Woodkid vertont einmal mehr Gegensätze. Seine samtene Stimme schmiegt sich an die klassischen Musikinstrumente, die dann von elektronischen Beats regelrecht zerhackt werden.

Bis hierhin bietet "S16" nichts neues im Lande. Natürlich ist die Produktion bis in die letzte Note perfektioniert. Visuell präsentiert sich Woodkid als bis in die Barthaare präzise Animation, wie eine Videospielfigur in einem AAA-Titel. Doch der Schein trügt. In Gänze entfaltet dieses Zweitwerk ein ganz anderes musikalisches wie persönliches Flair. Je weiter es voranschreitet, desto mehr zeigt sich: Lemoine ist deutlich in sich gekehrter. Die großen, explosiven Momente sind mehr und mehr eingespart, es dominieren balladeske Strukturen. So sehr sogar, dass es auffällt, wenn doch noch ein Ausbruch den Weg dieser Platte säumt. Tragen etwa "In your likeness", "Draw to you" und "Enemy" die Melancholie mancher Filmscores in sich und "Shift" gar die Schwere eines Anathema-Songs, donnert "Highway 27" plötzlich zu mitreißenden Klanghölzer-Grooves los.

Bei all dem Streben nach Perfektion lauert natürlich stets die Gefahr in der Ecke, zu kühl, zu statisch, zu überkomponiert zu wirken – dem arbeitet im Grunde immer Lemoines Gesang entgegen, der eine unglaubliche Wärme ausstrahlt. An zwei Stellen jedoch steht "S16" an jenem Punkt des Scheidewegs,wo ein Überreißen erreicht sein könnte: "Reactor" und "Minus sixty-one", in denen jeweils ein japanisch singender (Kinder-)Chor eine tragende Rolle einnimmt und bisweilen starke Enya-Vibes aufkommen. Absolutes Highlight dieses blendenden Albums hingegen ist das düster schwebende "So handsome hello", das durch die Symbiose aus gesungenen Melodiebögen und passender Instrumentierung für mehrmalige Gänsehaut sorgt. Was präsentiert Lemoine nun also in seinen Dreißigern? Wilde Ausläufer des soeben noch Erlebten einerseits, eine Gesetztheit mit starken melancholischen Zügen andererseits. Eigentlich banale Erkenntnisse – dank der Masse an Soundschichten, Melodien und Woodkids Hand für hervorragendes Songwriting jedoch wunderbar in Szene gesetzt.

(Klaus Porst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Goliath
  • Highway 27
  • So handsome hello

Tracklist

  1. Goliath
  2. In your likeness
  3. Pale yellow
  4. Enemy
  5. Highway 27
  6. Reactor
  7. Drawn to you
  8. Shift
  9. So handsome hello
  10. Horizons into battlegrounds
  11. Minus sixty one
Gesamtspielzeit: 48:19 min

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Armin

2020-10-27 19:12:53- Newsbeitrag

Woodkid – Album “S16” / aktuelles Video „In Your Likeness”



Woodkid hat mit „Horizons into Battlegrounds“ eine dritte Dimension seines zweiten Albums „S16“ enthüllt, das am 16. Oktober veröffentlicht wird.



„Horizons Into Battlegrounds“ ist, in den Worten von Woodkid (a/k/a Yoann Lemoine), "eine einfache Klavierballade, die im Kontrast zum restlichen Klang des Albums steht. Es ist ein intimer, zurückhaltender Track mit einem Hilferuf innerhalb des Textes - es ist eine zärtliche, liebevolle Umarmung, ein Moment der Ruhe inmitten des Chaos.“



Dieses Chaos schließt die beiden klanglich voneinander abweichenden Welten von „S16“ ein, die „Horizons into Battlegrounds“ vorausgegangen sind: Das erste Single „Goliath“ und das dazugehörige Video entstanden im April, dessen monolithischer Groove als Raum für Fragen nach der individuellen und kollektiven Verantwortung für den Zustand der Welt dient. „Goliath“ wurde schnell zu einem der besten Songs im April vom TIME Magazine und zu einem der „YOU NEED TO KNOW“ ROLLING STONE-Songs gekürt. „Pale Yellow“ folgte im Juni mit einer 180-Grad-Drehung in eine introspektive Meditation über Intimität und Kämpfe zur Bewältigung mentaler und physischer Herausforderungen und wurde von UPROXX als „ein vielversprechender Vorgeschmack auf das lang erwartete neue Album“ gelobt.

Wie im musikalischen und emotionalen Spektrum von „Horizons into Battlegrounds“, „Pale Yellow“ und „Goliath“ angedeutet, hinterfragt „S16“ den Begriff der Dimension, von unendlich groß bis unendlich klein, das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Mensch und Industrie und die Idee der kollektiven und individuellen Verantwortung, eine Welt an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen.



S16 wurde in den Abbey Road Studios in London sowie in Berlin, Paris, Los Angeles und Island aufgenommen, auch mit dem Suginami Junior Chorus aus Tokio hat Woodkid für eine Passage zusammengearbeitet. Der Name des Albums spielt auf das chemische Symbol und die Ordnungszahl für Schwefel in der Physik an: „S16“ stellt die Materie selbst in Frage; woraus bestehen unsere Zellen, unsere Herzen? Wo ist die Grenze zwischen Realität und Fiktion? Schwefel ist in der Tat ein essenzielles Element für Lebewesen, aber er kann in Flammen aufgehen. Wie das glühende Leiden, das durch die Musik angefacht wird, die dann beruhigen kann, wie in eine Umarmung gehüllt zu sein.



„S16“ ist der Nachfolger von Woodkids Debüt „The Golden Age“ aus dem Jahr 2013, das sich weltweit fast eine Million Mal verkauft hat und für zwei GRAMMY Awards nominiert war. In der Zeit seit der Veröffentlichung von „The Golden Age“ hat Woodkid mit Nicolas Ghesquière von Louis Vuitton, dem New York City Ballet, Jonas Cuaron für den Original-Soundtrack von Desierto und vielen weiteren zusammengearbeitet. Dior Hommes Herbst-Winter-Kollektion 2013, „A Soldier on My Own“, wurde von „Iron“ aus dem Album „The Golden Age“, inspiriert und musikalisch untermalt. 2019 wurde in der zweiten Episode der Netflix-Hitserie The Umbrella Academy ein weiterer Song aus „The Golden Age“, "Run Boy Run", sowohl als Soundtrack zu einer Schlüsselszene als auch als Titel der Episode verwendet.





Official Video “In Your Likeness” anschauen:




kingbritt

2020-10-25 11:12:54


. . . der closer Track "ninus sixty-one" für mich die stärkste Nummer, 10/10

kingbritt

2020-10-25 11:08:22


komisch: Ryurichi Sakamoto

kingbritt

2020-10-25 11:06:46

Ryūichi Sakamoto

kingbritt

2020-10-25 11:05:01


. . . läuft hier gerade im dritten Durchgang. Wunderbar für den Sonntagvormittag. Ja, der Knaben-Chor, chinesisch oder gar japanisch? Hab da auch gerade mal überlegt, passt aber zur Melodie, etwas Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence, der Filmmusik von Ryūichi Sakamoto, der ist aber Japaner.

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