Unhappybirthday - Mondchateau
Tapete / IndigoVÖ: 04.09.2020
Aus der Dampfmaschine
"Keine Sonne und kein Regen / Seidenmatt und superqueer / Leicht wie Schaum, schwüles Paradies." Viel treffender, als Unhappybirthday es im Stück "Saison" beschreiben, kann man den Sound des Trios kaum in Worte fassen. Nein, auch das vierte Album der Wahl-Hamburger hat – abgesehen vom Erdtrabanten im Titel – rein gar nichts mehr mit dem holzschnittartigen Elektro-Rock zu tun, den Tobias Rutkowski und Daniel Jahn einst als goJA moon ROCKAH und unter leicht einfältigen Pseudonymen wie Herr Schreck oder Herr Ja fabrizierten. Seitdem drückt die Band ihre Musik durch eine wabernde Nebelwand aus minimalistischem Dream-Pop in Richtung klangvoller, aber diffuser Destinationen wie "Centauri", "Tennu" oder "Dunster". Bei Letzterem handelt es sich genau genommen zwar lediglich um ein Dorf im Süden Englands – es könnte aber genauso gut eine Art verwunschene Dampfmaschine sein, mit deren Hilfe Unhappybirthday auch auf "Mondchateau" ihre entrückten Tracks zusammenköcheln.
Allen, die den Begriff Shoegaze ausschließlich mit undurchdringlichen Gitarrenwällen und fiependen Rückkopplungen in Verbindung bringen, sei jedenfalls empfohlen, ihre Wahrnehmung einem – wiewohl unscharfen – Realitätscheck zu unterziehen: Auch wenn sich der sanft groovende Opener "Margo" auf einsame Licks, behutsamen Klöppel-Synthie und ab und an durchs Klangbild schwebendes Zwitschern vermutlich exotischer Vögel beschränkt, ist der Hörer binnen kurzer Zeit so rettungslos beduselt, dass die ein wenig schärfer gestellte Drum-Machine von "Cristal" einen in der Folge aus allen puscheligen Wolken zu reißen droht. Zum Glück weht schon bald eine geheimnisvoll fremdsprachig parlierende Frauenstimme in den Song und vermengt sich mit Glitzer-Elektronik und Jahns bedächtigem Flüstern, das nur gelegentlich den Tatbestand von Gesang erfüllt. Und plötzlich klingt eine Zeile wie "Sind wir für immer hier? Sind wir für immer wach?" zusehends wie eine Verheißung aus dem Reich des süßen Nichts.
Immerhin eine gewisse Erdung erhält das Ganze durch Diana Kims unablässig grummelnde Bassläufe, die etwa der wundersamen Percussion-Skulptur "Station" gerade genug Linie verleihen, um nicht im Blubberbad des Ungefähren zu versinken. Wirksame Nadelstiche setzen auch die Background-Vocals: Andreas Dorau und Zwanie Jonson schwirren wie Lichtblitze durch "Delon" oder das wunderbare "Mondpalais", rhythmisches Klingeln und Strahle-Harmonien oszillieren zwischen Neonsonne und karibischem Gefühl – ist das noch Yacht-Rock oder schon Vaporwave? Eine Frage, die dieses Album gar nicht abschließend beantworten will, wenn es sich an imaginären Cocktails mit pastellfarbenen Schirmchen berauscht, Zeitlupen-Beats neben versonnenes Gebläse stellt und zum instrumentalen Schluss kosmischer Musik so lange mit analogem Geknatter und Handclaps zu Leibe rückt, bis man Suicide als eskapistische Männergruppe in Baströckchen halluziniert. Zugegeben: ein nicht ganz so schöner Wachtraum wie "Mondchateau".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Margo
- Cristal
- Mondpalais
Tracklist
- Margo
- Cristal
- Station
- Delon
- Burgund
- Saison
- Mondpalais
- Plaza
- Dunster
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n00k
2022-02-14 20:12:21
Irgendwie yachtpoppig. Wer die wilde Jagd, Neuzeitliche Bodenbeläge, Klaus Johann Grobe oder ähnliches mag, der sollte mal ein Ohr riskieren.
Armin
2020-09-05 12:25:46- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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