Chefket - 2112
ChefketVÖ: 21.08.2020
Ins Schwarze
Gerade erst veröffentlicht, da gab es auch schon die erste Ein-Stern-Rezension bei Amazon: "Mal eben eine 25-Minuten-EP als Album verkaufen", heißt es hier über "2112" von Chefket. Diesen Kritikpunkt kann man schon so stehen lassen, auch wenn alles weitere aus der Nutzer-Review ziemlicher Unsinn ist. Der Heidenheimer Rapper releast ganz spontan im Selbstvertrieb und verteilt auf die Schnelle 'ne Schelle. Nun, eigentlich sogar ein paar mehr, und das vorwiegend in Double-Time. Vielleicht geht es ja deswegen so fix?
Chefket ist ein fabelhafter Rapper. Was das Skilllevel angeht, können da nur wenige mithalten. Einer davon ist auf "2112" zu Gast: Samy Deluxe. Von dem kann man halten, was man will, aber was er kann, das kann er. Das zeigt er dann auch in "DWNW". Solche Tracks gibt es im "modernen" HipHop nur noch selten. Der Titel steht für "Du weißt nicht wie" und disst weg, was sich ihm in den Weg stellt. Der Beat wummert dabei kraftvoll wie großartig nach vorn. Auch "IGN" ist eine Abkürzung: "Ich glaube nicht", soll das heißen. Das Konzept des Songs ist einfach: Chefket stellt eine Reihe so nicht haltbarer Behauptungen auf: Zum Beispiel "Alle Pfarrer ficken Kids", "Frei.Wild ist links", "Italiener machen Pizza" oder auch "Stephan Ernst tut es leid." Ja, nö. Simpel, aber schlagkräftig. Ordentlich Bock macht auch "Egotrip", dessen Beat sich irgendwo zwischen dem manifestiert, was einerseits vielleicht Haftbefehl und andererseits etwa Juse Ju sonst so auffahren würden. Muss man erstmal so hinkriegen.
Der beste Titel auf "2112" ist "Kranich", weil der Bass deftig vibriert und die Kicks unbeirrt die Klimax suchen. Mehrere Tempowechsel und Breaks leiten hin zur großartigen Zeile: "Alle Musikpreise sind 'nen Scheiß wert / Was, wenn Helene Fischer schwarz wär'? / Was, wenn Samy Deluxe weiß wär'?" Der Titel endet mit einem "Karate kid"-Sample: "Auftragen, rechte Hand. Polieren, linke Hand", so bereitet man sich ordentlich auf ein Battle vor. Das folgende "UBR" wird in der Hook von May begleitet und hat das gleiche Thema: Wegflexen. Der Rapper dreht ein weiteres Mal imposant am Geschwindigkeitsregler. Ein bisschen langsamer geht es dagegen im manisch geradeaus pumpenden "Film" zu. Quintessenz: "Umso kleiner der Schwanz, desto teurer die Rolex. / Und ich hab' nicht mal 'ne Uhr." Auch "Indie Indie" glaubt an das Prinzip von "Weniger ist mehr" und hat weder Bock auf Major-Labels noch auf viele Klicks. Nix Neues, aber Chefket hat schon recht: "Warum machen wir nicht einfach wieder HipHop-Musik?" Er weiß aber auch: "Fick dieses Game / Aber vergiss nicht: Du bist dieses Game." Die Hook singt er, während sich der Himmel im musikalischen Sinne bedrohlich zuzieht.
Auch in "Underdog" reflektiert der Künstler über sein Rapper-Dasein. Ebenso in "Verrückt VS Superstar", aber da noch ein bisschen besser. Der gesungene Chorus geht krass ins Ohr und das klimpernde Piano sorgt für die zu den Lyrics passende Tragik, während drumherum ein kleines Percussion-Gewitter tobt. Ist "2112" ein Schnellschuss? Klar. Aber wenn Chefket schießt, dann trifft er in der Regel ins Schwarze. So auch hier. Die Platte ist in ihrer Kürze vielseitig genug, um lange interessant zu bleiben. Das betrifft sowohl das musikalische Setting als auch das nimmermüde Gespitte des Heidenheimers. Lieber ein nicht mal halbstündiges Spektakel wie dieses, als das nächste 90-Minuten-Doppelalbum mit 17 Füllern.
Highlights & Tracklist
Highlights
- DWNW (feat. Samy Deluxe)
- Kranich
- UBR (feat. May)
- Verrückt VS Superstar
Tracklist
- Vorhang auf
- Egotrip
- DWNW (feat. Samy Deluxe)
- IGN
- Kranich
- UBR (feat. May)
- Film
- Indie Indie
- Underdog
- Verrückt VS Superstar
Im Forum kommentieren
Telecaster
2020-09-15 09:54:19
Finde keine Parallelen zu Rush.
Armin
2020-09-05 12:17:58- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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Referenzen
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