Angel Olsen - Whole new mess

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 28.08.2020
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Jetzt mal ganz ruhig

"If only we could start again / Pretending we don't know each other / I could not come back the same." Na, wer hat denn da vielleicht schon im Vorfeld etwas angekündigt, was nach langem Rätselraten und Mutmaßen nun endlich zur Tatsache wird? Nachdem Angel Olsen im Oktober 2019 ihr Mammutwerk "All mirrors" veröffentlicht hatte, brodelte die Gerüchteküche schnell los: Angeblich solle es eine zweite Version des Albums geben, viel ruhiger als das pompöse, ausschweifende Original. Nicht mal ein Jahr später gibt es Gewissheit – auf dem dieser Tage erscheinenden "Whole new mess" sind neun der elf Songs bereits vom Vorgänger bekannt. Dennoch sträubt sich Olsen gegen das schnelle Abtun einer möglichen Resteverwertung oder gar Demo-Sammlung.

Das Beziehungsende, das als Inspiration für "All mirrors" diente, sei eben sehr eindrücklich gewesen, mit vielerlei Facetten und tiefgreifenden Veränderungen, die nicht nur Olsen und den Ex-Partner betroffen hätten. Freundschaften seien daran ebenso zerbrochen wie Zukunftsträume. Eine Entwicklung also, die sie nicht nur auf die eine spezielle Weise verarbeiten konnte und wollte. Und so ist "Whole new mess" laut Aussage der Sängerin als eigenständiges Album zu betrachten. Tatsächlich haben die Songs mit ihrer ursprünglichen Form kaum mehr etwas gemeinsam: Zwar schwingt beispielsweise in der neuerdings "Lark song" betitelten früheren Single weiterhin ein gewisser ätherischer Hauch mit, auf den regelrecht befreienden Ausbruch wartet man jedoch vergeblich. Das hat durchaus seinen eigenen Charme, wenngleich auch etwas fehlt – genau das ist aber das Hauptthema dieses neuen Albums mit größenteils irgendwie alten Songs. Sehnsucht, Leere, Schmerz, aber auch Beruhigung, Selbstfindung, Neusortierung: "Whole new mess" sucht die Ordnung im Chaos. Und findet sie meistens.

Natürlich wären elf komplett neue Stücke noch schöner gewesen. Dennoch ist die Freude über Olsens Rückkehr zu ihren Wurzeln durchaus groß. Wenn der Titeltrack etwa nicht viel mehr benötigt als eine Gitarre, ein Mikrofon und ein wenig Raum zur Entfaltung, geht das Note um Note mehr unter die Haut. Und wenn "(New love) Cassette" zwischen Säuseln und Kratzen schwankt und dabei gleichzeitig nach einer guten Freundin mit Klampfe klingt, die genauso gut neben Dir auf der Couch sitzen und ein bisschen vor sich hin zupfen könnte, fühlt sich das nach Heimat an. Und spätestens mit "Chance (Forever love)", das noch zehn Monate zuvor der perfekte dramatische Rausschmeißer war und welches sich hier als starke, aber doch verletzliche Folknummer präsentiert, ist klar, dass Olsen Recht behält: "Whole new mess" macht sein ganz eigenes Ding.

Denn wirklich am allerschönsten wird es hier genau dann, wenn die neue Version so gar nichts mehr mit der alten zu tun hat. Fallbeispiel "What it is (What it is)": War das 2019 noch ein leicht obskures, aufstampfendes Gewitter, wird es nun zum schwelgerischen, lieblichen Highlight am Ende einer überraschenden Reise. Oder auch "Tonight (Without you)", einst der (Achtung, Zitat!) "Titelsong irgendeiner Schwarz-Weiß-Romanze aus den Fünfzigerjahren", mittlerweile jedoch die hauchzarte Lagerfeuer-Ballade im Zusammensein von jahrzehntelangen besten Freunden. Wem "All mirrors" zu viel Drama und zu wenig Demut war, der wird an "Whole new mess" seine helle Freude haben. Ach, alle anderen auch. Machen wir uns nix vor: Ob rau oder ruhig – mit Angel Olsen ist der Weg zum Glück immer nur ein kurzer.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Whole new mess
  • (New love) Cassette
  • Tonight (Without you)
  • What it is (What it is)

Tracklist

  1. Whole new mess
  2. Too easy (Bigger than us)
  3. (New love) Cassette
  4. (We are all mirrors)
  5. (Summer song)
  6. Waving, smiling
  7. Tonight (Without you)
  8. Lark song
  9. Impasse (Workin' for the name)
  10. Chance (Forever love)
  11. What it is (What it is)
Gesamtspielzeit: 42:17 min

Im Forum kommentieren

maxlivno

2020-10-08 14:35:00

Neues Tiny Desk (Home) Concert von Angel Olsen

https://youtu.be/4RL4mk38wwI

maxlivno

2020-10-08 14:33:56

Mir gefällt Whole New Mess besser als All Mirrors. WNM hat mir aber nochmal vor Augen geführt, dass die Songs auf All Mirrors im Kern alle funktionieren. Mir gefallen zwar nicht alle Produktionskniffe, aber ich hab meinen Frieden mit dem Album geschlossen.

saihttam

2020-10-08 13:47:21

Mir gefällt ja mittlerweile doch auch All Mirrors ziemlich gut. Du warst ja anfänglich auch nicht so begeistert, maxlivno. Wie sieht es denn jetzt aus?

maxlivno

2020-10-08 13:05:36

Auch die zwei neuen Songs auf dem Album sind sehr gut, vielleicht sogar die besten. Ich bin auf jeden Fall froh, dass sie diese Versionen noch veröffentlicht hat. Es funktioniert auch sehr gut als eigenständiges Album und kann meiner Meinung nach gleichberechtigt neben All Mirrors stehen.


+1

saihttam

2020-10-08 01:41:12

Diese Songs sind auch in ihrer reduzierten Fassung wunderschön. Ihre fantastische Stimme steht so wieder mehr im Mittelpunkt, was mir auf All Mirrors teilweise etwas gefehlt hat. Auch die zwei neuen Songs auf dem Album sind sehr gut, vielleicht sogar die besten. Ich bin auf jeden Fall froh, dass sie diese Versionen noch veröffentlicht hat. Es funktioniert auch sehr gut als eigenständiges Album und kann meiner Meinung nach gleichberechtigt neben All Mirrors stehen.

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